Oliver Pocher meldete sich am Freitagabend zurück aus der Sommerpause. Quotenmeter.de-Redakteur Jürgen Kirsch war vor Ort bei der Aufzeichnung und analysiert den Sendestart.
Zurück aus der Sommerpause ist die «Oliver Pocher Show» bei Sat.1 und mit ihr soll frischer Wind in das Programm am Freitagabend kommen. Tatsächlich hat sich an dem Late-Night-Format, das gar keine klassische Late-Night mehr sein will, wieder einiges geändert. Erfrischend war die erste Sendung nach der Sommerpause. Während die Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika das Land in seinen Bann zog, das Ölleck von BP ein großes Thema war und Lothar Matthäus zwischen Fußball und Frauen sein Privatleben ausschlachten ließ, standen hinter den Kulissen der «Oliver Pocher Show» die Zeichen auf Veränderung. Und so gibt auch das Studio im ehemaligen Kölner Residenz Theater auf den ersten Blick ein gänzlich neues Bild ab. Die "steilste Showtreppe im deutschen Fernsehen", auf die man zu Beginn von Pochers Show in Sat.1 noch so stolz war, ist Geschichte. Aus dem Studio hat man sie verbannt, genauso wie – schon länger – die Showband oder den Late-Night-Schreibtisch und jetzt auch die beiden Puppen Kalle und Ralle, die als Sidekicks in den letzten Ausgaben die Sendung retten sollten. Die Fassade ist geblieben: Die weiße Couch, die Kulisse – doch auf der Studiobühne ist jetzt mehr Raum. Mehr Raum, den man für Aktionen in der Show auch nutzen möchte. Man konzentriert sich dabei auf das Wesentliche, denn das Publikum, das auf den bequemen Theater-Sesseln Platz nimmt, möchte nicht nur von einer pompösen Studiodeko überzeugt werden. Das Rauschen im Blätterwald war auch rund um «Die Oliver Pocher Show» vor der Sommerpause nicht zu überhören und so hagelte es viel – teils berechtigte, teils unberechtigte - Kritik, die man sich wohl zu Herzen genommen hat, wie man deutlich sieht.
Das Konzept der Show hat man überarbeitet und während man in vergangenen Sendungen noch nach der richtigen Ausrichtung der Show gesucht hat, gibt man ihr jetzt zumindest ein Profil. Der Ansturm auf «Die Oliver Pocher Show» war gar nicht mal gering. Im Foyer des ehemaligen Residenz Theaters in Köln waren vor Beginn der Aufzeichnung noch junge Menschen, die gerne einen Platz in der Show ergattert hätten. Doch letztlich war die Nachfrage so groß, dass mehr Menschen Interesse an der «Oliver Pocher Show» hatten als Plätze zur Verfügung standen. Die für die Ticketverwaltung zuständige Firma Mediabolo vertröste auf nächste Sendungen, auf mögliche Freikarten anderer Produktionen oder versuchte weit angereiste Zuschauer doch noch unterzubringen. So war es kein Einzelfall, dass auf zwei Sitzplätze auch mal drei Zuschauer kamen und es im Studio für manche Pocher-Fans richtig kuschelig wurde. Zum Vergleich: In der Vergangenheit schlossen Sicherheitsleute und Mitarbeiter vorhandene Sitzplatz-Lücken in den Publikumsreihen. Man freute sich also auf die Rückkehr der Show - allen voran die jugendlichen Zuseher - und dann ging auch Oliver Pocher mit seinem Publikum auf Kuschel-Kurs. "Geil, das hab ich gebraucht", bedankte er sich für den Zuspruch in Form von tosendem Applaus.
