Letzten Endes entwickelte sich aus den geplanten 15 Interviewminuten ein angeregtes, 75-minütiges Gespräch, in dem die Komikerin hochmotiviert über ihr aktuelles Projekt – ein Netflix-Special –, ihre bisherige Karriere, ihren Umgang mit Kritik und ihre Hoffnungen als Künstlerin gesprochen hat. Und dies nahezu ohne Punkt und Komma – doch nie, dass je der Eindruck aufkommt, dass sie sich einfach nur gerne reden hört. Nein, es wirkt eher so, als dass sie sich schlicht über jede Gelegenheit für einen motivierten Gedankenaustausch freut.
Und, was wahrlich nicht für alle Prominente gilt, mit denen wir auch über vergangene Karrierestationen sprechen: Die Deutsch-Iranerin hegt nicht den leisesten Groll, wenn auch mal frühere Quotenrückschläge zur Sprache kommen. "Ach, ich bin niemand, der sich über Journalisten erhebt und meint, vorzuschreiben, worüber sie mit mir sprechen dürfen! Ich sehe dem Thema gelassen entgegen", meint Amani, als wir nachfühlen, ob wir sie fragen dürfen, welchen Einfluss die Quotenachterbahnfahrt von «Studio Amani» auf sie hatte. Sie führt fort: "Ich weiß nicht, was ich zu dem Thema noch sagen soll und ob das heute überhaupt noch von Interesse ist. Aber: Ich bin noch immer stolz darauf, was damals passiert ist. Ich habe mich innerhalb von zwei Jahren vom Niemand zu jemanden mit einer eigenen Sendung hochgearbeitet – das war sehr cool. Wir sind mit einem Quotenrekord gestartet – das Problem daran war, dass es bei manchen Leuten falsche Erwartungen geweckt hat."
Mit beeindruckender Genauigkeit wiederholt sie die Zahlen von «Studio Amani», die sich nach einer kurzen Talfahrt wieder erholten, als die erste (und letztlich einzige) Staffel endete. Und sie rekapituliert: "In Relation gesehen, waren die Quoten ja auch zwischendurch gut, aber Medien, die sich nicht richtig damit befassen, haben die Sendung als reinen Flop dargestellt. Aber wenn die Quoten so schlecht gewesen wären, wie sie dargestellt wurden, hätte mir ProSieben ja nicht eine neue Sendung gegeben, die ja auch wieder toll lief."
Dass der Umstand, dass «Studio Amani» nicht fortgesetzt wurde, Außenstehende verwirren könnte, ist ihr bewusst: "Ich musste noch viel lernen – so habe ich während «Studio Amani» erkannt, wo meine Stärken liegen. Daher wollte ich mich mehr auf mein Können als Stand-Up-Komikerin stützen, auch wenn mir nun bewusst ist, dass Leute, die diesen Entscheidungsprozess nicht verfolgt haben, denken könnten, «Studio Amani» sei abgesetzt worden." Nach dem ihr stärker zugeschnittenen «Nissa» hatte die Komikerin "dann erstmal genug vom Fernsehen. Ich brauchte eine kurze Orientierungsphase – und dann klopfte schon Netflix an." Diese Anfrage löste bei ihr eine Entscheidung aus: Dem Ruf der VOD-Plattform folgen und vorerst nicht ans Fernsehen zu denken. "Das spricht mich gerade nicht an. Ich bin aber nicht bitter. Es war eine riesige Chance für mich und ich bin dafür dankbar. Ich habe da Erfahrungen gesammelt, auch wenn ich damals künstlerisch noch nicht so weit war, in den richtigen Momenten zu sagen: 'Nein, das können wir so nicht machen, das passt nicht zu mir.'"
Vorwürfe macht sie aber niemandem: "Ich bin nicht so, dass ich da Andere in die Schuld nehme. Ich hätte ja auch selber früher erkennen können, was mir liegt. Das Publikum war da fixer: Bei «Studio Amani» sagten die Kommentare nahezu einhellig, dass mir Stand-Up so viel besser liegt als etwa die Einspielfilmchen. Diese Erkenntnis hatte ich im Produktionsvorlauf noch nicht, und da stehe ich drüber. Denn die kleinen Fehltritte waren Lektionen für mich. Unter anderem habe ich dadurch mehr übers Fernsehmachen gelernt." Ohne Gram in der Stimme, urteilt sie: "Das Fernsehen ist eine riesige Maschinerie, und nachdem die Show erstmal in Gang kam, war es unmöglich, zu sagen: 'Wir müssen das und das an dem Format ändern.' Darum finde ich es so cool, was Netflix macht."
