Die Kino-Kritiker

«Metropolis»

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Anti-Utopie anno 1927: Fritz Langs Mammutwerk «Metropolis» kehrt zurück in die Kinos. Lesen Sie in unserer Kritik nach, ob sich der Kinobesuch nur für Filmhistoriker lohnt.

Ein Stück Filmgeschichte kehrt zurück: Nachdem vergangenes Jahr die restaurierte Langfassung von «Metropolis» im Rahmen der Berlinale aufgeführt und beim Kultursender Arte ausgestrahlt wurde, können sich Filmbegeisterte aus Deutschland Fritz Langs Science-Fiction-Monumentalwerk endlich auch im Kino bewundern. Es ist nicht bloß eine Chance für Filminteressierte, die imposanten Kulissenbauten auf der großen Leinwand zu erleben. Es ist auch eine Chance für «Metropolis», ein Moment der Geschichtsberichtigung: Die letzte deutschlandweite Wiederaufführung erlebte er 1984 als Kunstexperiment des Schweizer Filmkomponisten Giorgio Moroder. Koloriert, beschleunigt und mit Popmusik unterlegt mutierte «Metropolis» zu einem polarisierenden Monument der Popart, verlor dabei seine eigene Identität.

Dass Warner Bros. «Metropolis» mit 30 durch die gesamte Republik wandernden Kopien auf eine Wiederaufführungs-Tour schickt, ist deswegen nicht bloß als freundliche Geste für historisch bewanderte Filmkenner zu verstehen, sondern auch als lobenswerter Versuch, «Metropolis» ein größeres Publikum zu erschließen. Denn selbst jungen Gelegenheitskinogängern hat «Metropolis» einige Reize zu bieten, genügend Sitzfleisch und Aufgeschlossenheit gegenüber schwarz-weißen Stummfilmen selbstverständlich vorausgesetzt. Wer sich mit Händen und Füßen wehrt, braucht sich von seinen filmvernarrten Freunden gar nicht erst reinschleppen zu lassen, wer aber nur einen Funken Neugier in seinem Leibe trägt, sollte das Experiment unbedingt eingehen.

Die Antiutopie zeichnet eine futuristische Großstadt, in der die Klassen ganz scharf voneinander getrennt sind. Die Wohlhabenden leben in prächtigen Wolkenkratzern und lassen es sich in dekadenten Gartenanlagen gut gehen, während sich die Arbeiterklasse unter der Erde abrackert. Als sich der Industriellen-Sohn Freder in die Arbeiterführerin Maria verliebt und ein schweres Arbeitsunglück mit ansehen muss, beschließt er, sich für die unterjochte Klasse einzusetzen. Freders Vater, ein einflussreicher Industriemagnat, interessiert sich aber nicht für die Probleme der Arbeiter. Statt seinen Sohn zu unterstützten, setzt er ihm einen Spitzel auf den Hals, der in Erfahrung bringen soll, weshalb Freder neuerdings in den unterirdischen Fabriken umherwandert. Außerdem befiehlt der Industrielle dem verrückten Wissenschaftler Rotwang, seiner neu geschaffenen Menschmaschine, Marias Aussehen zu verleihen. Durch die falsche Maria getäuscht, sollen die Arbeiter kleingehalten werden. Rotwang verfolgt in Gedenken an seine einstige Liebe Hel jedoch andere Pläne…

H.G. Wells bezeichnete die Handlung von «Metropolis» als schwülstige Aneinanderreihung von Klischees sei. Auch andere zeitgenössische Autoren verrissen die pathetische und in sich teils widersprüchliche politische Aussage des Films. Andererseits verteidigen nunmehr viele Filmhistoriker auch die inhaltlichen Aspekte von «Metropolis». Die Wahrheit liegt, wie so oft, wohl irgendwo dazwischen. Versteht man «Metropolis» nicht als Anleitung zum Kampf gegen unmenschliche Technisierung und als überspitzte Abbildung der gesellschaftlichen/wirtschaftlichen Realität, sondern als eine Diskussionen anregende Parabel, so ist «Metropolis» in seinen Gedankengängen zwar gewiss voller Sentimentalitäten, dennoch sehr interessant zu verfolgen. Dies liegt vor allem an der Inszenierung. Fritz Lang vollbrachte es, die Handlung trotz überromantisierter Ansichten intellektuell sehr involvierend einzufangen.

Spricht man heutzutage über «Metropolis», so ist es allerdings vor allem seine technische Seite, die ihn zu einem der wichtigsten Dokumente der deutschen Filmgeschichte macht. Mit einem unnachgiebigen Perfektionsdrang mussten für Lang gigantische Kulissen gebaut werden, ein Heerschar von über 35.000 Statisten wurde von Lang wie Marionetten befehligt, um die Massenszenen mit nachhaltiger Kraft auf Zelluloid zu bannen. Durch spezielle Aufnahmeverfahren ließ man die Darsteller zwischen Miniaturmodellen auftreten, welche später als überlebensgroße Bauten erschienen. Das expressionistische Design der Metropole fand über die Jahrzehnte Eingang ins kollektive Bewusstsein. Queen nutzte es in einem Musikvideo, zahllose Sci-Fi-Filmer orientierten sich bei ihren Schreckensmetropolen an Fritz Langs wegweisendem, technologischen Schauermärchen. «Blade Runner» wäre ohne «Metropolis» wohl undenkbar, genauso wie Terry Gilliams «Brazil». Und C3PO sähe ohne seine Vorläuferin Hel garantiert vollkommen anders aus. Fritz Langs Wahn, der den Schauspielern sehr zugesetzt haben soll, ist es zu verdanken, dass «Metropolis» noch heute erstaunlich gut aussieht. Gerade die Massenszenen in der Arbeiterstadt verblüffen trotz geänderter Sehgewohnheiten, die das theatralisch-übertriebene Spiel in «Metropolis» und zahllosen anderen Stummfilmen hin und wieder albern wirken lassen.

Die restaurierte Fassung, die mit fast 30 wiederentdeckten (anhand der Kratzspuren leicht zu erkennenden) Minuten ins Kino kommt, fügt «Metropolis» zwar einige unnütze Füllmomente hinzu, vergrößert jedoch vor allem die Rolle von Fritz Rasp. Seine Figur des „Schmalen“ wurde Mitte 1927 in der Kurzfassung von US-Verleih Paramount nahezu zum Statisten degradiert, wobei gerade seine schwer durchschaubare Charakterisierung des Handlangers von Frederers Vater «Metropolis» einige zusätzliche, schauspielerisch besonders engagierte Momente verleiht.

Bevor das seit langem angedrohte Remake von «Metropolis» in die Kinos kommt, und alle Welt über Liebeskitsch und offensichtliche CGI-Effekte die Augen verdreht, sollte sich also jeder Sci-Fi-Interessierte selbst etwas gutes tun und das Original im Kino betrachten. Der Film von 1927 ist zwar trotz Meisterwerk-Status inhaltlich nicht frei von Pathos, einige seiner Beobachtungen werden allerdings wohl nie an Relevanz verlieren. Der Gesamtfluss der Handlung geht nicht mehr ganz mit modernen Sehgewohnheiten konform, dennoch entwickeln die Kernszenen eine derartige Sogkraft, dass die über 140 Minuten schnell verfliegen. Inszenatorisch bleibt «Metropolis» nach 84 Jahren überragend.

Die Wiederaufführung von «Metropolis» startete am 12. Mai.

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