Interview

Jason Statham: 'Körpersprache ist mir extrem wichtig'

von   |  4 Kommentare

Mit «Hobbs & Shaw» läuft am 1. August das erste Spin-Off der «Fast & Furious»-Actionsaga an. Hauptdarsteller Jason Statham sprach mit Quotenmeter.de über Kampfchoreografien, das Älterwerden, eine geschnittene Szene und die Chancen auf einen neuen «Crank»-Teil.

Zur Person: Jason Statham

  • Geboren am 26. Juli 1967 im englischen Shirebrook
  • War vor seiner Schauspielkarriere professioneller Wasserspringer
  • Sein Filmdebüt hatte er in Guy Ritchies Krimikömdie «Bube, Dame, König, grAS»
  • Spielte die Titelrolle in den ersten drei «Transporter»-Filmen
  • Übernahm die Hauptrolle in den herben Actionkomödien «Crank» und «Crank: High Voltage»
  • Ist Teil der «The Expendables»-Crew
  • Ist seit «Fast & Furious 6» Teil des «Fast & Furious»-Universums
Das ist nun der vierte Film, in dem Sie Deckard Shaw spielen – und nachdem wir bereits Shaws Bruder und Mutter kennengelernt haben, sehen wir in «Hobbs & Shaw» erstmals seine Schwester, gespielt von Vanessa Kirby. Waren Sie in den Castingprozess involviert, haben beispielsweise Probeaufnahmen gedreht?
Nein, ich habe mich nicht persönlich am Casting beteiligt. Ich finde, man muss dem Regisseur und dem Studio auch Vertrauen schenken. Diese Leute wissen genau, wonach sie suchen, und haben große Ahnung von dem, was sie tun. Ich denke, ich würde das Casting nur verkomplizieren, wenn ich mich da einmische.

Sie sind als Schurke ins «Fast & Furious»-Universum eingestiegen, haben sich aber zum Helden entwickelt. War das von Anfang an so geplant?
Nein, nicht so weit ich weiß. Wobei ich sagen würde, dass Shaw nie der Schurke war. Anfangs haben wir uns nur nicht genug auf ihn fokussiert, weshalb er einfach missverstanden ist. Ja, er hält sich nicht unbedingt ans Gesetz, was ihn im realen Leben wohl zum Schurken machen würde … (lacht) Aber er ist kein selbstsüchtiger Krimineller, der einen großen Masterplan verfolgt und Unschuldigen schaden möchte. Er ist einfach nur sehr zielgerichtet und kompromisslos, wenn es darum geht, diejenigen zu beschützen oder zu rächen, die er liebt. Wenn wir ihn kennenlernen, liegt sein Bruder im Militärkrankenhaus und er will, dass die Verantwortlichen dafür bezahlen. Shaws Moralität ist also schon irgendwo in Ordnung … er ist nicht böse.

Und je mehr wir über ihn erfahren, umso mehr lernen wir, ihn zu mögen. Und alle dürfen selber entscheiden, ob sie ihn nun gut oder gemein finden. Er ist menschlich und kein kalter Roboter. Er hat eine sanfte Seite. Und er wird, genauso wie Hobbs, sofort zum Kind, wenn er seiner Mutter gegenübersteht. Ich finde, das ist nachvollziehbar: Zuhause hat Mama das Sagen. (lacht) Oder Papa – wobei: Nein, im Regelfall ist es Mama. Denn Mama ist Papas Chef. Jedenfalls kenne ich es nicht anders (lacht) Shaw ist kein steinharter Kerl. Er hat Gefühle, und in diesem Film bekommen wir eine emotionale Fallhöhe zu sehen, was mich freut. Shaw will seiner Schwester unter die Arme greifen, was sehr ritterlich und respektvoll von ihm ist.

