Sonntagsfragen

Sonntagsfragen an Matthias Müntefering

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Herr Müntefering, kann man denn als Synchronsprecher in Deutschland und auf der Welt reich werden?
Reich nicht, aber man kann doch angenehm leben. Das ist wie bei jeder anderen Arbeit auch, wenn man gute Leistung liefert.

Es gibt aber einige Synchronsprecher, die sich über geringe Gagen beklagen.
Unzufriedene gibt es in jedem Beruf. Die Mehrzahl der Sprecher kommt gerne zu uns ins Studio.

Wie sieht denn so ein typischer Arbeitstag eines Sprechers bei Ihnen aus?
Der Sprecher kommt morgens ins Studio und bleibt dann für etwa vier Stunden, manchmal auch den ganzen Tag. Manche fahren pro Tag auch zu zwei oder drei Studios und nehmen Takes auf. Im Studio ist dann auch der Regisseur anwesend und das Buch. Den Text bekommt der Synchronsprecher erst, wenn er im Studio ist. Den Text lernt man und schaut sich dann noch einmal an, wie die Szene im Original gesprochen wurde. Es folgt eine Probe und anschließend wird aufgenommen.

Und dennoch schaffen Sie recht viele Takes pro Tag…
Bei «West Wing», das wir derzeit für FOX synchronisieren, sind es zwischen 200 und 220 Takes pro Tag – dort ist es für uns besonders anstrengend, weil wir unheimlich viele Dialoge haben – da müssen die Sprecher auf den Punkt genau arbeiten.

Zeichnen Sie Dialoge auch mit mehreren Sprechern gleichzeitig auf?
Ich nehme solche Szenen lieber als Dialog auf, ja – aber das ist in der Branche ganz unterschiedlich. Wenn wir zum Beispiel eine Szene mit vier Figuren haben, die Dialoge sprechen, dann kann man immer ganz gut mit zwei Sprechern im Studio arbeiten. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass eine gewisse Interaktion vorhanden ist. Zudem ist es nie schlecht, wenn die Sprecher sich gegenseitig auch einfach nur zuhören – so kommt man besser in die Szene rein.

Wer ist für Sie denn der beste deutsche Synchronsprecher?
Das ist eine sehr schwierige Frage, weil wir sehr viele gute Sprecher haben. Grundsätzlich muss man wohl zwischen zwei Typen von Sprechern unterscheiden. Da gibt es Sprecher wie Manfred Lehmann, die unglaublich charakteristisch sind: Die Stimme von Bruce Willis kennt jeder. Das schränkt bei der Arbeit aber auch ziemlich ein. Und dann gibt es einige sehr vielseitige Sprecher, wie Joachim Tennstedt, bekannt als Billy Christal. Er spricht nicht so markant, ist dafür aber variabel einsetzbar.

Wie Sie gerade über Manfred Lehmann sprachen: «Stirb Langsam 3» muss immer noch ohne dessen Stimme auskommen. Sollte man das noch mal synchronisieren?
Den ersten und zweiten Teil haben wir hier sogar synchronisiert – als der dritte Teil bearbeitet werden sollte, war Manfred Lehmann für einige Monate im Ausland, konnte die Texte also unmöglich sprechen. Der Auftrag ging dann auch an ein ganz anderes Studio – der Kunde hat sich dann für eine andere Stimme entschieden.

Das Publikum stört sich aber an wechselnden Stimmen…
Man sollte schon für Kontinuität sorgen – das Publikum ist in den vergangenen Jahren viel kritischer geworden, was die Synchronarbeit angeht – im Internet gibt es etliche Foren und Blogs, die sich intensiv mit diesem Thema beschäftigen.

Was muss denn ein guter Synchronsprecher mitbringen?Flexibiltät, ein gutes Kurzzeitgedächtnis, Rhythmusgefühl und einfach den Spaß an der Sache. Wir handeln mit Emotionen, die eines großen Einfühlungsvermögens bedürfen. Aber das haben ja die meisten Sprecher, die in der Regel Schauspieler sind, sowieso.

