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Das Marvel Cinematic Universe beginnt mit einem wenig denkwürdigen, aber sehr gefälligen Score. Selbst kurz nach einem «Iron Man»-Rewatch habe ich keine von Ramin Djawadis Musikstücken für Tony Stark und sein Helden-Alter-Ego im Ohr, doch beim gezielten Anhören fallen heftige, dennoch schwungvolle Gitarrenklänge sowie eine selbstbewusste, schwere Percussion auf. Der Score hat zwar auch einige lahme Füllstellen, aber wann immer Djawadi aufdreht, macht diese Klangtapete Laune. 2,5/5 ARK-Reaktoren
«Der unglaubliche Hulk» (2008, Komponist: Craig Armstrong)
Einer der ambitionierteren Scores im Marvel Cinematic Universe, insbesondere für seine Frühphase: Harmonische, melancholische Streicher agieren hier im Zusammenspiel mit einer sanften, aber drängenden Percussion. Komponist Craig Armstrong errzeugt ein Gefühl von Einsamkeit, vermittelt zugleich aber auch eine sich stets aufbauende Wut. Banner und Hulk bekommen eigene Leitmotive, die fesselnd klingen, wenn sie miteinander darum ringen, welches Stück lauter gespielt wird, und auch Tim Roths Schurkenfigur wird militärisch-aggressiv untermalt. Armstrong machte sich große Gedanken über die Figuren und die Thematik des Films, jedoch gehen die Nuancen seines Scores im Film-Tonmix oftmals unter, das klare Statement hinter dem Score wird wesentlich deutlicher, wenn man sich ihn getrennt anhört. Dafür gibt es Punktabzug. 3,5/5 Gammastrahlen
«Iron Man 2» (2010, Komponist: John Debney)
Der schwächste, unfokussierteste und charakterloseste Film des Marvel Cinematic Universe bekommt auch den miesesten Score verpasst – das ist wenigstens stimmig: Debney beweist zwar große Wandlungsfähigkeit, allerdings klingt alles nach Abklatsch-Fließbandware, egal ob es die schweren russischen Choräle, die bondesken Retro-Blechbläser oder die geschrammelt abgemischte Orchestermusik in einigen Iron-Man-zentrischen Actionszenen ist. Es wirkt fast so, als sei «Iron Man 2» mittels eines großen Archivs an lizenzfreier Musik untermalt worden. Pappig und angestrengt. 0,5 von 5 engen weißen Blusen
«Thor» (2011, Komponist: Patrick Doyle)
Die zwölfminütige Suite auf dem Soundtrack komprimiert die melodischsten Passagen dieses Scores und lässt ihn schön arrangiert und aussagekräftig dastehen, selbst wenn auch diese Suite bei mir keine Assoziationen mit dem Donnergott und seinem Abenteuer weckt. Der komplette Score offenbart derweil, dass die «Thor»-Instrumentalmusik viel generische Akustik enthält, die solide orchestriert ist, aber kein Stück im Ohr haften bleibt. 1 von 5 Hämmern
«Captain America: The First Avenger» (2011, Komponist: Alan Silvestri)
Ein immens charmanter Retroscore mit pulpigem Abenteuerflair und zudem der erste Score im Marvel Cinematic Universe, der ein eingängiges Erkennungsmotiv für einen der Marvel-Helden etabliert, das in den nachfolgenden Filmen auch prägnant wiederverwendet wird. Alan Silvestris «Captain America»-Musik ist symphonisch, voller temporeicher Phasen und mit augenzwinkernd alberner Verarbeitung militärischer Elemente, wird aber grundehrlich, wann immer Steve Rogers' Idealismus unterstrichen wird. Dieser Score versteht und stärkt seinen Film und dessen Protagonisten. 4 von 5 Schilden
«Marvel's The Avengers» (2012, Komponist: Alan Silvestri)
Wie viele frühe MCU-Filme hat auch der erste «Avengers»-Part ein paar Klangstrecken, in denen einfach nur eine uncharakteristische Musikatmosphäre erzeugt wird. Doch Alan Silvestri erschafft in Joss Whedons großen Comic-Achterbahnritt auch mehrere markante Passagen. Sei es die dynamisch treibende Hintergrundmusik der ikonischen One-Shot-Fahrt, während die Avengers energisch New York verteidigen, die ominös beginnende, sich ins Triumphale hineinsteigernde Musik während des Nachklapps zum großen Kampf um das Schicksal der Erde oder nun einmal das unvergessliche Avengers-Thema. 3,5 von 5 Gehirnwäschen
«Iron Man 3» (2013, Komponist: Brian Tyler)