Auch er selbst hat sich visuell verändert und will eine neues Kapitel aufschlagen. Eine neue Frisur inklusive. „Ich bin der Justin Bieber von Deutschland“, witzelt er später zu Beginn der Show. Im Vorfeld seiner ersten Sendung nach der Sommerpause gab er sich überraschend zurückhaltend, war er in der Vergangenheit doch eher ein Mann der großen Töne. Eine neue Bescheidenheit, die auch auf die Sendung abfärbt. Denn unmittelbar vor der Aufzeichnung versucht Pocher nach dem Warm-Up von Christian Oberfuchshuber mit seinen Zuschauern im Studio auf Tuchfühlung zu gehen. Den rustikalen Brachialhumor der letzten Sendungen hat Pocher teilweise abgelegt und den sympathischen Humor wie beispielsweise in dem tags zuvor gezeigten Film «Vollidiot» oder seiner guten Live-Stand-Up-Programme wieder adaptiert. Das kommt auch bei seinen Gästen gut an. Auch wenn Pocher an seiner Bissigkeit und dem spontanen Witz dadurch nichts verloren hat: „Sind denn auch Fans von Cindy aus Marzahn da?“, fragt er in die Runde. Mehrere Hände gehen nach oben. „Das sieht man aber auch“, grinst Pocher. Gelächter im Saal. „An der Freude, natürlich – was denken Sie denn?“, entschärft der Sat.1-Entertainer den eigenen Gag wieder, den er auf Kosten anderer gemacht hat. Hatte er sich in der Vergangenheit allein auf Letzteres beschränkt, so wirkt der Pocher-Humor jetzt sogar charmant, den richtigen Ton scheint er nun gefunden zu haben.
Als charmanter Gastgeber entpuppt sich Pocher dann auch in der Sendung, da er zwar hier und da mal gelegentlich um einen spontanen, auch vulgären Witz nicht verlegen ist, aber ansonsten eine gute Mischung aus der Witzigkeit eines Comedian, der süffisanten Ironie eines Late-Night-Moderators und dem smarten Auftreten eines Gastgebers präsentiert. Schon der Einstieg in die neue «Oliver Pocher Show» ist gelungen. Als Aufmacher dient der Gag, dass Pocher in einem Einspieler die Maske hinter dem Studio betritt und offensichtlich während der langen Sommerpause einiges an Kilos (in Form ausgefütterter Kleidung) zugelegt hat und so gar nicht auf dem neusten Stand der großen Themen ist. „Ist der Schmidt schon da?“, fragt er in der MAZ. „Das ist jetzt deine eigene Sendung“, sagt der Aufnahmeleiter. Dass Pocher dies realisiert hat und diesen Umstand zu schätzen weiß, beweist er seinem Publikum in den folgenden 45 Minuten. Nach dem Intro betritt dann plötzlich Cindy aus Marzahn die Bühne und spielt den Ball des veränderten Pocher zurück, ehe dieser aus der Studioecke hinzustößt und die Berlinerin vor der Übernahme seiner Show stoppt. Die Idee, den Gast schon gleich zu Beginn in einen gelungenen Gag einzubauen und Teil der Show sein zu lassen, ist durchaus neuwertig, eine interessante Ausrichtung der Show und wird positiv aufgenommen. Da selbst dieser offensichtliche Witz im Einspieler eigentlich schon vorhersehbar war, aber trotzdem zündet, ist das ein gelungener Auftakt zu neuen Konzeptinhalten und ein gutes Beispiel dafür, dass es funktioniert.
