Die Kino-Kritiker

«Cowboys & Aliens»

von
Von Jon Favreau kommt ein Genre-Mix, der nur bedingt begeistern kann – Daniel Craig und Harrison Ford überzeugen.

Der Filmtitel allein lässt Genrefans vor Freude im Takt auf und ab hüpfen. Es gibt Cowboys, die lässig und cool auf ihren Pferden reiten, und immer für eine Schießerei am O.K. Corall bereit sind. Es gibt Aliens, die gefährlich und geheimnisvoll eine Invasion vorbereiten und ganz nebenbei wissenschaftliche Experimente an Menschen durchführen. In der Mitte befindet sich Regisseur Jon Favreau, der für dieses Genre-Crossover ein nettes Sümmchen von 163 Millionen Dollar ausgegeben hat, um mit Produzent Steven Spielberg in diesem wetterbedingt trüben Sommer das nächste Alieninvasion-Projekt an den Mann zu bringen. Mit James Bond und Indiana Jones hat man zusätzlich noch zwei Actionhelden in die Schlacht mit einbezogen und mit Dreizehn hat man den beiden alten Herrschaften eine junge Frau zur Seite gestellt, die den nötigen Flair mit in den Film bringen sollte. Doch am Ende war «Cowboys & Aliens» ein Spektakel, welches nie richtig zündete.

New Mexico, 1873: Ein Mann (Daniel Craig) wacht schwer verwundet in der Ödnis der Wüste auf und hat keinerlei Erinnerungen. Das Foto einer unbekannten Frau und die merkwürdige Handschelle an seinem linken Arm geben ihm keinerlei Informationen über seine Identität und wie er mit einer blutenden Wunde in die Wüste gekommen ist. Kurz darauf hat der Fremde es mit drei Schurken auf Pferderücken zu tun, die sich auf dem Weg zur nachhallenden Stadt Absolution befinden. Die Schurken sind Kopfgeldjäger, haben sich jedoch den falschen ruhigen Mann für ihre neue Tat ausgesucht. In Sekunden sind die drei Schurken tot und der Unbekannte hat eine Pistole, ein Hut, ein Pferd, aber immer noch keine Identität.

Nachdem der Unbekannte Absolution erreicht hat, macht er Bekanntschaft mit dem örtlichen Prediger Meacham (Clancy Brown), welcher seine Wunde versorgt, dem naiven Saloon-Besitzer Doc (Sam Rockwell), dem kühnen Sheriff Taggart (Keith Carradine), sowie den verwöhnten und rotznäsigen Percy (Paul Dano), der sich gerade durch die Stadt durchschießt. Sie haben nicht nur untereinander mit Problemen zu kämpfen, sondern nun auch mit dem mysteriösen Neuling in der Stadt, dessen Wanted-Plakat im Büro des Sheriffs hängt. Doch bevor der Unbekannte, der als Jake Lonergan identifiziert wurde, mit Informationen über seine Identität die Stadt wieder verlassen kann, wird er vom Sheriff gefangen genommen, sowie vom reichen Rancher Woodrow Dolarhyde (Harrison Ford) gesucht, dessen Gold von Jake gestohlen wurde. Zur Exekution wird es jedoch nicht kommen, als zum gleichen Zeitpunkt mehrere Raumschiffe die Stadt angreifen und ihre Bewohner von den nicht freundlich gesinnten Besuchern in die dunkle Nacht gefischt werden, als seien sie schwimmende Fische in einem wasserfreien Meer.

«Cowboys & Aliens» ist nicht das erste Crossover, in welchem der Wilde Westen mit einem anderen Genre gepaart wird, erweckt jedoch fälschlicherweise den Eindruck, etwas vollkommen Neues zu sein. Schon 1966 ließ die Regie-Legende William Beaudine zwei altbekannte Wildwest-Legenden mit zwei altbekannten Horrorlegenden anbandeln, als Billy the Kid gegen Dracula antrat («Billy the Kid vs. Dracula»), und Jesse James sich im Schloss von Dr. Frankensteins Enkelin versteckte («Jesse James Meets Frankenstein's Daughter»). 1969 sagte Jim O'Connolly sogar den Plot von «Vergessene Welt: Jurassic Park» vorher, und ließ in «The Valley of Gwangi» einen Westernhelden einen Tyrannosaurus Rex fangen, damit das Monster in einem mexikanischen Zirkus untergebracht werden konnte. Zusätzlich ist «Cowboys & Aliens» nicht mal der erste Film, welcher das Westerngenre mit Science-Fiction verbindet. «Firefly»-Fans sehnen sich immer noch nach ihrer frühzeitig abgesetzten Serie, welche mit dem Kinofilm «Serenity» fortgesetzt wurde; und selbst ein Sean-Connery-Schinken wie «Outlaw» hat praktischerweise das Westernsetting auf einer Minenkolonie des Jupitermondes Io transportiert, und ließ den alternden Sheriff und Marshal gegen eine Bande Drogendealer antreten.

