Weiterführende Artikel
Ein paar Nostalgikerinnen und Nostalgiker gibt es natürlich immer, die klagen, ein neuer Titel würde ihre Kindheitsfavoriten verletzen. So auch bei «High School Musical: Das Musical: Die Serie». Gemeinhin jedoch war die US-Rezeption positiv – und der Serie gelang, was sich der Disney-Konzern gewiss von ihr versprochen hat: «High School Musical: Das Musical: Die Serie» gewann eine neue Generation an Kindern und Teenies für das «HSM»-Franchise und hat zugleich alte Fans an Disney+ gefesselt. Und es ist auch nicht schwer, sich zu erklären, wie «High School Musical: Das Musical: Die Serie» dieses Kunststückchen gelungen ist: Die Serie verbindet lockerleicht Fanservice mit eigenen Einfällen …
«High School Musical: Das Musical: Die Serie»: Die Prämisse
In dieser Mockumentary über eine fiktionalisierte Version der realen East High School in Salt Lake City, wo die «High School Musical»-Trilogie gedreht wurde, sorgt die neue Theater-Lehrerin Miss Jenn (Kate Reinders) für Furore: Da sie Hintergrundtänzerin im ersten «High School Musical»-Teil war, will sie in ihrem neuen Job einen ungeheuerlichen Fakt korrigieren. Die High School, an der High School Musical gedreht wurde, hat nämlich niemals eine High-School-Musical-Version von «High School Musical» aufgeführt! Das muss sich noch dieses Schuljahr ändern!
Weite Teile der Schülerschaft sind ganz aufgeregt, sind sie doch mit den «High School Musical»-Filmen (oder wenigstens mit Teil eins oder wenigstens mit dem Rummel rund um Teil eins) aufgewachsen. Daher wird sich geradezu um die Rollen gerissen – und selbst Musical-Muffel Ricky (Joshua Bassett) spricht für die männliche Hauptrolle vor, um so seine Ex Nini (Olivia Rodrigo) zurückzugewinnen, die in der weiblichen Hauptrolle gecastet wurde. Ihr Neuer, E.J. (Matt Cornett), wurde dagegen als bester Freund der Hauptfigur besetzt – und als Zweitbesetzung der Hauptrolle. Das sorgt für Drama …
«High School Musical: Das Musical: Die Serie»: Das Referenzenspiel
Für Fans des Originals ist «High School Musical: Das Musical: Die Serie» so etwas wie eine feierliche Zugabe, die sich sukzessive zu etwas Neuem entwickelt. Oder ein Tribute-Album, das nach und nach an Eigenständigkeit gewinnt. Dadurch, dass die Serie nicht in der Filmwelt der «High School Musical»-Filme spielt, sondern in einer Welt wie der unsrigen (nur eine Prise disneyesker), erhält das Autorenteam des Formats zahlreiche Gelegenheiten für liebevolle sowie für neckische Hommagen an die Trilogie. Da prahlt ein Schüler damit, wie oft er den ersten Teil gesehen hat und hängt kleinlaut hinten dran, dass er sich von den Fortsetzungen stets nur ein paar Minuten anschaut. Und ein stolzer Musical-Gegner schmettert leidvoll heraus, dass er sich ja immerhin alle Szenen mit Troy Bolton angetan hat, bevor er zum Vorsprechen für die Rolle gegangen ist – womit die «High School Musical: Das Musical: Die Serie» keck dem Umstand Tribut zollt, wie schwer sich so mancher damit tut, sich die Filme anzuschauen.
Ergänzt wird dies mit zahlreichen in die Dialoge eingewobenen Anspielungen auf die Dialoge und Liedtexte aus dem Original und mit kleinen Referenzen auf Running Gags und Skurrilitäten aus dem Film – die sind jedoch so zügig und beiläufig gehalten, dass «High School Musical»-Novizen nicht aktiv ausgeschlossen werden.
Ja, «High School Musical: Das Musical: Die Serie» erhält einen Nostalgie-Bonus, wenn man die Vorlage schon lange kennt und mag, aber das Format ist keineswegs unverständlich, wenn es als Einstieg in das Franchise dient. Und zumindest der Anfang der Serie würde in diesem Fall sogar etwas frischer wirken. Denn mit einer Rivalität zwischen dem Sportlehrer und der Leiterin der Theater AG, mit schulsozialen Gräben zwischen Musical-Fans und Musical-Hassern sowie mit einer männlichen Hauptfigur, die sich erstmals ernsthaft mit Gesang und Tanz befasst, um einem Mädchen zu gefallen, ist die Realität in der Serie schon verdammt nah an der Realität der «High School Musical»-Filme – ohne dass aus dieser Dopplung sonderlich viele Pointen gezaubert würden.
