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Zielgerade: Auch in den Monaten von September bis Dezember waren den Zuschauern, Verantwortlichen und Branchenbeobachtern lediglich wenige ruhige Tage gegönnt. Der letzte Teil des großen Jahresrückblicks.
Aus Robert Enkes Freitod am 10. November 2009 resultierte ein immenses soziales Medienecho. Verschiedene Prominente waren betroffen und unterschiedliche TV-Anstalten machten es sich zur Aufgabe, dem deutschen Nationaltorwart den angemessenen Respekt zu zollen. Der Sender Sat.1, der das umfangreichste Fußballpaket aufweisen kann, entschied sich gegen die Reportage «24 Stunden» und sendete im Gegenzug eine Spezialausgabe des Magazins «Kerner». Oliver Pocher, der den Torhüter persönlich kannte und schätzte, zeichnete obgleich großer Trauer die «Oliver Pocher Show» auf. Livesendungen der Trauerfeier in der Hannover AWD-Arena erwarteten den Zuschauer bei der ARD. Das ZDF musste indes umdisponieren, da die deutsche Elf nicht bereit war, das Freundschaftsspiel gegen Chile unter der Tragweite dieser Ereignisse auszutragen. Auf Livefußball verzichten mussten die Mainzer allerdings nicht.
Der elfte Monat hielt überdies noch andere Überraschungen für Johannes B. Kerner und den Kollegen Pocher bereit: Letzterer hatte im Vorfeld seinen Spaß an der hitzigen Diskussion um den H1N1-Virus – Zeitweise ließ er sein Publikum gar Mundschutz tragen. Weniger amüsant war das Ergebnis eines durchgeführten Tests: Schweinegrippe. Da eine Ansteckungsgefahr lediglich sieben Tage besteht, stand seiner Late-Night am Freitag andererseits nichts im Wege. „Mir geht es immer noch nicht wirklich gut. Aber Freitagabend ist Pocher-Abend und das muss so bleiben – auch in meinem momentanen Zustand", erklärte der 31-Jährige, der lediglich von Zuhause in das Studio geschaltet wurde.
“Die Woche beginnt mit Kerner“, hieß es Ende Oktober in den Werbespots des Bällchensenders, doch nach nur drei Folgen zog man den Stecker: Zuletzt wurde ein desolater Marktanteil von 4,5 Prozent in der Zielgruppe erzielt. Fortan war «Kerner» donnerstags zu sehen. Zudem erklärte der ehemalige ZDF-Moderator damals, man wolle sich auf alte Tage besinnen. Tage, in denen die Einschaltquoten durchaus glücklich stimmten. „Die Studiogespräche werden intensiver. Wir nehmen uns dafür wieder mehr Zeit.“ - In welchem Maße dieses Ziel erreicht wurde muss das Publikum entscheiden.
Während «DSDS»-Gewinner Daniel Schuhmacher auf Grund mühsamer Kartenverkäufe vier Konzerte absagen musste, «Nightwash» eine Rolle rückwärts absolvierte und von Comedy Central zurück zum offentlich-rechtlichen Fernsehen wechselte und RTL II «Heroes» auf den Sendeplatz vor Mitternacht verschob, mussten 28 Mitarbeiter des Privatsenders ProSieben um ihre Arbeitsstelle fürchten. Von einer Optimierung der Daytime war die Rede, als man bekannt gab, das Magazin «SAM» - seit über zehn Jahren ein Teil des Programmes - , einzustellen. Damit gab man sich der stabilen Konkurrenz «Punkt 12» geschlagen. Auch das Ende der Dokunovela «Reality Affairs» und der Produktion «Focus TV» war im November gekommen. “Wir werden in Gesprächen mit der Personalabteilung und dem Betriebsrat für jeden eine individuelle und faire Lösung finden“, versicherte Christoph Körfer, stellvertretender Geschäftsführer der roten Sieben.
Der Kölner Sender VOX reagierte ebenso auf die schwache Quotenlage des Nachmittagsprogrammes. Anfangs trennte man sich vom «Promi-Kochduell», schob andere Formate wie etwa die tägliche Version von «Prominent» eine gewisse Zeitspanne in der Schiene zurück und sendete Wiederaufführungen der «Gilmore Girls». Anschließend wurde auch die Plauderrunde «Das Frauenzimmer» zu Grabe getragen. “Leider ist die Zuschauerresonanz in den vergangenen vier Wochen nicht gestiegen. Daher haben wir uns schweren Herzens entschlossen, «Frauenzimmer» aus dem Programm zu nehmen," so Pressesprecherin Corinna Teuner.
Neuausrichtung: Call-In und Erotik haben das Image des Deutschen Sport Fernsehens schwer beschädigt, weshalb man die Entscheidung fällte, ab dem Januar 2010 unter neuem Titel zu senden: Sport1. Zeljko Karajica, der nun seit über einem halben Jahr die Leitung inne hat, machte allerdings deutlich, dass auch Quiz und prickelnde Unterhaltung vorerst lediglich eingeschränkt und nicht vollends verschwinden werden. Der ehemalige Senderchef Oliver Reichert bekundete Interesse an einer Übernahme und machte dem Boss der DSF-Mutterfirma Constantin Medien, Bernhard Burgener, ein Angebot. Ein Verkauf stehe jedoch nicht zur Debatte, Sport1 solle die Chance erhalten, positiven Ruf und gute Quoten einzufahren.
ProSieben gab bekannt mit FemTV einen auf die weibliche Zuschauerschaft ausgerichteten Fernsehkanal offerieren zu wollen, RTL nahm die ausgezeichneten Quoten der in den Vereinigsten Staaten gescheiterten Serie «Knight Rider» zum Anlass, das sprechende Auto ins Abendprogramm zu verlegen und Nikolaus Brender erhielt die offizielle Nachricht, nach dem Ende seines aktuellen Vertrages den Schreibtisch räumen zu müssen. Auch für N24 ging es im November hoch her. Von Einstellung, Verkauf und weiträumigen Veränderungen war die Rede. Das Nachrichtenmodell, das in den vergangenen Jahren konstant zurückgeschraubt wurde, sei nicht länger profitabel, weshalb Dokumentationen noch mehr Raum einnehmen sollten. Der Verlust von N24 hätte erhebliche Folgen für die gesamte ProSiebenSat.1-Gruppe, immerhin bildet der Sender für ProSieben & Co. die Nachrichtenquelle.
Besinnliche Zeit? Die nächste Seite fasst die Vorgänge im Monat Dezember zusammen.