Die Kritiker

«Tatort: Borowski und das Haus der Geister»

von   |  3 Kommentare

Schaurig, auf die klassische Art: «Tatort: Borowski und das Haus der Geister» ist ein dezent-gruseliger Krimi – und der Einstand von Borowskis neuer Partnerin.

Cast und Crew

  • Regie: Elmar Fischer
  • Darsteller: Axel Milberg, Thomas Loibl, Almila Bagriacik, Karoline Schuch, Mercedes Müller, Emma Mathilde Floßmann, Heike Trinker, Thomas Kügel, Alex Peil, Navid Navid
  • Drehbuch: Marco Wiersch
  • Kamera: Philipp Sichler
  • Schnitt: Eva Lopez Echegoyen
  • Musik: Matthias Beine
  • Produktionsfirma: Nordfilm
Eine Ära ist vorbei, eine neue Zeitrechnung in der Welt der Borowski-Krimis beginnt: 2011 bis 2017 wurde der von Axel Milberg verkörperte Ermittler bei seiner Arbeit durch Sarah Brandt unterstützt – verkörpert durch «Gegen die Wand»-Mimin Sibel Kekilli. Im Laufe der «Tatort»-Ausgaben aus Kiel stieg Brandt von der Polizeianwärterin zur Kommissarin auf – und in der Folge «Borowski und das Fest des Nordens» letztlich aus. Anfang 2018 ermittelte Borowski dann in seinem 31. Fall – jedoch ohne neue Partnerin. Die wird erst jetzt eingeführt, in «Borowski und das Haus der Geister».

Gespielt wird die neue Ermittlerin von Almila Bagriacik. Ihre Figur der Mila Sahin ist flink und eine frisch nach Kiel gezogene Ex-Berlinerin. Wo unzählige andere Krimis Reibungspunkte kreieren würden, kehren Drehbuchautor Marco Wiersch und Regisseur Elmar Fischer dieses Konfliktpotential unter den Teppich. Sahin mag mehr auf Zack sein als der gemütliche Borowski, doch weder daraus, noch aus dem Clash zwischen Berliner Art und Kieler Gemüt oder aus der Altersdifferenz zwischen den Figuren schöpft «Tatort: Borowski und das Haus der Geister» Zank. Bagriacik legt Sahin unauffällig, ihrem neuen Einsatzgebiet gegenüber respektvoll und dennoch mit einer guten Prise Eigensinn an. Die Dynamik zwischen Sahin und Borowski stärker in den Mittelpunkt zu drängen und weiter auszuformen, wäre in diesem Neunzigminüter eh ein Fehler, denn er lebt zu so weiten Teilen von seiner geisterhaften Stimmung, dass konventionelles Ermittlergekabbel nur deplatziert wäre.



Losgetreten wird die Erzählung von Borowskis Patenkind Grete (Emma Mathilde Floßmann), die ihm ganz altmodisch einen Brief schickt. Dieser lässt den Kommissar an vergangene Zeiten zurückdenken, als Heike Voigt spurlos verschwand, die Frau des befreundeten Richters Frank Voigt (Thomas Loibl). Gegen Frank steht wiederum der Vorwurf im Raum, er hätte Borowskis Ex-Frau Gabrielle (Heike Trinker) in eine Affäre verwickelt. Borowski schenkt dem nicht so wirklich glauben, geht der Spur aber dennoch nach, während er den Fall von Heikes Verschwinden neu aufrollt. Und eine andere Frage drängt sich auf, denn Franks neue Frau Anna (Karoline Schuch), glaubt dass ein Geist in ihrem Haus umhergeht. Handelt es sich dabei etwa um die verschwundene Heike? Und wenn ja: Taucht sie tatsächlich in Geisterform auf oder haben Borowski und Anna es mit ganz anderen Dingen zu tun?

«Tatort»-Fans, die genau über Kontinuitätsfragen Buch führen, werden durch die Plotelemente um Borowskis Ex-Frau vielleicht das eine oder andere Mal mit der Stirn runzeln, da das alles nicht so wirklich stimmig mit der Reihenvergangenheit anmutet. Und Anhänger der subtilen Filmreferenz werden womöglich die Hände über den Kopf schlagen, wenn nach all den filigranen Verweisen auf den einflussreichen Thriller «Gaslicht» Borowski seinem Vorgesetzten entgegen poltert, dass er ihn an seinen Fall erinnert. Zack, wird aus einer unheilvoll im Raum schwebenden Referenz, deren Verständnis für das Begreifen des Plots nicht notwendig ist, dann eben ein dem Publikum grob vermittelter Filmtipp.

