Interview

Jürgen Vogel: 'Vielleicht läuft mein Geschmack einfach konträr zum Geschmack der breiten Masse'

von   |  6 Kommentare

Für seine neue ZDF-Krimiserie «The Team» hat Jürgen Vogel gemeinsam mit seinen internationalen Kollegen am Skript gefeilt. Mehr dazu und über seine Frustration mit Kino-Deutschland verrät er im Quotenmeter.de-Interview.

Zur Person

  • Geburt: 29.04.1968
  • Geburtsort: Hamburg
  • Geburtsname: Jürgen Peter Vogel
  • Größe: 1, 68 Meter
  • gründete die "Schwarzweiss Filmproduktion" mit Matthias Glasner
  • Filme: «Hexe Lilli rettet Weihnachten» (2017), «Schoßgebete» (2014), «Stereo» (2014), «Die Welle» (2008); «Der freie Wille» (2006); «Das Leben ist eine Baustelle» (1997), und viele mehr
«The Team» wird mehrsprachig gedreht, dänische Figuren reden untereinander dänisch, wenn sie aber mit Ihrer Figur sprechen, verständigen sie sich auf Englisch. Und so weiter … Wie empfanden Sie es, eine Serie auf "Babylonisch" zu drehen?
Ich fand das eine sehr bereichernde Erfahrung. Dadurch lief es am Set, beim Dreh, so ab, wie es für uns privat war. Man muss erst einmal alle Leute kennenlernen, die Sprachgrenzen erforschen, seine eigenen Englischkenntnisse wieder aufwärmen … Unsere beiden Regisseure Kasper Gaardsøe und Jannik Johansen sind ja auch Dänen, und untereinander haben sie sich in ihrer Heimatsprache unterhalten, genauso wie mit meiner Kollegin Marie Bach Hansen, während sie mit Lynn Van Royen und mir auf Englisch gesprochen haben. Ich befand mich also in derselben Situation wie meine Figur Gregor. Das sorgt natürlich für eine größere Authentizität, weil die realen Erfahrungen und das Drehbuchmaterial quasi verschwommen sind. Das hättest du nicht, würdest du entweder nur mit Deutschen so eine internationale Handlung drehen oder alternativ mit einem internationalen Cast arbeiten, aber nur auf Englisch drehen. Das hat einfach großen Spaß gemacht, gerade, weil es zugleich eine Herausforderung war. Ich habe in der Serie, geschätzt, nur 30 Prozent deutschen Text, der Rest ist auf Englisch.

Wir haben, nachdem wir die Drehbücher erhalten haben, noch viel geändert, wir haben die Dialoge sozusagen mundtauglich gemacht und an unsere Figuren angepasst. Wir haben oft noch bis spät in den Abend hinein gemeinschaftlich am Text gefeilt. Denn so, wie es im Drehbuch stand, fanden wir die englischen Dialoge unglaubwürdig.
Jürgen Vogel über «The Team II»
Ich kann mir denken, dass Teil der Herausforderung ist, seinen Text in anderer Sprache zu lernen. Gab es weitere Dimensionen, die zur Herausforderung beigetragen haben?
Die Textarbeit. Wir haben, nachdem wir die Drehbücher erhalten haben, noch viel geändert, wir haben die Dialoge sozusagen mundtauglich gemacht und an unsere Figuren angepasst. Wir haben oft noch bis spät in den Abend hinein gemeinschaftlich am Text gefeilt. Denn so, wie es im Drehbuch stand, fanden wir die englischen Dialoge unglaubwürdig. Meine Figur etwa kommt von der Straße – die englischen Textzeilen klangen aber so, als kämen die von einem englischen Graf. Zudem hatten wir einen Englischcoach am Set, doch der hat uns zu viel abverlangt, der brachte uns eine Aussprache bei, als wären wir Businessmanager aus der Mitte Londons. (lacht)

Also haben wir uns im Team zusammengesetzt und die Dialoge vereinfacht, so dass sie zwar korrekt sind, aber glaubwürdig für unsere Rollen. Sowohl, was die Wortwahl angeht als auch die Aussprache. Das war eine wundervolle Erfahrung, wir Schauspieler haben so zusammengearbeitet wie unsere Figuren, und unter anderem auch daran gefeilt, wie sie nach und nach sicherer im englischen Miteinander werden. Das war großes Teamwork.

Zusätzlich zum multilingualen Aspekt kommt bei «The Team II» hinzu, dass diese Staffel sehr viele Schauplätze hat – und genauso viele Drehorte. Überwog da bei Ihnen die Freude, um die Welt reisen zu können, oder war es vielleicht doch eher ein Stressfaktor?
Das war auf jeden Fall eine Umgewöhnung, weil es einfach nicht alltäglich ist, für ein Projekt nach Marokko, Belgien, Dänemark, Österreich und Hamburg zu reisen. Das war teilweise sehr desorientierend und erschöpfend – aber umso besser! Das hat es uns erleichtert, uns da hineinzufühlen, wie es den Ermittlern ergeht, die diesen weltumspannenden Fall knacken müssen. Andere erzählen von der großen Welt und wichtigen Schlachten, drehen aber in der Garage vor dem Greenscreen – man denke nur an «300». Wir dagegen waren wirklich überall da, wo die Serie spielt, und konnten daher viel lebendiger erzählen.

