Liebe Fernsehgemeinde, was soll man zu dieser skurrilen Serie sagen...?
«Der Ring der Musketiere» wurde am 01. Dezember 1992 bei RTL geboren und ist eine dieser Produktionen, von denen man kaum glauben kann, dass es sie wirklich gab. Im Zentrum der Geschichte standen die gebürtigen Nachkommen der legendären Musketiere, die nun in der Gegenwart für Recht und Ordnung sorgten - nicht mehr zu Pferde im alten Frankreich, sondern auf Harley-Davidsons im sonnigen Los Angeles der 90er Jahre. Sie alle hatten den gleichen Ring von ihren Vorfahren geerbt und waren dadurch verpflichtet, nach deren Gepflogenheiten zu leben. So entstand eine bereits 600 Jahre existierende „geschlossene, geheime Einheit, deren ganzes Tun dem Wohl der Menschen diente“. Dabei hatten die Mitglieder einen strengen Kodex zu achten, weil die Musketiere „bewahren die traditionellen Werte, beschützen unschuldig Verfolgte und respektieren Kultur und Tradition. Und sie haben vor allen anderen Dingen stets für einander einzutreten.“ (alles Original-Zitate aus der Handlung!)
Diese Verantwortung war den Machern der Serie offenbar derart wichtig, dass sie kaum zehn Minuten vergingen ließen, ohne dass eine ihrer Figuren diese Prinzipien wiederholte. Damit dann wirklich niemandem das doch noch entgehen konnte, begann zusätzlich jede Episode mit den Worten: „Dies ist der Ring der Musketiere, wer immer ihn trägt, ist bei seiner Ehre verpflichtet, die Unschuldigen zu beschützen und das zu bewahren, was dem Wohle der Menschheit dient.“ Selten wurde eine Ausgangssituation derart aufdringlich erklärt. Dagegen darf Mario Barth getrost als Meister der Subtilität bezeichnet werden.
Um nun Teil dieser besonders geheimen und besonders ehrbaren Truppe werden zu können, bedurfte es keinerlei nennenswerter Fähigkeiten, Superkräfte oder sonstiger Qualifikationen. Lediglich der Besitz eines der vier Ringe reichte aus, mehr nicht. War man an Bord, erhielt man eine Grundausbildung im Nahkampf und natürlich – dem 20. Jahrhundert angemessen – ein leichtes Training im Degen-Fechten. Nicht einmal besonders schlau mussten die Musketiere sein, denn schon im ersten gezeigten Fall, nannte ihnen das Opfer schlicht den Täter und ersparte jegliche lästige Ermittlungen.
Der Kampf gegen die Unterwelt war für die Edelmänner (und –frauen) allerdings nur eine Nebenbeschäftigung, der nicht finanziell entschädigt wurde. Stattdessen war ihr Lohn „das noble Gefühl, etwas Gutes getan zu haben“, weswegen sie im wahren Leben noch echte Jobs hatten. So war der Ober-Musketier John D‘Artagnan-Smith nebenbei Popstar. Peter Porthos verdiente seinen Lebensunterhalt als Deutschlehrer und Anne-Marie Athos gab im Radio als „Dr. Love“ Beziehungstipps, während ihr Auftraggeber Maurice Treville zur Tarnung ein Antiquitätengeschäft führte. Er war es auch, der jahrelang auf der Suche nach dem vierten, verschollenen Ring und dessen Träger war. Dieser fiel dann wiederum dem tollpatschigen Ganoven Burt Aramis zufällig in die Hände, der letztlich aus Angst vorm Gefängnis das Team komplettierte.
Formal verbarg sich hinter dem Projekt eine Miniserie, die zwar in abgetrennte Folgen unterteilt war, aber einen roten Handlungsfaden verfolgten. Was mit einer Kindesentführung und einen geplanten Flugzeugabsturz begann, entwickelte sich zu einer ausgedehnten Jagd nach dem Super-Mafiosi Pellito. Ganz nebenbei brachten die ruhmreichen Verbrechensbekämpfer noch kleine Räuber oder Handtaschen-Diebe zur Strecke und hielten betrunkene Menschen vom Auto fahren ab. Das teilweise ohne extra dafür von ihren Motorrädern absteigen zu müssen. Darüber hinaus stießen sie auf eine Gruppe von Anti-Musketieren, die, nachdem sie einst verstoßen wurden, sich selbst zu Kriminellen machten. Mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden, falls tatsächlich jemand vorhat, den vollständigen Zyklus noch einmal zu schauen.
Zu dieser abstrusen und löchrigen Story gesellte sich zusätzlich eine Vielzahl unerträglicher Kalauer hinzu. Beispiel gefällig? Während der Radiosendung von Dr. Love klagte ein Anrufer darüber, dass er große Schwierigkeiten habe, „Mädchenbekanntschaften“ zu machen. „Ein häufiges Problem“, riet Dr. Love „aber ich habe die Erfahrung gemacht, der beste Ort jemand kennen zu lernen ist immer noch der Supermarkt oder der Arbeitsplatz. Wo arbeitest Du?“ – „Im städtischen Leichenschauhaus.“ Taa Taa Taa Taa, wo ist ein Karnevalstusch, wenn man ihn mal braucht? Stattdessen folgte nur peinliche Stille.