Cindy aus Marzahn sitzt also schon in den ersten Minuten auf der Couch. Auch die weiteren Gäste, die „Botox-Boys“, hat man nicht hinter der Bühne warten lassen, sondern in die erste Reihe gepflanzt. Sie sind ebenfalls von der ersten Minute dabei und werden auch, sobald Cindy aus Marzahn auf der Couch sitzt, angesprochen. Zwar zieht sich dann das Thema Botox wie ein roter Faden durch die Sendung, von einer Themen-Show wie bereits gehabt, ist man aber weit entfernt. Das gefällt, denn der rote Fade beschreibt die klare Linie, die die Show jetzt hat. Zwischendurch geht Pocher noch den Weg der Interaktion mit dem Publikum, fragt seine Gäste beispielsweise nach Erlebnissen in der Sommerpause, was jedoch bei der Ausstrahlung (größtenteils) rausgeschnitten wurde. Pocher ist von Beginn an nicht allein auf der Bühne seines eigenen Studios, sondern schart seine Gäste um sich, spricht mit ihnen, scherzt mit ihnen und führt mit ihnen an der Hand durch die Sendung. Die Gäste sind nicht nur da, um ihre neuen CDs oder ihre Tourneen anzukündigen und langweilige Gespräche zu führen, sondern in die Show selbst integriert. Mehr noch: Sie sind nicht nur ein Teil der Show, sondern tragen diese teilweise in Teilen mit. Eine Bereicherung ist hier auch Cindy aus Marzahn, die nicht nur aufgrund des Running-Gags, sie übernehme die Show (Pocher selbstkritisch: „Das wäre gar nicht so schlecht für die Sendung“), ein dankbarer Gast ist. Cindy aus Marzahn interagiert mit Pocher, wird gelegentlich sogar zum heimlichen Sidekick, der dem Host Pocher unterstützend zur Seite steht. Das tut der Sendung richtig gut, belebt die fast schon tot geglaubte «Oliver Pocher Show» und wirkt auch in den Gesprächsinhalten vielmehr lockerer und spontaner. Dies hat den weiteren Vorteil, dass Pocher die Sendung nicht gänzlich alleine stemmen muss, sondern willkommene Hilfen an seiner Seite hat. Wirkten Gespräche auf dem Studiosofa in der Vergangenheit eher verkrampft, allein mit dem Ziel am Ende auf die Promotion des Gasts zu sprechen zu kommen, so ist dieser Teil dadurch, dass die Gäste schon von der ersten Minute an Teil der Show sind – und möglicherweise auch ein Grund dranzubleiben -, lebhaft geworden. Erfrischend sogar.
Das geht zu Lasten eines fehlenden Stand-Ups zu Beginn der Sendung, was vielleicht in kurzer Form nicht schaden kann. Auch entsteht aus einer anderen Perspektive zunächst der Eindruck, dass «Die Oliver Pocher Show» schon gleich am Anfang ihr Pulver verschießt, weil die Vorfreude auf den Auftritt der Gäste schon zu Beginn genommen wird. Dem ist aber nicht so. Die Gäste sind auch in Verbindung mit der Studioaktion eine Ergänzung – hier dem Spritzen von Botox bei Pocher durch einen fachkundigen Arzt, was auch weit vorne beim Ablauf der Show stand. Erst durch Sprüche und Spontaneitäten von Gästen wie Cindy aus Marzahn beispielweise wird die Aktion wirklich witzig. Pochers Mut muss an dieser Stelle ebenfalls herausgestellt werden, aber auch hier hat der Comedian eine charmante Wirkung, die Sympathien für ihn und seine Show sensibilisieren. Letztlich haben die Aktionen im Studio sehr viel Potenzial und das Studio bietet nun dafür die perfekte Plattform. Dann sind da noch die oftmals gescholtenen Parodien von Pocher, die in den Einspielern geblieben sind und für die er aus «Schmidt & Pocher»-Zeiten ein Fabel entwickelt hat. Als „Straßencobra“, eine Persiflage auf Bushido, ist er auf der Spielemesse gamescom unterwegs gewesen. In «Pocher konkret» interviewt er sich selbst als Lothar Matthäus. Und als Angela Merkel bietet er einen Clipshow-Podcast mit lustigen Filmchen aus dem Internet. Letztlich sind die Parodien natürlich nicht besser geworden und kommen an «Switch Reloaded»-Qualität nicht im Ansatz heran. Aber einen gravierenden Unterschied gibt es dennoch: Denn sie passen deutlich besser zu den Inhalten und bilden mit ihnen eine Symbiose, die dafür sorgt, dass der Einspieler tatsächlich auch lustig ist. Das heißt im Umkehrschluss, dass die Parodien gar nicht gut oder origninalgetreu sein müssen, sondern den Witz beziehungsweise die witzige Idee nur untermalen sollen.