Aber diese Schönheitsfehler sind schnell verziehen, da Wiersch es in diesem Film weitestgehend versteht, eine langsam schneidende, subtil-unheilvolle Spannungskurve zu kreieren. Und dank Elmar Fischers Regieführung fühlt sich auch die Umsetzung dieser Geschichte für weite Strecken wie aus der Zeit gefallen an – im positiven Sinne. Nach dem stylischen, leicht reißerischen Prolog, der mit bebender Musik und markanten Schnitten wie aus einem modernen Horrorfilm entliehen scheint, schaltet Fischer einige Gänge runter. Mit längeren Sequenzen, weitwinkligen Aufnahmen und einer immer wieder mal durch die Szenerie geisternden Kamera (geführt von Philipp Sichler) unterstreicht Fischer die Grundstimmung, die schon durch den Hauptschauplatz, einem alten, etwas staubigen Herrenhaus im leicht welken Grünen, etabliert wird.

Die Bilddramaturgie erinnert sogleich mehrmals an Alfred Hitchcocks dunkeldramatische «Rebecca»-Verfilmung sowie an die Ästhetik solcher Robert-Aldrich-Psychothriller wie «Was geschah wirklich mit Baby Jane?», der zwecks Spannungsaufbau, wie auch dieser Neunzigminüter, gelegentliche Horroranleihen tätigt. Selbst ein sehr leiser Hauch von Stanley Kubricks «Lolita» weht – rein visuell – durch eine der Dialogszenen. Die Querverweise verkommen jedoch nie zum Selbstzweck und reißen, anders als die verbalisierte «Gaslicht»-Referenz, auch nicht aus dem Geschehen heraus. Stattdessen ahmt Fischer den inszenatorischen Stil des tragisch angehauchten Spannungskinos der 1940er- bis 1960er-Jahre nach, um diesem Krimi zusätzlich Stil und Klasse zu verleihen. Die etwas konkreteren visuellen Rückgriffe lassen sich als Quellenangabe in den Fußnoten verstehen.

Wie auch in einigen der direkten und indirekten Vorbilder dieser «Tatort»-Ausgabe, sind es hier die Frauen, die schauspielerisch besonders auftrumpfen dürfen. Karoline Schuch schafft den schweren Akt, in einer modernen, diesseitig verwurzelten Story eine sich vor Geistern ängstigende Frau zu spielen, die nicht auf den Kopf gefallen scheint. Mercedes Müller und Emma Mathilde Floßmann ergeben dagegen ein ungleiches Schwesternpaar, das sich nicht in Klischees verrennt, sondern beiden Figuren eigene Nuancen und kleine, fesselnde Widersprüche gönnt. Und Almila Bagriacik kündigt sich in ihren paar Szenen als interessante neue Ko-Ermittlerin an, die es versteht, Nervensägen die Leviten zu lesen und trotzdem eine sympathische Grundruhe auszustrahlen. Ihr improvisierter Tanz mit Borowski zu einer Warteschlangenmusik ist, so sehr er aus der Folge hervorsticht, bereits eine klare Ansage. Der erste lockere Kieler «Tatort» mit Bagriacik darf gerne rasch kommen!

«Tatort: Borowski und das Haus der Geister» ist am 2. September 2018 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
02.09.2018 09:53 Uhr 1
Ich vermisse Sibel Kekilli schmerzlichst!
Kalinkax
02.09.2018 12:23 Uhr 2
ich nicht! Almila ist die wesentlich bessere Schauspielerin

sie kann kraftvoll und stark spielen aber auch sensibel und einfühlsam, das ganze Repertoire was ich bei Sibel vermisse
fritz.peter
02.09.2018 18:53 Uhr 3
Schauspielerisch kann sich eine Sibel Kekilli, bei aller Symphatie, nicht mit einer Almila Bagriacik messen, da liegen Welten dazwischen.

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