Ich mache Dinge vor der Kamera, die nur wenige Schauspieler machen. Ich habe physikalische Fähigkeiten, aus meiner Kindheit und meiner Sportlerzeit, die ich beibehalten habe – und die es mir daher möglich machen, sehr physische Szenen zu drehen. Aber sie sind insofern keine Stunts, als dass sie kein unkalkulierbares Risiko beinhalten.
Jason Statham
Was hat sich für Sie beruflich verändert, seit Sie Vater sind? Machen Sie seither vielleicht weniger Stunts?
Vatersein verändert einen radikal, man wird sanfter und emotionaler. Man ist so viel enger in die Probleme Anderer involviert. Und vor allem: Man denkt mehr über Verantwortung nach. Nicht, dass ich früher unverantwortlich war. Ich habe mich nie leichtsinnig in Risikosituationen begeben, ich habe nie mein Leben aufs Spiel gesetzt. Selbstredend kann immer mal was schiefgehen, aber, wenn man es ganz genau nimmt, habe ich nie Stunts gemacht. Also, ich mach schon Stunts, aber es sind nicht wirklich Stunts. (lacht)

Ich mache Dinge vor der Kamera, die nur wenige Schauspieler machen. Ich habe physikalische Fähigkeiten, aus meiner Kindheit und meiner Sportlerzeit, die ich beibehalten habe – und die es mir daher möglich machen, sehr physische Szenen zu drehen. Aber sie sind insofern keine Stunts, als dass sie kein unkalkulierbares Risiko beinhalten. Das sind die echten Stunts, Dinge, die wirklich gefährlich sind, wie komplexe Autounfälle oder der Umgang mit besonderer Pyrotechnik. Das sind Aufgaben für Stuntleute, die sich darauf spezialisieren und daher exakt wissen, was zu tun ist – und die das auch wissen müssen, weil es sonst zu gefährlich wäre.

Was ich mache, würde ich als physikalische Leistungen bezeichnen. Wenn meine Figur eine Wand hoch läuft, sich auf dem Boden herum rollt, sich mit Leuten rauft oder Konflikte mit mehreren Widersachern in einem Raum mit Fäusten und Tritten löst, all sowas mache ich selbst. Schon seit meinem ersten Actionfilm. Ich hatte das Gefühl, dass ich das Können dazu habe, ich dachte also: "Wieso dieses Können nicht auf der Leinwand ausnutzen?" Ich liebe das. Das ist eine meiner großen Passionen. Und ich habe mir vorgenommen, stets weiter neue Stile auszuprobieren, meine Martial-Arts-Künste zu verfeinern. Ich strebe ständig danach, besser und cooler darin zu werden, und meinen Kämpfen immer Aufregenderes und etwas Neues abzugewinnen.

Ich habe mir vorgenommen, stets weiter neue Stile auszuprobieren, meine Martial-Arts-Künste zu verfeinern. Ich strebe ständig danach, besser und cooler darin zu werden, und meinen Kämpfen immer Aufregenderes und etwas Neues abzugewinnen.
Jason Statham
Daran hat sich durchs Vaterwerden nichts geändert. Denn es sind, wie schon gesagt, keine Stunts. Das, was ich mache, ist nicht gefährlich. Es ist anstrengend, man muss dafür trainieren und man kann sich verletzen. Aber es sind keine schlimmen Verletzungen, die man sich dabei zuziehen kann. Man holt sich halt mal einen Muskelkater, zerrt sich was oder knackst sich was an. Ich habe mir im Laufe meiner Karriere sehr viele Nackenverletzungen geholt. (lacht) Und es braucht mit zunehmendem Alter immer länger, bis Dinge verheilen. Trotzdem sehe ich mich nicht, diesen Aspekt meines Schauspiels drosseln. Ich muss einfach nur mehr Zeit als früher in die "Instandhaltung" stecken. (lacht) Es ist wie bei einem alten Auto, da reicht es auch nicht, es ab und zu mal mit dem Schlauch abzuspritzen, man muss auch mal die Bremsen checken und all sowas.

Ich arbeite daher sehr konzentriert mit einem Physiotherapeuten zusammen. Ich habe mir zum Beispiel bei «The Mechanic» den Nacken weh getan, und das schleppe ich seither mit mir mit, weil ständig ein neuer Film dazwischenkommt und ich ihm nicht die Ruhe gebe, um komplett zu verheilen. Aber: Dein Körper findet immer einen Weg, mit sowas klar zu kommen. Wenn du dir dein Bein brichst, würdest du ja auch trotzdem irgendwie zur nächsten Wand gelangen. Der Körper ist eine Art Anpassungsmaschine. Und ich versuche ständig, meine bestmögliche Form zu erreichen.