Bei seinem dritten Soloauftritt erhält Iron Man endlich ein ausdrucksstarkes Musikmotiv, das auch hängen bleibt, statt direkt nach dem Film wieder in Vergessenheit zu geraten: Brian Tylers von Blechbläsern und schwerer Percussion getriebenes, aber sich schwefällig aufwärts arbeitendes Thema verwendet eine starke Melodie, die dem metallenen Helden und seiner Phoenix-aus-der-Asche-Narrative gerecht wird und vor allem so prägnant genutzt wird, dass sie erfolgreich eine Assoziation mit der Figur aufbaut. Schade, dass sie in späteren Filmen so selten wiederverwendet wird – was musikthematische Kontinuität angeht, hat das Marvel Cinematic Universe im Vergleich zu vielen anderen Franchises Nachholbefarf. Dafür punktet «Iron Man 3» noch mit einer einfallsreichen Orchestrierung (bei einigen Tracks werden clever Glöckchen als Stirb langsam-Referenz eingesetzt, während verzerrte Funk-Gitarren erklingen, wann immer Tony Stark seinen Groove wiederfindet) und mit einer äußerst coolen Abspannmucke. Hier wird der Iron-Man-Sound geboren, den es von Anfang an hätte geben sollen. 4 von 5 'Besser spät als nie'
«Thor: The Dark Kingdom» (2013, Komponist: Brian Tyler)
Brian Tyler hat sich schonmal ein paar Pluspunkte dafür verdient, dass er sich hier bemüht, Patrick Doyles Leitthema aus dem ersten Thor-Film weiterzuentwickeln und eine tragende, markantere Komposition aus ihm zu machen. Schade ist nur, dass dieses Thema von ihm im weiteren Verlauf des Scores ohne größere Variation heruntergespult wird, obwohl der Film in seinem Tonfall und seinen Schauplätzen doch abwechslungsreich genug ist, um zahlreiche Spielweisen dieses Stücks zu rechtfertigen. Von einem sanften Trauerstück abgesehen ist die Musik zum zweiten Thor-Film schlussendlich kaum mehr als passable Fantasyfilmuntermalung mit ein paar guten Arrangements. 1,5 von 5 Täuschungen
«The Return of the First Avenger» (2014, Komponist: Henry Jackman)
Der erste durch und durch herausragende Marvel-Cinematic-Universe-Score: Für den temporeichen Action-Politthriller der Russo-Brüder hat Komponist Henry Jackman, entgegen der damaligen Marvel-Gewohnheiten, eine Klangkulisse erschaffen, die sich vollstens auffälliger stilistischer Entscheidungen verschreibt – von einer kleinen Handvoll an charmant-altmodisch-idealstischen Rückgriffen auf Alan Silvestris «Captain America»-Motive abgesehen. Dieser Score ist wild, ruhelos und kraftvoll, mit eiskalten elektronischen Rhythmen und markerschütternd-schreiendem, metallisch-wuchtigem Gehämmer. Ein Filmscore für die Ewigkeit, der mit jedem Anhören immer besser wird. 5 von 5 Metallarmen
«Guardians of the Galaxy» (2014, Komponist: Tyler Bates)
Neben den kongenial eingesetzten Nostalgiesongs vom Awesome Mix Vol.1 war wohl kein Platz mehr für die Entwicklung einer einprägsamen, charakterstarken Instrumentalmusik: Tyler Bates baut zwar ein «Guardians of the Galaxy»-Klangmotiv auf, doch es ist arg generisch für diese eklektische Heldentruppe und kommt so schwach zur Geltung, dass es das Sequel brauchte, um es so wirklich im Gehörgang zu verankern. Der Score ist funktionabel, jedoch kein Stück bemerkenswert. 1 von 5 Musikkassetten
«Avengers: Age of Ultron» (2015, Komponisten: Brian Tyler und Danny Elfman)
Ein überwältigendes, musikalisches Tohuwabohu untermalt Joss Whedons finale Regiearbeit im Marvel Cinematic Universe: Das wilde, leicht fiebrige und sich vor unseren Augen abrackernde «Avengers»-Sequel versucht, vergangene musikalische Themen aus dem MCU zu referenzieren (und muss diesbezüglich damit leben, dass nur vereinzelte Teile dieser alten Stücke Wiedererkennungswert haben), das «Avengers»-Thema dissonant abzuwandeln, neue, düster-wahnhafte Klangwelten zu erschaffen und partiell auch noch «Pinocchio»- und Ballett-Anleihen einzuarbeiten. Ambitioniert, keine Frage. Aber es findet nur phasenweise zusammen, während andere Strecken dieses Scores primär atmosphärisch-effektive Begleitmusik sind, ohne thematische Wirkkraft. Das Leitmotiv für Ultron, die Titel- und Abspannmusik heben dieses Chaos aber empor. 3 von 5 Marionetten
«Ant-Man» (2015, Komponist: Christophe Beck)
Ich muss zu meiner Schande gestehen: Dies ist ein Score, dem ich beim ersten Mal Unrecht getan habe. Teilweise. Was ich als Wischiwaschi-Score auf Sitcom-Niveau abgetan habe, entwickelt durchaus eine Handvoll musikalischer Themen, die verspielt den Stil symphonischer Superheldenmelodien des Pre-MCU-Zeitalters mit einer verschmitzten Leichtfüßigkeit verquicken. Allerdings kommen diese herrlichen Passagen nur sporadisch zum Vorschein – die Fortsetzung sollte sie Jahre später weiterentwickeln und im Rückblick ihre ersten Versatzstücke in diesem Film stärker ins Rampenlicht rücken. 2,5 von 5 Versöhnungsversuchen
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