«High School Musical: Das Musical: Die Serie»: Der Fortschritt
«High School Musical: Das Musical: Die Serie» ist nicht so quirlig-fröhlich und mitreißend wie die Originalfilme. Die Erzählweise ist etwas gediegener und langsamer, außerdem sind die Kostüme nicht so schrill. Der Cast spielt zwar überspitzt, aber nicht derart wie der Cast der «HSM»-Trilogie, und die Schauplätze sind sanfter ausgeleuchtet. Dadurch hat die Serie nicht diese ansteckend-ultrahochkonzentriert-muntere Art, die die Trilogie bei Millionen von Kindern und Junggebliebenen so beliebt (und bei Zynikern, allerlei Eltern und Freunden der zuckerschockfreien Filmkunst so unbeliebt) gemacht hat. Und das ist wohl auch besser so, denn zehn halbstündige Episoden in voller Hibbeligkeit und disneytauglicher Campiness nach Art des «HSM»-Trilogie Regisseurs Kenny Ortega würde wohl zu vielen Disney+-Usern zu schnell zu anstrengend werden.
Was «High School Musical: Das Musical: Die Serie» in Sachen aufgedrehter Munterkeit mangelt, holt das Format allerdings in anderen Belangen nach. Selbst wenn manche der Figurendynamiken zweidimensional und altbekannt sind, so gibt es auch einige (für eine Disney-Familienserie) komplexere und/oder fortschrittlichere Beziehungen. Dass die beiden Hauptfiguren Nini und Ricky ein Ex-Paar sind, das sich aufgrund unterschiedlicher Interessen getrennt hat, obwohl es sonst anderweitig zwischen ihnen geklappt hat, ist wie aus der Lebenswirklichkeit vieler (Nicht-nur-)Teenie-Paare gegriffen. Olivia Rodrigo & Joshua Bassett spielen dieses Gefühl der erloschenen Flamme bei weiterhin vorhandener Sympathie füreinander mit charmant-leichter Attitüde.
Darüber hinaus sind die Eltern in «High School Musical: Das Musical: Die Serie» nicht derartige Abziehbilder wie in den Originalfilmen – die längere Erzählzeit wird genutzt, um von einer Scheidung (kein Novum für Disney, aber ein zuletzt in Disney-Titeln ausgeblendetes Thema) und von einer funktionierenden gleichgeschlechtlichen Ehe zu erzählen. Und auch unter den Teenie-Hauptfiguren funkt es ausführlich und weitestgehend klischeefrei zwischen zwei Jungs, womit «High School Musical: Das Musical: Die Serie» die progressive Leistung vollbringt, die in Disney-Filmen schon lange versprochen, aber nie so wirklich durchgesetzt wird. So setzen die «High School Musical: Das Musical: Die Serie» außerdem endlich das um, was sich schon die Macher der Original-Trilogie vorgenommen haben – doch damals wurden sie vom Konzern noch ausgebremst.
Nimmt man die organische Einbindung von Social Media als Handlungselement hinzu, bildet «High School Musical: Das Musical: Die Serie» trotz einer unbestreitbaren Disneyhaftigkeit tatsächlich zu einem respektablen Grad die Lebenswirklichkeit der Kernzielgruppe ab. Und die nostalgische Fanbase erlebt so einen zeitgemäßen "Remix" des Originals.
- © Disney
«High School Musical: Das Musical: Die Serie»: Das Gimmick: Seine Zukunft
Dass «High School Musical: Das Musical: Die Serie» wie eine Mockumentary erzählt wird, verfolgen die Serienschaffenden mit derselben inneren Logik wie die «High School Musical»-Köpfe in ihren Filmen die Musical-Logik durchgesetzt haben – löchrig: In den «High School Musical»-Filmen schwören Figuren Stein auf Bein, dass sie niemals singen und tanzen werden – teilweise während sie singen und tanzen. Lieder in den «HSM»-Filmen sind "reale" Szenen (wie etwa Aufführungen und Talentshow-Nummern), Traumsequenzen, die uns aus einer Realweltlogik in eine musikalische Fantasie führen, und geradlinige, klassische Musicalnummern ohne jede Ausrede, welchen Sinn sie haben. Konfuser geht’s nicht.
