Inhalt:
Derart viele Tage, geprägt von Furcht, Ungewissheit, Freundschaft, Liebe, Schmerz und Tod. Es sind derart viele, grausame, zermürbende Tage, die hinter den Überlebenden des Oceanic Airlines Fluges 815 liegen. Hoffnung war ein immerwährendes Element ihrer Geschichte, doch es sind die Glückseeligen, deren Gebete erhört wurden, die die zurückliegenden Freunde, Feinde und die Wahrheit selbst vergessen, verdrängen, verlieren. Willkommen Zuhause, Oceniac Six.
Jack. Kate. Hurley. Sayid. Sun. Aaron. Die Routine des Festlandes gestaltet ihren neuartigen Alltag – Theoretisch. Denn nachdem Jeremy Bentham alias John Locke das Zeitliche gesegnet hat, ändert sich die Situation schlagartig. Jack Shepherd, Mann der Wissenschaft, verliert den Bezug zu eben jener und wendet sich dem ihm zuvor verhassten Glauben zu. Seiner Ansicht nach müssen er und seine ehemaligen Gefährten, die das gewobene Lügengeflecht mit ihm teilen, zurück auf die Insel, um die zurück gelassenen Verbündeten vor großem Unheil zu bewahren. Bestätigt wird er von Ben, der die Heimat ebenfalls verlassen hat. Im Folgenden bemühen sich die früheren Kontrahenten darum, die restlichen Eretteten zu überzeugen oder gar zu einer Rückkehr zu zwingen. Ein fragwürdiges Vorhaben, immerhin sind Hurley und Sayid dem offenen Gefecht mit dritten Parteien ausgesetzt, Kate zufrieden mit ihrem Leben als Mutter und Sun damit beschäftigt Partnerin von Charles Widmore zu werden.
Währenddessen bekommt “die Platte einen Sprung“, wie es Dr. Daniel Faraday ausdrückt. Die auf der Insel Verbliebenden, unter anderem Saywer, Locke, Juliet, Miles und Daniels Kollegin Charlotte bewegen sich obskurer Weise in der Zeit, was unter anderem dazu führt, dass das errichtete Camp urplötzlich vom Erdboden verschwindet und bei einigen Menschen bedrohliche Symptome auftreten. Der Terminus “währenddessen“ trifft es im Übrigen eigentlich weniger, wie bereits in der vierten Staffel offensichtlich wurde – Für die Bewohner der Insel sind Minuten vergangen, für die Oceanic Six jedoch drei Jahre.
Darsteller:
Matthew Fox («8 Blickwinkel») ist Dr. Jack Shepherd
Terry O'Quinn («Millenium) ist John Locke
Michael Emerson («Saw») ist Benjamin Linus/Henry Gale
Josh Holloway («Whisper») ist James “Sawyer“ Ford
Evangeline Lilly («Kingdom Hospital») ist Katherine “Kate“ Austen
Jeremy Davies («Rescue Dawn») ist Dr. Daniel Faraday
Elizabeth Mitchell («V») ist Dr. Juliet Burk
Henry Ian Cusick («Hitman») ist Desmond Hume
Naveen Andrews («Planet Terror») ist Sayid Jarrah
Nestor Carbonell («The Dark Knight») ist Richard Alpert
Jorge Garcia («Becker») ist Hugo “Hurley“ Reyes
Kim Yoon-jin («Seven Days») ist Sun-Hwa Kwon
Rebecca Mader («Justice») ist Dr. Charlotte Staples Lewis
Alan Dale («O.C. California») ist Charles Widmore
Kritik:
«Lost» ist nicht mehr das, was einmal war. Wer hätte zu Beginn der Serie, der sich auszeichnete durch dichte Spannung, das Unbekannte und einerseits Übernatürliche, andererseits zutiefst Bodenständige, erahnt, dass man in der fünften Staffel mit Zeitsprüngen konfrontiert werden wird? Vernimmt man diese Tatsache, könnte man glauben, es handle sich um einen ähnlich grandiosen Schachzug der Autoren und Produzenten wie es in der vierten Staffel der Fall war: Nach einer unbeholfenen dritten Staffel, die selbst insofern man sie sich innerhalb weniger Tage zu Gemüte führte, diverse Schwächen aufzuweisen hatte, gliederte man neue Charaktere und Ideen in den gigantischen Kosmos ein – Der Flash Forward ersetzte die Rückblenden, an die man sich in 70 Episoden gewöhnt hatte und bot Einblicke in die Zukunft der so genannten Oceanic Six, die der Insel entkamen und zahlreiche Freunde im Stich ließen. Auch Season fünf weiß in ihrer Gesamtheit zu überzeugen, insbesondere die ersten sechs bis sieben Folgen, doch die ein Jahr zuvor errichtete Atmosphäre wurde im Prinzip nach und nach zerstört.