Ob international agierende Ermittler, alteingesessene Einwohner oder Refuguees, die ihre eigene Geschichte haben, die sie dazu bewegt haben, alles hinter sich zu lassen und zu uns zu flüchten: Wir sind enger miteinander verbunden, als es einem im Alltag vielleicht auffällt.
Jürgen Vogel
Ähnlich groß wie die Bandbreite der Schauplätze ist zudem der thematische Bogen der Staffel: Es geht vom Kunsthandel und Kunstraub hin zum rechten Terrorismus. Wie wichtig war Ihnen die politische Dimension der Serie?
Die Themenspanne war es, die mich davon überzeugt hat, die Rolle anzunehmen. Ich fand den Stoff gerade daher so interessant, weil er so umfangreich ist. Und ich war neugierig, wie das umgesetzt wird. Ich wollte Teil davon sein, wie das erzählt wird – vom Kunsthandel zur Finanzierung von Terrorismus, das ist eine packende Erzählung. Es zeigt eine Perversion der Gesellschaft – und das ist auf traurige Weise spannend, weil es so wirklichkeitsnah ist. Ich mein: Wir finanzieren unsere größten Horror, wir provozieren unseren eigenen Untergang – das ist eine Erkenntnis, der wir uns stellen müssen. Hinzu kommt die Dimension, dass in «The Team» Figuren aus mehreren Ländern in der Sache ermitteln und ihre eigenen Probleme mitbringen. Die Serie zeigt auch, wie wir alle betroffen sind, wie nah uns das kommt. Ob international agierende Ermittler, alteingesessene Einwohner oder Refugees, die ihre eigene Geschichte haben, die sie dazu bewegt haben, alles hinter sich zu lassen und zu uns zu flüchten: Wir sind enger miteinander verbunden, als es einem im Alltag vielleicht auffällt.

Das sind Dinge, die nicht nur mich, sondern uns alle an dem Stoff gepackt haben. Das hat uns im Cast verbunden. Und dadurch, dass wir acht Stunden Zeit haben, das zu erzählen, ist das auch alles sehr fundiert und durchdacht. Darum hoffe ich auch, dass das möglichst viele in der Mediathek im mehrsprachigen Original gucken! Das ist einfach viel geiler!

Sie sind großer Fan von skandinavischen Krimis ...
Ohja! Die sind großartig.

… aber wie schätzen Sie den Krimistandort Deutschland ein?
Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Nicht nur Fernsehkrimis entwickeln sich, die deutschen Serien generell sind auf dem Vormarsch, ob im klassischen TV oder bei Netflix und Amazon. Wir sind gerade in den Startlöchern und in den nächsten zehn Jahren wird sich mit Sicherheit viel bewegen.

Das ist so schade, wenn ein Film, in den so viel Herzblut gesteckt wird, vollkommen untergeht.
Jürgen Vogel
Und Ihre Meinung zum Kinostandort Deutschland?
Ja, was soll ich sagen … Komödien funktionieren. Und Kinder- sowie Familienfilme, die kommen gut an. Alles andere ist tot, fürchte ich. Oder sagen wir besser: Alles andere hat es schwer. Nicht künstlerisch, aber wirtschaftlich. Ich hatte Kinostarts, da fällst du vom Glauben ab – «Der Mann aus dem Eis» etwa. Das ist so schade, wenn ein Film, in den so viel Herzblut gesteckt wird, vollkommen untergeht. Und mir kann man nicht sagen, der war 'zu Arthouse'. Das war ein Abenteuerfilm. Aber, meinetwegen, nehmen wir ein zugänglicheres Beispiel: «Stereo». Die Liste geht weiter …

Fast alle Filme, die ich für's Kino gemacht habe, und für die ich Feuer und Flamme bin, die ich zu meinen Lieblingen unter meinen Arbeiten zähle, haben auf der Leinwand ihr Publikum nicht gefunden. Das muss man ganz klar sagen. Vielleicht läuft mein Geschmack einfach konträr zum Geschmack der breiten Masse. Daher muss ich mich wohl eine Zeit lang davon verabschieden. Das ist frustrierend. Du arbeitest an einem Film, der dich begeistert, und dann hat der 30.000 Zuschauer. Das ist nicht cool.