Während in «High School Musical: Das Musical: Die Serie» nur gesungen und getanzt wird, wenn auch in unserer Wirklichkeit gesungen und getanzt wird, holpert und stolpert dafür die Mockumentary-Ästhetik. Die Auftaktfolge beginnt mit typischer, wackliger und nah an den Figuren haftender, semi-dokumentarischer Kameraführung – doch dann kommt es zu einer Rückblende, die wie eine typische Teenie-RomCom gefilmt ist. So etwas passiert immer wieder – es gibt «Stromberg»- und «Modern Family»-hafte "Interviews" mit den Figuren, die das angeblich dokumentarisch eingefangene Geschehen kommentieren – aber teilweise gelangt die Kamera an Orte, wo sie in einer Doku nur schwer gelangen würde und Figuren führen sich auf, wie sie sich unter Beobachtung niemals aufführen würden.
Ob das nun zum Charme der Serie beiträgt, weil es den Musicallogik-Wahnwitz der Vorlage spiegelt, oder ob es einen zur Verzweiflung bringt – das liegt wohl im eigenen Ermessen. Selbiges gilt für die Zukunftspläne der Serie: Wie schon sehr früh in «High School Musical: Das Musical: Die Serie» angedeutet, geht es mit einer Staffel über die Vorbereitungen zu einem «Die Schöne und das Biest»-Schulmusical weiter. Einerseits bricht das die «High School Musical»-Nostalgie, andererseits erlaubt es der Serie, etwas eigenständiger zu werden (so eigenständig man als Disney-Serie, in der Disney-Coversongs gesungen werden halt sein kann).
So oder so: «High School Musical: Das Musical: Die Serie» ist eine spürbar mit Passion gemachte, bewusst-kindische, sehr locker-leichte und aufmunternde Serie, die Musical-Hasser wohl kaum bekehren wird – aber dem geneigten Publikum Komfort-Serienfutter bietet. «High School Musical: Das Musical: Die Serie»: Mission: Erfüllt!
«High School Musical: Das Musical: Die Serie» ist ab dem 24. März 2020 auf Disney+ abrufbar. Der Disney Channel zeigt Folge eins von «High School Musical: Das Musical: Die Serie» am 20. März 2020 ab 19.40 Uhr und wiederholt sie daraufhin mehrmals. Folge zwei ist am 21. März ab 19.40 Uhr zu sehen und wird daraufhin ebenfalls wiederholt.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
21.03.2020 08:22 Uhr 1
Ironischerweise empfinden manche Menschen in anderen Bereichen des Lebens Missionierungen als Eingriff in die Kultur der Leute.
Egal, wenn das mit Corona so weiter geht, kannste bald mal zum Regal schleichen und "Fame" raussuchen...
21.03.2020 10:47 Uhr 2
Lustigerweise gibt es neben solchen Menschen wie dir auch solche, die begreifen, wie ein "Wer das Genre bisher nicht mochte, wird sich hiervon nicht umstimmen lassen"-Satz zu verstehen ist, statt erschreckt nach ihrem Schlips oder ihrer Perlenkette zu greifen und zu wimmern, dass da jemand einem was Böses will.
Ich verstehe den Kommentar nicht. Denkst du, ich würde den Film noch nicht kennen? Was bringt dich zu dieser fälschlichen Erkenntnis? Schreibst du jetzt unter jeden meiner Artikel "Egal, wenn das mit Corona so weiter geht, kannste bald mal zum Regal schleichen und 'Film XY' raussuchen..."? Ich mein, klar, jeder darf seine Langeweile bekämpfen, wie er will - aber es gibt sicher ergiebigere Tätigkeiten.
Willkommen zurück, Quotermain. Ich habe mich schon gefragt, wo du so lange warst!
21.03.2020 11:12 Uhr 3
Das ist wieder ein Thema, wie präzise jemand bei der Wortwahl ist.
"Bekehren" und "umstimmen" sind nicht identisch in der Bedeutung.
Wenn Musical-Aficionados das Wort "bekehren" mit "Hasser" in einem Satz verbauen, kann man das...interpretieren.
Au Contraire Mon Capitan, ich könnte wetten, "Fame" steht im Regal, direkt neben "Glee-Die komplette Serie".
Wer so etwas gerne schaut, dem läuft in kürzester Zeit das Material aus.
21.03.2020 11:23 Uhr 4
Gerade von dir müsste man doch eigentlich die Haltung erwarten "Leute, die Dinge bewusst so interpretieren, dass sie beleidigt sind, sind aber mal üüüüberempfindlich".
Ah, ja, dann verstehe ich den Kommentar natürlich und bin super dankbar für ihn.