Merkel lustige Videos aus dem Internet zeigen und mit Internetabkürzungen wie „Rofl“ oder „LoL“ hantieren zu lassen, ist eine willkommene Abwechslung. Die Merkel-Parodie passt hier deutlich besser, zumal die Clips auch jeweils gut ausgewählt worden sind. Den Lothar Matthäus macht Oliver Pocher sogar recht ansprechend und verzichtet auf seine Society-Figur Sylvia Constanze von Weischenhirn bei dem Interview-Einspieler, als welche er sich zuletzt gern verkleidete. Sondern stellt als Oliver Pocher die Fragen, während seine Matthäus-Parodie antwortet. Und hier liegt der Fokus dann auf dem Inhalt, der gut rüber kommt, und nicht auf der Parodie, die eine Nebenrolle spielt. Geblieben sind noch jene Einspieler, bei denen Pocher Festivals wie die gamescom stürmt. Dies ist auch gut, denn darin liegt seine große Stärke und so bleibt es hier auch konstant lustig. Allein die Übergänge und Ansagen zwischen Einspielfilmen und Studiointeratkion wirken noch etwas holprig und ausbaufähig. Geblieben ist auch DJane Miss Leema, die aber nicht mehr hoch oben thront, sondern dezent an der Seite ihren Platz gefunden hat. Das macht zumindest auch mehr her, wobei eine Showband musikalisch eine weitere Bereicherung wäre, vielleicht auch in Verbindung eines Musik-Gastes eher von Vorteil.
Richtig witzig wird es dann im dritten Teil der Show als Pocher für und mit Cindy aus Marzahn ein Double von ihr selbst via Telefon im Studio buchen möchte und den Mitarbeiter der Booking-Agentur ("Das Cindy-Double ist jedes Gramm wert") auflaufen lässt und an der Nase herum führt. Improvisationstalent und Spontaneität kommen zum Tragen, zentrale Faktoren auch von Pochers Show ansich. Eine weitere Studio-Aktion, deren Fazit nur „vollkommen gelungen“ lauten kann. Mehr davon, bitte! Denn solche elementaren Bausteine tragen maßgeblich zum Gelingen des neuen Showkonzeptes bei. Der Einspieler zur neuen Rubrik «Olli e.V.» ist auch eine Augenweide. Er befasst sich mit einem Kölner Lachclub, der einfach nur lacht. Entstanden ist ein Show-Beitrag, der auch zum „Totlachen“ ist. Auch hiervon würden wir gerne mehr sehen. Denn wenn Oliver Pocher weitere lustige Vereine in Köln und Umgebung (davon gibt es einige) besucht, darf man schon gespannt sein. Immerhin mag dieser Teil auch in Anlehnung an «Rent a Pocher» zu sehen sein, überzeugte der Comedian dort doch vor allem durch solche komödiantischen Reportagen, welche ihm auch besonders liegen.
Letztlich hat «Die Oliver Pocher Show» mit ihrer neuen Ausrichtung nach der Sommerpause einen Schritt in die richtige Richtung gemacht. Zwar baut das Gesamtkonstrukt maßgeblich auf die Integration der Gäste in die Show selbst auf, doch ist auch nicht jeder Gast ein klammheimlicher Sidekick wie Cindy aus Marzahn. Es ist also Fingerspitzengefühl gefragt. Über gute Studio-Aktionen und auch gut dosierte Einspielfilme wird man die Sendung aber dennoch auf einem witzigen Level halten können. Auch ist «Die Oliver Pocher Show» sehr stark auf Spontanes und Improvisiertes ausgerichtet, so dass nicht immer vorhersehbar ist, wie witzig die Sendung am Ende werden wird. Doch viel, viel lustiger ist sie schon geworden. Wichtiger noch ist, dass Oliver Pocher als Sendergesicht von Sat.1 auch seiner eigenen Sendung endlich ein Gesicht gegeben hat. Die lange Findungsphase mit diversen Konzeptänderungen scheint abgeschlossen, man weiß in welche Richtung es gehen soll. Die richtige Richtung ist es zudem.