Das seltsamste an dem Format war jedoch weder die alberne Grundkonstellation, noch die platten Dialoge oder der schale Humor. Vielmehr war es die Besetzung, die nur schwer zu glauben war. Der Teilzeit-Popstar John D‘Artagnan-Smith wurde nämlich vom Teilzeit-Schauspieler David Hasselhoff verkörpert, der sich mit seinem Spitzbärtchen ebenso optisch vom «Knight Rider» zum echten Ritter verwandeln wollte. Oder, um es mit den Worten des Fernsehkritikers Oliver Kalkofe zu sagen: „Hasselhoff mit Spitzbärtchen, weißem Pluderpulli und aufgerissenen Augen sieht jetzt wirklich endgültig aus wie ein schwuler Friseur, dem man ´nen Lockenstab in den Hintern gesteckt hat.“ Seine Darbietung war von seinen Auftritten in «Knight Rider» und «Baywatch» nicht zu unterscheiden und genauso steif. Immerhin erhielt er einige Szenen, in denen er sein Gesangstalent (bei einem Playback-Auftritt) unter Beweis stellen konnte.
Damit nicht genug. Die zweite männliche Hauptrolle erhielt aus wenig nachvollziehbaren Gründen der deutsche TV-Moderator Thomas Gottschalk, der noch unnatürlicher und noch steifer auftrat als Hasselhoff. Mit ihm konnte das US-Publikum erwartungsgemäß wenig anfangen. So beschrieb ihn einer der wenigen Amerikaner, der die Show gesehen hatte, als „some slimy Eurotrash type who spends most of the movie staring at Athos' ass.“ – wobei Athos hier seine weibliche Kollegin war. Hasselhoff und Gottschalk - zwei solche Giganten der Schauspielkunst in einem Werk. Allein dadurch hat der Mehrteiler seinen Ehrenplatz in der „Hall of Trash“ verdient. In ihm kabbelten sich dann die beiden Frauen-Typen ständig und buhlten unentwegt um dieselben Damen. Beispielsweise beleidigte Gottschalks Figur seinen Popstar-Kollegen scherzhaft damit, dass dieser der „Gesangslehrer von Milli Vanilli“ gewesen sei. Noch so ein Brüller!
Unterstützung erhielt das dynamische Duo von Alison Doody (die weibliche Hautdarstellerin in «Indiana Jones und der letzte Kreuzzug») sowie dem amerikanischen Komiker Cheech Marin, der zuvor durch seine Auftritte in «Nash Bridges» sowie den Film-Klamotten «Cheech & Chong» und später durch viele Nebenrollen in Robert-Rodriguez-Streifen auffiel. Dazu gesellte sich noch John Rhys-Davies, der ebenfalls aus den «Indiana Jones»-Filmen bekannt war und zuletzt den Zwerg Gimli in der «Herr der Ringe»-Trilogie spielte. Am überraschendsten war hingegen die Tatsache, dass die Drehbücher aus der Feder von Joel Surnow stammten, der rund zehn Jahre später mit der Serie «24» das weltweite Fernsehen revolutionieren sollte.
All das wurde zwar von einem amerikanischen Team in den USA produziert, erhielt aber nicht unerhebliche finanzielle Unterstützung (und Vorgaben) vom deutschen Sender RTL. Dort feierte das Ergebnis dann am Dienstagabend auch ihre Welturaufführung, was nicht zuletzt daran lag, dass sich kein amerikanischer Anbieter für eine Übernahme finden ließ. Zu stark war das Produkt mit Gottschalk und Hasselhoff auf den deutschen Markt zugeschnitten. Doch selbst bei uns strahlte man die einstündigen Ausgaben nur ein einziges Mal aus und vergrub sie anschließend für immer im Archiv. Nicht einmal für eine Wiederholung auf SuperRTL oder eine DVD-Veröffentlichung reichte es später. Und das obwohl einige Quellen aus der damaligen Zeit von Sehbeteiligungen von bis zu 6,5 Millionen Menschen berichten. Parallel gab es überdies den offiziellen Soundtrack zu kaufen, auf dem sich neben zwei Songs von David Hasselhoff ebenfalls Stücke vom Modern Talking-Sänger Thomas Anders befanden.
«Der Ring der Musketiere» wurde am 17. Dezember 1992 beerdigt und erreichte ein Alter von vier Folgen. Die Serie hinterließ den Hauptdarsteller David Hasselhoff, der noch bis zum Jahr 2001 als Bademeister in «Baywatch» einen lukrativen Zweitjob hatte. Thomas Gottschalk konnte es trotz dieses Ausfalls nicht lassen, hin und wieder zu schauspielern. Im Jahr 2008 debattierte er schließlich mit Marcel Reich-Ranicki öffentlich über mangelnde Qualität im deutschen Fernsehen. Was für eine Ironie mit einer solchen Vergangenheit? Übrigens, die Reihe startete exakt an jenem Tag, an dem der TV-Kanal RTL begann, sich den Zusatz „plus“ in seinem Namen zu sparen. Hätte er sich stattdessen besser die Beteiligung an diesem Machwerk gespart.
Möge die Serie in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs widmet sich einem der schrägsten Comedy-Formate in der langen, deutschen Sketch-Geschichte.