Richterspruch

Der Richterspruch: Die RTLisierung greift um sich

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Bei RTL sind alle Sendungen gleich und der „Haufen des Monats“ für «Unter Uns»: Christian Richters Rückblick auf den September.

Das Thema des Monats:


Die RTL-Castingshow «Das Supertalent» ist zurück. Und zwar mit mehr Ausgaben als je zuvor. Kein Wunder, werden doch die Darbietungen diesmal noch mehr künstlich in die Länge gezogen als bisher. Jeder Bewerber erhält nun seinen eigenen überflüssigen Einspieler und darf darin unterlegt mit dramatischer Klaviermusik seine persönliche (Leidens-)Geschichte erzählen. Beim Auftritt wird danach jedes noch so kleine Zögern der Jury mit einem brachialen Paukenschlag, schier endloser Stille und einem künstlichen Herzschlag verstärkt. Billiger und einfallsloser kann man Spannung und Gefühle nicht inszenieren. Wenn eine Nummer dann irgendwann vorbei ist, folgen unzählige Wiederholungen aus allen Perspektiven in plumper Schwarz-Weiß-Optik. Ein winziger Auftritt kann so auf eine Viertelstunde ausgeweitet werden. So haben in den zweistündigen Ausgaben erschreckend wenig Bewerber Platz. Völlig unnötig, haben sich doch in diesem Jahr fast 41.000 Menschen beworben. Wo sind die bloß alle geblieben?

Was haben persönliche Schicksalsschläge überhaupt mit der Bewertung eines Talents zu tun? Wieso müssen diese derart öffentlich breit getreten werden? Ohne den Verlust eines geliebten Menschens oder einer unheilbaren Krankheit, scheint kein Kandidat mehr in die Show kommen zu können. Dabei ist man doch auf der Suche nach herausragenden Leistungen und nicht bei «Deutschlands tragischste Geschichten». Der Sender selbst prägte dafür vor kurzem in einem anderen Zusammenhang den Begriff des „Emotainments“.

Die künstliche Verlängerung unspektakulärer Ereignisse und die übertriebene Zurschaustellung von persönlichen Schicksalen wird bei RTL jüngst inflationär verwendet. Diese „RTLisierung“ macht kaum noch vor einem Format halt und führt dazu, dass alle Produktionen des Senders gleich und austauschbar sind. Egal ob «Supertalent», «DSDS», «Die 25...» oder die täglichen «Punkt»-Magazine. Überall der gleiche Mist.

Die Zahl des Monats:


RTL probierte am 04. September zunächst einmalig den argentinischen Showimport «101 Wege aus der härtesten Show der Welt» aus. Das witzige Konzept verkam jedoch dank der allgemeinen RTLisierung zum üblichen Einheitsbrei und nahm dem Format jeden Unterhaltungswert. Unmittelbar vor jedem Rauswurf wurde das Unvermeintliche mit einem nicht enden wollenden Countdown und erneutem künstlichem Herzschlag unnötig in die Länge gezogen. Als der Abschuss dann endlich erfolgte, schlossen sich die obligatorischen Wiederholungen aus gefühlten 50 Kameraeinstellungen an. Hier hätte es der Show wirklich gut getan, auf die künstliche RTLtypische Spannung zu verzichten und stattdessen auf Tempo und Schadenfreude zu setzen. Aber dieses Kapitel scheint im RTL-Handbuch zu fehlen.

Erbärmlich war auch die Auswahl der „prominenten“ Spieler. Mit den «Big Brother»-Bewohnern Iris Katzenberger (Mutter von Doku-Sternchen Daniela) und Porno-Klaus sowie Call-In-Moderatorin Bettie Ballhaus und AstroTV-Gesicht Malkiel traten Menschen an, die kaum jemand außer deren engsten Angehörigen kannte. Wenn es so schwer ist, bekannte Teilnehmer für die Show zu finden, sollte man vielleicht wieder auf klassische „Normalos“ setzen. Doch diese Gattung scheint im deutschen Fernsehen mittlerweile ausgestorben zu sein.

Lieblinge des Monats:


Diese kommen in diesem Monat wie zu erwarten nicht von RTL. Mit der Rückkehr von «Harald Schmidt» am Donnerstagabend ging auch das «ARD Sommerkino» zu Ende. Dort war während der vergangenen Monate jede Woche eine hervorragende Auswahl von Spielfilmen zu sehen. Darunter befanden sich Meisterwerke wie «Brokeback Mountain», «Three Burials», «Departed – Unter Feinden», «Tödliche Versprechen», «Little Children», «The Escapist» oder «Dan – Mitten im Leben». Die meisten von ihnen wurden wenige Wochen später noch einmal im WDR wiederholt.