Man lernt sehr viel über eine Figur, wenn man sie in einer Kampfszene sieht. [...] Ich finde, der emotionale Subtext einer Figur drückt sich durch ihre Körperlichkeit aus. Und es gibt kaum einen Szenentypus, bei dem die Körperlichkeit ausgeprägter wäre als in einer Kampfszene. Nicht grundlos sind sehr oft die Actionszenen, die großen Anklang beim Publikum finden, jene, die einen großen emotionalen Kern aufweisen.
Jason Statham
Viele Ihrer Filmfiguren haben eine sehr markante Art, sich zu bewegen, sie haben einen charakteristischen Kampfstil … Wie finden Sie diese Körpersprache für Ihre Figuren? Sind Sie jemand, der sich komplett in die Hände der Stuntchoreografen begibt oder sind Sie stärker in die Entwicklung Ihrer Kampfszenen involviert?
Körpersprache ist mir extrem wichtig. David Leitch, der Regisseur von «Hobbs & Shaw», er ist Ex-Martial-Artist und ein sehr sachkundiger Stuntman – und er sagt immer: Man lernt sehr viel über eine Figur, wenn man sie in einer Kampfszene sieht. Und ich pflichte ihm da voll bei. Ich finde, der emotionale Subtext einer Figur drückt sich durch ihre Körperlichkeit aus. Und es gibt kaum einen Szenentypus, bei dem die Körperlichkeit ausgeprägter wäre als in einer Kampfszene. Nicht grundlos sind sehr oft die Actionszenen, die großen Anklang beim Publikum finden, jene, die einen großen emotionalen Kern aufweisen.

Ein großes Vorbild für mich ist dahingehend Bruce Lee. Ein Schlag von ihm konnte Bände sprechen! Wenn du das dagegen damit vergleichst, dass irgendein alter Mann einem anderen in einer Kneipe einen drauf haut – das ist doch langweilig anzugucken. Es muss bei einer Actionszene etwas dahinterstecken! Daher: Ich finde nicht, dass die Gestaltung des Kampfes allein schon ausreicht – sie bringt noch keinen Ausdruck mit sich. Sie ist bloß die Route, die dir zeigt, auf

Pre Viz

Kurzform von "Previsualization", womit eine vor dem Dreh entstandene Illustration einer geplanten Szene gemeint ist – etwa in gezeichneter oder computeranimierter Form
welchen Pfad du dich begibst, während du die Möglichkeit hast, mit deiner Figur etwas auszudrücken – und diese Möglichkeit sollte man sich als Schauspieler zu eigen machen! Denn oft gehen die Dinge, die diejenigen Leute in eine Kampfszene einbinden, die fürs "Pre Viz" zuständig sind, nicht mit deiner Ausdruckskraft konform. Daher nehme ich es mir raus, den Plan für eine Actionszene für mich zu adaptieren, damit sie dem entspricht, was ich für mich und meine Rolle als authentisch ansehe.

Wie erklären Sie sich den Erfolg der «Fast & Furious»-Filme?
Sie sind ein multikulturelles Ereignis! Und ich denke, dass die Beziehungen innerhalb der "Familie" viel zum Erfolg der Filme beitragen: Sie alle sind völlig anders, und dennoch raufen sie sich immer zusammen, um die Hindernisse zu beseitigen, die sich ihnen in den Weg stellen. Leute können sich mit diesen Figuren identifizieren, denn viele der Figuren in diesen Filmen kommen aus einfachen Verhältnissen – das ist eine seltene Qualität im Kino. Ich glaube, dass die Filme sich daher auch so gut für Fortsetzungen eignen: Eine Geschichte ist nur eine Geschichte. Die Leute kehren aber zurück, um liebgewonnene Figuren wiederzusehen.

