Von «Pushing Daisies» zu «Pinocchio»: Bryan Fuller hat ein neues Projekt. Wie stehen die Erfolgschancen?
Vergangene Woche meldete das Branchenblatt Variety, dass die Warner Bros. Studios eine Realfilmadaption von Carlo Collodis Kinderbuchklassiker «Pinocchio» plant. Der Namenspate des Kindertellers in Tausenden von Eisdielen dürfte der Filmwelt bestens aus Walt Disneys zweitem abendfüllenden Zeichentrickfilm bekannt sein. 1940 schickte sich der Trickfilmpionier an, mit seiner Version der Geschichte seinen Welterfolg «Schneewittchen und die sieben Zwerge» künstlerisch und technisch zu übertrumpfen. Ein Vorhaben, das gemessen an den zeitgenössischen Kinoeinnahmen, vor allem aufgrund des Zweiten Weltkrieges, nicht erreicht wurde, sehr wohl aber in den Augen einiger Filmhistoriker. Und auch meiner Meinung nach. «Schneewittchen und die sieben Zwerge» ist vielleicht historisch bedeutsam, die Filmdramaturgie alterte allerdings eher bescheiden, nimmt man die rosarote Brille der Kindheitsnostalgie oder der filmgeschichtlichen Verklärung ab.
«Pinocchio» dagegen ist hervorragend gealtert und verkauft sich selbst siebzig Jahre nach Kinostart ausgesprochen gut. Wieso also eine Neuverfilmung?
Für einige sicherlich eine berechtigte Frage. Aber ganz gleich, wie zufrieden ich mit Disneys Version der Geschichte bin, so sehe ich ungebrochen Luft für andere Adaptionen. Vorlagengetreuer müssten sie nicht zwangsweise sein, denn Collodis Geschichte geht mit heutigen Erwartungshaltungen nicht mehr ganz konform. Aber so wie Disney die Geschichte verdrehte, könnten es andere Filmemacher theoretisch gerne erneut machen. Und für diese Verfilmung von «Pinocchio» versammelte sich ansehnliches Talent: Bryan Fuller, der Kopf hinter «Dead Like Me» und «Pushing Daisies» wird das Drehbuch verfassen, Dan Jinks («American Beauty», «Big Fish») wird als Produzent tätig sein.
Und dennoch: All meiner Aufgeschlossenheit gegenüber Neuverfilmungen zum Trotz, hege ich Bedenken und frage mich, warum dies sein muss. Wenn auch aus anderen Gründen, als die steten Gegner von Neuadaptionen. Ich gönne mir nämlich einen kleinen Anflug von Empathie für die Filmschaffenden. Denn an einen Erfolg mag ich einfach nicht glauben. 2002 wurde der letzte groß gestartete Pinocchio-Film, Roberto Benignis erste Regiearbeit nach «Das Leben ist schön», von Kritikern gnadenlos zerrissen und vom Publikum gemieden. Er erhielt sogar als einziger nicht-englischsprachiger Film mehrere Nominierungen für die Goldene Himbeere. Allein in Italien war er ein mäßiger Erfolg, dessen Einnahmen jedoch weit hinter dem Budget zurückblieben.
Generell scheint das Publikum keine Nicht-Disneyfilme von Stoffen zu meiden, aus denen ein Disney-Zeichentrickfilm gesponnen wurde. 2003 nahm P. J. Hogans aufwändige Realverfilmung von «Peter Pan» in den USA nicht einmal die Hälfte seines Budgets ein. Durch das internationale Einspiel konnte er sich gerade bei 120 Millionen Dollar einpendeln, 20 Millionen über den Filmkosten. Kein rechter Erfolg. Ist die Disney-Verfilmung die bekannteste, ziehen alle Neuverfilmungen den kürzeren. Man muss schon Filme wie «Robin Hood» drehen, da hat man als Filmemacher noch eine Chance, denn Disneys Zeichentrickversion gehört in diesem Fall ausnahmsweise zu den unbekannteren Versionen.
Oder aber, man arbeitet mit Disney zusammen. Dann kann man ebenfalls auf Erfolg hoffen. Stephen Hereks «101 Dalmatiner» wurde mit Glenn Close zum Welterfolg und erhielt vier Jahre später eine Fortsetzung mit Gérard Depardieu als Star der Pelzmodenszene. Und dieses Jahr durchbrach «Alice im Wunderland» die Milliardengrenze. Ein Erfolg, den Disney wiederholen möchte: Derzeit ist eine Realverfilmung von «Cinderella» in Planung sowie eine Spielfilm-Romantikkomödie über die Fee Tinkerbell, in der Elizabeth Banks («Scrubs») die Hauptrolle übernimmt.
Ich? Ich bin einfach nur gespannt. Bryan Fuller könnte einen interessanten «Poinocchio» abliefern, weshalb ich dem Projekt die Daumen drücke. Aber für Fuller wäre es erfahrungsgemäß klüger, sich mit diesem Film an Disney zu wenden.