Bereits im August lief mit «Me, too – Wer will schon normal sein?» ein besonderer Geheimtipp in den deutschen Kinos an. Der spanische Film von Álvaro Pastor Gaspar und Antonio Naharro handelt von Daniel, der obwohl er am Donw-Syndrom leidet, ein Studium abschließt und eine Arbeit in einem Büro beginnt. Dort verliebt er sich unglücklich in seine Kollegin, denn zwischen ihnen steht mehr als nur die unterschiedliche Chromosomenzahl.
Die Geschichte basiert frei auf dem Leben des Hauptdarstellers Pablo Pineda, der tatsächlich als erster Mensch mit Trisomie 21 einen Uni-Abschluss erhielt. Pineda zeigt in seinem Debüt, was für ein hervorragender Schauspieler er ist und steht seiner brillanten Partnerin Lola Dueñas in nichts nach. Und das nicht nur, weil er eine Behinderung hat. Erfrischend ist es auch, dass die Story erst nach Daniels Abschluss ansetzt und er damit nicht mehr um eine soziale Anerkennung kämpfen muss. So bleibt viel Raum für die Liebesgeschichte, die zeigt, dass auch Menschen mit Behinderungen unter Liebeskummer und Herzschmerz leiden können. Schön inszeniert und sehr gut synchronisiert. Wer ihn noch nicht gesehen hat, sollte das schnellstens nachholen.

Der Aufreger des Monats:


Die allumfassende RTLisierung lässt selbst den Quiz-Klassiker «Wer wird Millionär?» nicht unverschont. Seit der Rückkehr aus der Sommerpause und der Reduzierung der potentiellen Kandidaten auf fünf Stück kommen auch dort nur noch Menschen in die Sendung, die eine interessante Geschichte erzählen können oder ein besonderes Hobby haben. Nicht mehr Wissen ist entscheidend, sondern ein möglichst großer Showfaktor. So sitzen Günther Jauch fortan merkwürdige Gestalten in auffälligen Kostümen, mit sonderbaren Haarfarben und kuriosen Jobs gegenüber. Einen Vorgeschmack auf deren Macken gibt die neue ausführliche Vorstellung der Kandidaten zu Beginn einer neuen Runde. RTL gleicht damit das nicht verbesserungswürdige und bewährte Konzept seinem übrigen Emotainmentbrei an. Mal sehen, wann Frau Katzenberger auf dem Stuhl sitzen wird und das Verlesen der korrekten Antwort mit einem eingespielten Countdown herausgezögert wird.

Der Haufen des Monats:


Den Preis für den größten Dünnpfiff des Monats erhält – wer hätte es gedacht? – ebenfalls der Sender RTL für die jüngsten Entwicklungen in seiner Soap «Unter Uns». Dort wurde kürzlich die Rolle der Anna Weigel zum zweiten Mal umbesetzt. Um diesen Recast inhaltlich plausibel zu machen, erlitt die „alte Anna“ einen tragischen Unfall, bei dem sie sich durch heißes Frittierfett das Gesicht verbrannte. Es waren dadurch mehrere Operationen nötig, die ihr Gesicht so sehr veränderten, dass sie nicht einmal mehr von ihrer Mutter erkannt wurde. Selbstverständlich blieb nach der OP nur das neue Gesicht und nicht etwa eine Narbe zurück. Dafür schrumpfte die Figur um ein paar Zentimeter und bekam eine neue Augenfarbe. Das sind Geschichten, die das Leben schreibt...

Und sonst noch...


...nervt es bei RTL, dass egal welches Format man schaut, sämtliche Höhepunkte bereits in den Zusammenfassungen zu Beginn der Sendung oder in einer Vorschau vor dem Werbeblock verraten werden. Letztlich reicht es sich nur noch diese beiden Elemente anzuschauen. Der Rest des Programms besteht sowieso nur noch aus Countdowns, langgezogenen Pausen und künstlichem Herzschlag.

«Der Richterspruch»: Christian Richter blickt bei Quotenmeter.de auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Wochen zurück und kürte die „Lieblinge“ und den „Haufen“ des Monats.

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