US-Serien kommen immer schneller nach Deutschland – oftmals liegt nur noch ein halbes Jahr zwischen US-Ausstrahlung und der Free-TV-Premiere. Ist der Druck auf die Synchronstudios größer geworden?
Das ist der Druck, den wir aus dem Kinogeschäft kennen. Kritisch wird es manchmal, wenn Serien hierzulande großen Erfolg haben und plötzlich als Doppelfolge gesendet werden. Eigentlich haben wir bei Serien, die wir für das Free-TV synchronisieren, genügend Luft – sofern die Sprecher nicht krank werden oder aus sonstigen Gründen ausfallen. Im Pay-TV sieht das manchmal etwas anders aus.

«Lost» und «24» laufen sehr dicht an der US-Ausstrahlung.
Da müssen die Originale wirklich pünktlich ankommen und dann wird bei beiden Formaten eigentlich fast in Echtzeit synchronisiert. Das ist schon ein hartes Brot und bin ich ganz froh, dass wir das bei uns nicht machen müssen. Allerdings auch bei «West Wing» stehen wir unter recht großem Zeitdruck, weil die vierte Staffel nun in Doppelfolgen läuft und wir die fünfte gleich im Anschluss bearbeiten.

Was ist Ihnen denn lieber? Eine Serienstaffel zu synchronisieren oder gleich langlaufende Serien wie beispielsweise «Reich und schön»?
Langlaufende Serien bieten schon große Vorteile – sie geben dem Studio mehr Planungssicherheit. «General Hospital» war da vor vielen Jahren ein sehr schönes Beispiel. Das Synchronisieren von reinen Blockstaffeln ist oftmals eher schwierig, da kann es immer zu Zwischenfällen kommen. «Southland» war da ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit. Das wurde bei NBC eingestellt und in den USA dann von einem kleinen Sender fortgesetzt. Die Arbeiten an der deutschen Fassung wurden deshalb zunächst komplett gestoppt und werden nun erst im kommenden Jahr durchgeführt.

Wie froh sind Sie, dass das Pay-TV nun auch Serien zeigt, die man sonst in Deutschland wohl nie sehen würde. «West Wing», «Skins»…
Ich bin da sehr zufrieden, für uns alle ergibt das eine bessere Auftragslage. Es gibt viele Serien, die derzeit nur im Pay-TV laufen, die es aber verdient hätten, ihren Weg auch ins Free-TV zu finden. «Spooks», das wir hier auch machen, ist da einen sehr guten Weg gegangen: Ohne FOX wäre der Weg ins ZDF wohl nie möglich gewesen – und es tut mir wirklich weh: Ich lese ja jeden Morgen die Berichte bei Quotenmeter und bedauere, dass sich viele britische Serien hierzulande so schwer tun. Dem ZDF kann ich dann immer wieder nur sagen: Habt Mut, die Serie ist gut gemacht. Es gibt für Formate wie «Spooks» eine Zielgruppe. Ähnliches gilt für «Hotel Babylon» - eine Trendy-Serie, oder «Secret Diary of a Call Girl». Hier würde ich mir wünschen, dass ein Free-TV-Sender sich traut, die Serie abends um 22.15 Uhr zu zeigen.

Viele Leser von uns wollen wissen: Wer zahlt denn die Synchro? Pay-TV-Sender oder Free-TV-Sender?
Das ist ganz unterschiedlich. Mal zahlt es der Pay-TV-Sender, mal hat der Free-TV-Sender die Rechte und erlaubt vorher nur eine Ausstrahlung im Bezahlfernsehen. Sky bezahlt vieles direkt und verkauft dann die deutsche Fassung an die Free-TV-Sender. Wir sind immer bemüht, da gute Kontakte herzustellen, weil Pay-TV-Kanäle bei vielen Formaten erst später eingestiegen sind und die Free-TV-Sender natürlich möchten, dass die Serien auch weiterhin so klingen wie bisher. Verkauft man dann die Rechte an der deutschen Fassung, so zahlt der Free-TV-Sender in der Regel 40 bis 50 Prozent der Synchronisationskosten.