Nach einem kurzen Abstecher auf die Insel, der für einen bedeutsamen so genannten “What the Fuck?!“-Moment sorgt, setzt man an jener Stelle an, an der das Publikum zuletzt endete: Im Hoffs/Drawler-Bestattungsunternehmen. John Locke ist offensichtlich tot und die Inselbewohner angeblich gefährdet, weshalb der depressive Jack gemeinsam mit Ben den Entschluss fasst, zurück zu kehren, mitsamt den Oceanic Six, “Bruder“ Desmond und Frank Lapidus. Während der gesamten erste Episode “Weil du gegangen bist“ und auch im Folgenden bleibt der Zuschauer keineswegs von oben erwähnten Momenten bzw. Traumata verschont – Sie folgen zu Anfang gar im Takt weniger Minuten. Es handelt sich dabei nicht zwangsläufig immer um Augenblicke, die ein “Oh mein Gott, das hätte ich nie für möglich gehalten“ entlocken, sondern schlicht äußerst genial in Szene gesetzt worden und hochgradig spannungsreich, sowie unerwarteter Natur sind. Es trifft sich gut, dass kabel eins zwei Folgen pro Abend ausstrahlt – Der Übergang zwischen Episode eins und “Die Lüge“ nimmt rasant an Fahrt auf und bietet durchgehend gewohnt starke «Lost»-Unterhaltung. Vor allem die emotionale Lage auf der Insel, die zunehmend bedeutungsvollere Figur des Daniel Faraday und Sequenzen wie das Gespräch zwischen den Oceanic Six auf Pennys Schiff fesseln den Betrachter.
Auch auf den Heiland der “Anderen“, John Locke, muss man keienswegs verzichten; auf Grund der Zeit-Diskrepanz ist er auf der Insel noch am Leben, was seine Zukunft umso interessanter macht. Obgleich die Thematik der Zeitsprünge befremdlich und schwer zu verstehen ist und dies auch bleibt, bietet sie großes Potential, das zweifellos ausgeschöpft wird. So werden unterschiedliche Charaktere Zeugen bereits geschehener Ereignisse, wie der Geburt Aarons. Diese andere Art des Rückblickes wahrt nicht nur den Anschein von Antworten, sondern erfüllt diesen auch. Nach und nach lichtet sich das trübe Bild, man erfährt mehr über die Vergangenheit der Insel, die Beweggründe Widmores und Bens, während weiterhin zuvor aufgenommene Storylines fortgesetzt werden. Wie bereits erwähnt, warten die ersten sieben Folgen mit überraschenden Wendungen und erhofften Informationen auf, doch anschließend, nachdem mehr oder minder ein neuer Status Quo erreicht wurde, geht der Staffel schrittweise die Puste aus.
Dennoch: Handlungsstränge wie die neu entflammte Buddy-Beziehung zwischen Sayid und Hurley bieten die notwendige Portion Action und Humor, während die deutlich veränderte Sun und der bestürzte Sawyer für emotionalere Momente sorgen. Was geschieht, insofern die Vergangenheit der Insel auf die gegenwärtigen Figuren treffen, wird in der zweiten Episode gezeigt – Szenen, die überspitzt, aber schockierend sind. Im selben Maße wie der gesamte Auftakt der Staffel selbst.
Diese Serie spaltete seit jeher die Scharen an Anhängern, sei es nun die Geschichte von Paulo und Nikki, der ständige Stimmungswandel Lockes innerhalb der zweiten Staffel oder die Ankunft des Forschungsteams, weshalb auch hier der Einzelne urteilen muss, ob der erneute Richtungswechsel und der verstärkte Einsatz von Science Fiction die richtige Entscheidung war. Dass man damit ein weiteres Mal einen deutliche Kontrast zu den frühen Jahren setzte, beweist zwar, dass man Fans von Zeit zu Zeit auch negativ erschüttern und dennoch an sich binden kann, lässt aber auch die Frage aufkommen, inwiefern die Dinge wirklich geplant waren, immerhin behauptet man nicht erst seit Kurzem, nach einem festen Konzept zu verfahren.
Im Februar findet sich «Lost» auf der Zielgeraden ein, die sechste Staffel wird auch die letzte sein. Da neues Material vorsätzlich nicht an die Öffentlichkeit gerät, ist es nicht viel, dass sich nach Konsum von Staffel fünf über das abschließende Jahr sagen lässt. Mit Sicherheit wird es schockierend. Mit Sicherheit wird es genauso wie immer und vollkommen anders. Diese Serie hat eine Community geschaffen, die ihresgleichen sucht. Nach dieser großen Zeitspanne hat sie womöglich Teile ihres Charmes, aber kein Bruchstück an Suchtgefahr engebüßt. Was also lässt sich sagen über die fünfte Staffel, die endlich ihren Weg in das frei empfangbare Fernsehen findet? Die Synchronisation ist noch immer eine der besten der deutschen Branche und die Darsteller haben ihre Rollen inzwischen mehr als verinnerlicht. Letztlich ist die Frage, in welchem Maße die Neuerungen Anklang finden. Ja, «Lost» ist nicht mehr das, was es einmal war, aber ehrlich gesagt: Ist man bis zu diesem Zeitpunkt ein Lostie mit Leidenschaft, so wird man es bis zum bitteren Ende bleiben und Gefallen an diesem großartigen Format finden, das eine tiefe Lücke in der Fernsehlandschaft zurücklassen wird.
kabel eins zeigt die ersten beiden Episoden der fünften Staffel «Lost» am Donnerstag, den 21. Januar 2010 um 21:15 Uhr.