Wobei ich das Gefühl habe: Die Filmemacher geben derzeit wenigstens nicht auf. Das war meinem Ermessen nach mal anders. Die Schlagzahl an deutschen Kinothrillern wächst jetzt aber. Allein dieses Jahr hatten wir zum Beispiel «Steig.Nicht.Aus!», «Asphaltgorillas», «Abgeschnitten», «Spielmacher»
Das stimmt, aber: «Spielmacher» waren die Jungs von «Stereo». Mit denen verstehe ich mich ja sehr gut – und daher bekomme ich mit, wie die sich verausgaben. Ja, die machen einfach weiter, aber ich frage mich: Wie lange noch? Wie lange wollen die das aushalten? Das sind Produzenten mit Herzblut, die geben alles für ihre Filme, sie investieren ihre privaten Mittel … Und dann kommt nichts rein! Wie lange können die das durchziehen? Vor allem: Es ist egal, wie viele den Film später entdecken. Hier in Deutschland verdienst du als Produzent nur, solange dein Film im Kino ein Megaerfolg wird. Sonst siehst du keinen Cent wieder. Das ist hart. Wir zerschleißen da Leute, die die Masse übersieht, die aber für ihr Material leben und richtig was drauf haben. Von cineastisch bewanderten Freunden werde ich viel mehr auf solche Stoffe angesprochen. Die meinen immer: "Das war ja geil." Ja, toll, haben die Produzenten nur leider nichts von, weil zu wenige Leute ins Kino gegangen sind. Das nimmt kreativen Saft aus der Filmlandschaft. Denn die Produzenten, die guten Geschmack haben, und nicht ausschließlich Romantic Comedys machen, überleben nicht. Oder sie müssen irgendwann Kompromisse schließen.

Die RomComs haben mehr Geld für richtige Werbung und kommen auch einfacher an Fernseh-Promoauftritte. Da braucht es mal wen, der einen Thriller nimmt und so groß und so gut bewirbt wie eine RomCom. Das muss man einmal richtig durchziehen, vielleicht zwei Mal. Und dann platzt vielleicht der Knoten.
Jürgen Vogel über Probleme am deutschen Kinomarkt
Wie ließe sich was an dieser Situation ändern?
Vermarktung. Es liegt an der Vermarktung. Die RomComs haben mehr Geld für richtige Werbung und kommen auch einfacher an Fernseh-Promoauftritte. Da braucht es mal wen, der einen Thriller nimmt und so groß und so gut bewirbt wie eine RomCom. Das muss man einmal richtig durchziehen, vielleicht zwei Mal. Und dann platzt vielleicht der Knoten. Das habe ich ja schon mit «Stereo» mitbekommen: Wie viele Leute da vor dem Start auf mich zugekommen sind und meinten: "Hey, hoffentlich werdet ihr ein Hit. Dann kriege ich auch meinen Film gefördert!" Hach. Schön wär's gewesen.

Kleiner Themenbruch: Seit ihrem letzten verwirklichten Drehbuch ist mittlerweile ja wieder etwas Zeit vergangen. Reizt es Sie, wieder als Drehbuchautor aktiv zu werden oder vielleicht sogar als Regisseur?
Ob ich mich je auf eine Regiearbeit einlassen werde, weiß ich nicht, aber es wird definitiv wieder ein Drehbuch von mir geben. Ich entwickle in der Richtung gerade was, und zwar mit der Constantin und Oliver Berben. Es wird eine Dramaserie und mehr darf ich nicht sagen. Aber es wird etwas, das es so in Deutschland noch nicht gegeben hat.

Wir sind gespannt – und bedanken uns für das Gespräch.

«The Team II» ist ab dem 19. Oktober in der ZDF-Mediathek abrufbar und wird ab dem 21. Oktober 2018 immer sonntags im ZDF gezeigt. Die erste Ausgabe läuft um 22 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/104546
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Es gibt 6 Kommentare zum Artikel
Kalinkax
19.10.2018 16:50 Uhr 1
und gerade die Synchronisation finde ich lustlos und unprofessionell. Sie wirkt einfach unecht in dem ansonsten spannenden Krimi :roll:
Nr27
19.10.2018 19:14 Uhr 2
Sehr interessantes, aufschlußreiches Interview - da merkt man, mit wie viel Leidenschaft Vogel für seinen Beruf/seine Kunst lebt. Schön!
Sentinel2003
19.10.2018 20:53 Uhr 3
Wie merkt man denn bitte, daß eine Synchro unprofessional ist?? Die Synchros wirken also auch noch dazu unecht?? Jetzt falle ich vom Glauben ab.....
Kalinkax
19.10.2018 22:04 Uhr 4
am besten mal hinhören
Sentinel2003
21.10.2018 09:25 Uhr 5
Ich höre hin!!! Ich bin seit Ewigkeiten großer Fan der deutschen Synchro, deswegen kann ich diese gnadenlose Kritik null nachvollziehen!
Kalinkax
21.10.2018 11:11 Uhr 6
aha, deswegen null kritikfähig
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