Gibt es eigentlich ein Land, bei dem die Synchronisation sehr schwer fällt?
Also England, Frankreich – das ist alles recht leicht. Die Franzosen sprechen etwas schneller, aber das macht nichts. China ist schwierig, da muss man wirklich sehr gute Übersetzungen haben. «Red Cliff» haben wir kürzlich gemacht, da hatten wir eine solche Übersetzung.

Wir müssen über «West Wing» sprechen, das Sie derzeit bearbeiten: Schade, dass die Serie wohl nie ins Free-TV kommen wird…
Richtig. Dabei verbindet die Serie Emotionen und intellektuelles Entertainment. Ich sehe die öffentlich-rechtlichen Sender hier durchaus in der Verantwortung. Die Chefs sollten sich dort intensiv mit dem Format befassen und nicht nach einer Folge schon abwinken. Nicht umsonst hat «West Wing» so viele Auszeichnungen bekommen: Wer Tom Clancy mag oder in «Air Force 1» geht, der wird auch an «West Wing» Gefallen finden. Anfangs gab es natürlich ein paar Übersetzungsschwierigkeiten, dazu kam noch der Anti-Amerikanismus in Europa. Das ist jetzt anders.

Barack Obama sei Dank…
Ich habe damals gesagt, dass das Weiße Haus jetzt wieder „in“ ist. «West Wing» sollte meiner Meinung nach bei den öffentlich-rechtlichen Sendern laufen: Das gehört zur Grundversorgung genauso wie Volksmusik oder Pilcher.

Hat die Serie aber nicht das Problem, das beispielsweise auch «One Tree Hill» hat? Die ersten Staffeln sind schon recht alt, was man ihnen auch deutlich ansieht?
Mittlerweile ist das der Fall, ja. Aber dann schauen Sie sich mal die vierte Staffel an, die gerade bei FOX läuft: Die ist so aktuell wie nie. Da geht es um den Iran, um die Umwelt. Natürlich hat «West Wing» nicht die schnelle Schnittfolge, die man von vielen US-Formaten gewohnt ist – deshalb ist es eher auch eine „Old-Fashioned“-Serie. Für Privatsender ist die Zielgruppe der Serie, vermutlich so zwischen 30 und 60 Jahren, nicht wirklich interessant – aber für ARD und ZDF.

Sehen Sie denn eine realistische Chance, dass «West Wing» 2010 ins Free-TV kommt?
Ich sehe die Chance nicht, aber es wäre dem Publikum zu wünschen.

Sie haben 15 Jahre lang die Krankenhaus-Serie «Emergency Room» synchronisiert: Wann hatte das Format Ihrer Meinung nach den Höhepunkt?
Nachdem Dr. Green gestorben ist, ging es sicherlich bergab, obwohl neue gute Charaktere hinzugestoßen sind. Den Peek hat die Serie sicherlich vor etwa acht Jahren überschritten. Die inhaltlich beste Zeit hatte man während der Staffeln zwei, drei, vier und vielleicht noch fünf. Damals waren die Quoten auch richtig gut und man merkte einfach, dass das Format an der Spitze der medizinischen Entwicklung steht. Das hat mit der Zeit nachgelassen – andere Formate haben der Serie dann Zuschauer weggenommen, weil diese noch stärkere Personalities hatten.

Wie ist das, wenn man eine Serie 15 Jahre lang bearbeitet? Wächst da eine Familie zusammen oder empfindet man das gar nicht so, weil die Sprecher nur immer einen oder zwei Monate im Haus sind?
«Emergency Room» hat mich lange Zeit begleitet: Der große Termindruck, die ständige Hoffnung, dass wir jeden gut besetzt haben – dass wir das hohe Level halten können. Genau das fehlt jetzt natürlich. Wir überlegen noch, wo wir unsere rauschende Abschiedsparty feiern werden.

Und zum Abschluss noch: Welche US-Serien der jüngeren Vergangenheit gefallen Ihnen besonders gut?
«Southland» ist ganz gut – ich mag auch die neuen Folgen von «Boston Legal». Mein Favorit ist glaube ich «My Name is Earl», das ist eine Spitzenserie. Ich spreche mich für mehr Comedy aus, das Leben ist trist genug.

Vielen Dank und ein erfolgreiches Jahr wünsche ich.

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