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Netflix ist für uns Komiker der Olymp, weil dort unsere ganzen Idole vertreten sind. Und nun verstehe ich auch, wieso es so viele große US-Comedians dorthin zieht – Netflix gibt einem sämtliche Freiheiten, sich zu entfalten.
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Enissa Amani
Was Amani kennzeichnet, sind nicht nur die ausführlichen Antworten, sondern auch ihr unvergleichliches Können, Sachen zu erzählen, die wie Prahlerei rüberkommen könnten – doch bei ihr klingen sie ganz bescheiden: "Netflix' Anfrage kam für mich zu einem unfassbar coolen Zeitpunkt. Ich spiele seit eineinhalb Jahren nämlich immer wieder Mal auf Englisch. Ich habe vier Mal vor ausverkauftem Haus in London gespielt", sagt sie mit einem freudig-ungläubigen Timbre. Ebenso baff berichtet sie, dass sie Kevin Hart kennengelernt und seinen Manager dafür gewonnen hat, ihre US-Gags zu managen. "Ich spiele nun auch öfters in Hollywood in der Laugh Factory, am selben Abend wie einige der Größten im Comedygeschäft! Gut, ich spiele da nur vor rund 200 Leuten, aber das ist mir viel wert. Ich habe lieber ein kleines Publikum, das auf mich so wirkt, als würde es mich wertschätzen, und erhalte Respekt von Kollegen, die ich feiere, als dass ich Stadien fülle und mit Verkaufsrekorden prahlen kann."
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Ich habe lieber ein kleines Publikum, das auf mich so wirkt, als würde es mich wertschätzen, und erhalte Respekt von Kollegen, die ich feiere, als dass ich Stadien fülle und mit Verkaufsrekorden prahlen kann.
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Enissa Amani
"Das erfüllt mich voller Stolz. Weil ich denke, dass ich am Publikum ablesen kann, dass mich Deutschland nicht weiter in eine Schublade steckt. Das war das, was mich vor ein paar Jahren noch gestört hat – das Gefühl, wegen meines Auftretens verkannt zu werden." Gegen Kritik habe sie nichts, "doch es ist schlimm, wenn Leute einen als etwas abtun, was du nicht bist", urteilt Amani. Sie unterstreicht dies mit einem spontanen Beispiel: "Wenn mich einer nicht mag, ist das sein Recht. Aber wenn jemand sagt: 'Ich mag die nicht, weil die gerne Birnen isst', denke ich mir: 'Hä? Wie kommst du auf die Idee? Ich hasse Birnen! Das sage ich auch andauernd!'"
Nicht nur das Publikum habe sie eingangs verkannt, "auch in der Branche gab es Zeiten, wo ich eine Ellenbogenmentalität verspürt habe, weil die Leute mich vorschnell wegen meiner Optik abgetan haben. Doch im Laufe meiner Fernsehpräsenz hat sich das schleichend verändert. Und Social Media hat in der Hinsicht enorm geholfen, weil es viel leichter ist, jemanden über diesem Weg zu zeigen, wofür man steht und welchen Humor man vertritt." Mittlerweile genießt Amani großen Respekt von Branchenkollegen, wie sie mit einem Mix aus Stolz und Verwunderung berichtet: "Ich arbeite jetzt viel als Autorin, was mir sehr gefällt. Es schmeichelt mir enorm, wenn Kollegen zu mir kommen und sagen: 'Hey, Enissa, ich brauche für einen Fernsehauftritt ein Fünf-Minuten-Set zu dem und dem Thema, du bist da die Beste drin, hilf mal!' Das ist so cool, sowas zu hören."
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Ich hoffe, dass ich künftig auch für andere Comedians produzieren kann.
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Enissa Amani
«Enissa Amani: Ehrenwort» ist ab dem 26. April bei Netflix zu sehen.
Es gibt 5 Kommentare zum Artikel
26.04.2018 08:40 Uhr 1
27.04.2018 08:56 Uhr 2
27.04.2018 20:09 Uhr 3
28.04.2018 02:16 Uhr 4
28.04.2018 07:17 Uhr 5
Hart aber Fair..und danach Facebooktrolle bei einer (den meisten) unbekannten Komikerin(?) ?
Das klingt eher nach einer Medieninszenierung, nur mein Eindruck.
Was kostet es mich wohl bei einer dieser ominösen Agenturen, wenn ich bei denen einen griffigen Shitstorm auf FB buche, um danach vielleicht im Frühstücksfernsehen über diesen zu weinen?
PRmäßig wäre ich danach auf jeden Fall bekannter als vorher.
Natürlich kann man Menschen ohne Redepause kritisieren und genau nur deswegen.
Ohne Redepause bleibt nämlich kein Platz fürs Denken, weder das des Redners, noch des Zuhörers.