Wie kam es dann dazu, dass Ihre und Dwayne Johnsons Figuren einen Ablegerfilm bekommen? Es freut ja viele Filmfans, aber es gibt ja auch ein paar zweifelnde Stimmen ...
Dass wir jetzt einen eigenen Film bestreiten, geschah nicht aus Eitelkeit. Wir wollten niemanden ausschließen oder uns über jemanden hinwegsetzen. Wir dachten einfach nur, dass es Spaß macht, die zwei gegensätzlichsten Figuren zu nehmen und sie in einen unterhaltsamen Film zu zwängen. In

* Anmerkung der Redaktion

Statham spricht zwar von «Fast & Furious 7», doch da er erst einen Teil später deutlich mehr gemeinsame Szenen mit Dwayne Johnson hatte und es bei diesem Film Berichte über eine geschnittene Szene gab, würden wir die Hand dafür ins Feuer legen, dass er sich versprochen hat und «Fast & Furious 8» meint.
«Fast & Furious 7»* haben wir gelernt, dass Dwayne und ich ein lustiges "Gegeneinanderspiel" haben. Wir hatten großen Spaß daran, uns augenzwinkernd fertig zu machen, egal ob die Kamera läuft oder nicht. Daher haben wir sogar eine Post-Abspannszene gedreht: Wir begegnen uns in einer Autowerkstatt, starren uns an, drehen Kreise umeinander und beschimpfen uns. Wir bedrohen uns auf absurde Weise, wie wir den jeweils Anderen verprügeln werden – das war eine sehr, sehr lustige Szene. Leider wurde sie nie öffentlich gezeigt, ich weiß nicht, weshalb.

Vielleicht war es einfach der falsche Film, um sie zu zeigen. Eventuell hat sie sich mit dem Ende gebissen. Aber das ist nur meine Theorie. Es war schade, dass die Szene gestrichen wurde, denn sie hat großen Spaß gemacht. Aber es ist ja dennoch etwas daraus geworden, denn die Szene war es, die das Studio davon überzeugt hat, Hobbs und Shaw einen Film zu geben.

Ich kann kein Interview mit Ihnen führen und mir diese Frage verkneifen: Wie stehen die Chancen, dass wir jemals «Crank 3» bekommen werden?
Die sehen sehr schlecht aus …

Och nööö ...
Ich weiß, ich bin auch sehr enttäuscht. Ich würde es lieben, diesen Film zu machen. Aber nur zusammen mit Neveldine und Taylor, den Regisseuren und Autoren der ersten beiden «Crank»-Teile. Ohne Beide an Bord zu haben, wäre «Crank 3» für mich ein No-Go. Und, tja, ich fürchte … (macht ein enttäuschtes Gesicht)

Der schlechten Neuigkeit am Schluss zum Trotz: Vielen Dank für das Gespräch!
«Fast & Furious präsentiert: Hobbs & Shaw» ist ab dem 1. August 2019 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
27.07.2019 13:58 Uhr 1
Ich bin seit Anfang an Fan der Reihe, brauche aber dieses spin-off null!
Kingsdale
27.07.2019 15:17 Uhr 2
Bin auch Fan der Reihe und dieses Spin-Off wird wohl genauso verrückt wie der letzte Teil der Original-Reihe. Da heisst es: Hirn aus und genießen. Sowas muss auch mal sein und macht einfach Spaß!
Nr27
27.07.2019 17:00 Uhr 3
"Crank 3" wäre mir deutlich lieber als der x-te "Fast & Furious"-Film ...
Anonymous
27.07.2019 20:14 Uhr 4


Hey, ich würde "Crank 3" auch feiern, und ich glaube Statham, dass er auch riesig Bock drauf hätte (sein ehrliches Bedauern beim Antworten kommt schriftlich natürlich nicht so rüber), aber ich respektiere Stathams Loyalität gegenüber Neveldine/Taylor. Und wenn er meint, dass das mit den Beiden leider nichts wird, dann ist es wohl leider so.



Aber, wer weiß. Vielleicht kommt 2032 "Crank: Legacy" oder sowas.



Dessen ungeachtet: Ich habe ja mehrmals in meinen Kolumnen durchschimmern lassen, dass mich die "Fast & Furious"-Reihe bisher nicht so wirklich abgeholt hat. Und dennoch bin ich vorfreudig auf "Hobbs & Shaw". Statham und Johnson sind eine tolle Kombi, Vanessa Kirby ist wie für's Actionkino gemacht und Leitch ist ein sehr fähiger Actionregisseur.
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