«Cowboys & Aliens» ist in der Tat nichts anderes als diese Low-Budget-Klassiker von vorvorgestern und heute, hat aber den Vorteil, dass er mit einem größeren Budget das Westerngenre mit dem gerade bei Filmemachern heiß begehrten Science-Fiction-Genre verbindet. Heraus kommt ein geradliniger Unterhaltungsstreifen, der ein wenig mehr Humor vertragen könnte und mit seiner düsteren Erzählweise den humorvollen Unterton der Charakterbeziehungen und des Konfliktes Cowboys und Apachen gegen Aliens völlig untergräbt.

So kurios es auch sein mag, der Genrebruch ins Science-Fiction-Gehege nach 30 Minuten modernen und fast exzellenten Western ist nicht gerade ohne Schmerzen von Statten gegangen. «Cowboys & Aliens» startet mit der furiosen Szene, in der Jake die drei Schurken tötet, und setzt mit der interessanten Story über Jakes Identität in der Stadt Absolution fort, welche sicherlich einen tollen Westernfilm abgegeben hätte - besonders wenn Harrison Ford seinen ersten Auftritt hat und zeigt, dass er auch gegen sein Schlafmittel-Image spielen kann. Der Konflikt der beiden Alphamänner war mit Abstand das Beste an «Cowboys & Aliens», da man hier das Gefühl hatte, dass Jon Favreau auch mit Charakteren arbeiten wollte. Doch sobald die Aliens angreifen, ist jeglicher Konflikt zwischen den Menschen verschwunden. Plötzlich befinden sich Jake und Woodrow, die sich noch vor zwei Minuten gegenseitig an die Gurgel gehen wollten, Seite an Seite in einem Kampf gegen Dämonen aus einer anderen Welt und die Hälfte der Absolution-Einwohner hat bei diesem Kampf auch noch ein Wörtchen mitzureden. Jedoch ohne eine Hintergrundgeschichte zu bekommen – die Einwohner werden stattdessen einfach in die Story geworfen, ohne dem Publikum einen Grund zu geben, für deren Überleben zu hoffen.

Der komplette Mittelteil des Films besteht dann aus Szenen und Handlungen, deren Länge der Dramaturgie nicht gerade gut tut. Die Frage, warum die geheimnisvolle Ella Swenson (Olivia Wilde) ein reges Interesse an Jake hat und seine Hilfe benötigt, wird erst mit einem Twist beantwortet, welcher Ellas vorherigen Handlungen ein wenig widerspricht; die Einführung von verschiedenen neuen Charakteren, größtenteils bestehend aus Jakes alter Gang, angeführt von Hunt (Walton Goggins), gerät zur Nutzlosigkeit, da diese nach wenigen Minuten wieder aus dem Narrativ verschwinden (nur, um später für die unausweichliche Schlacht zwischen den beiden Titelgruppen wieder ins Heldentum zu reiten); und die kurzen Momente, in denen durchscheint, dass eine der Charakterstorys doch einen Mehrwert hat, verschwinden nach einer kurzen Weile ins Nirwana. «Cowboys & Aliens» schmerzt daran, dass die verschiedenen Versionen der Drehbücher nur auf ein einziges Ziel hinausgehen: die finale Schlacht mit den Aliens. Alles andere hat in den zwei Stunden nämlich überhaupt keinen Mehrwert.

Vielleicht ist es auch kein Wunder, warum das Projekt in seinen 14 Jahren, in denen es in Entwicklung war, mehrere Male den Eigentümer wechselte und letztendlich realisiert wurde, weil Favreau den Filmtitel mehr als anspruchsvoll fand. Das Problem, welches «Cowboys & Aliens» letztendlich hat, ist der Genremix. Schon während des Marketings vor der Filmveröffentlichung war dem Publikum nicht klar, dass der Film mehr eine Achterbahnfahrt des Nervenkitzels ist, ähnlich wie die ersten Filme des «Alien»- und «Predator»-Franchises, und keine komödiantische Aufmachung des Western-Science-Fiction-Hybrids. «Cowboys & Aliens» nimmt sich stellenweise viel zu ernst, und lässt keinen Spielraum für lockere Töne, was im heutigen Westerngenre nicht schaden kann, in Verbindung mit Science-Fiction jedoch als Anker benötigt wird, um dem Publikum einen besseren Bezug zu den Charakteren zu geben. In einem Alieninvasion-Thriller ist nichts wichtiger, als den Zuschauer mit den Charakteren hoffen und leiden zu lassen, da anderweitig der Kampf Mensch gegen Alien zu einem Krampf verkommt, der das Filmerlebnis ungenießbar macht. Das letzte Beispiel «World Invasion: Battle Los Angeles» machte vor fünf Monaten denselben Fehler, und gilt vielleicht deshalb als der am schlechtesten aufgenommene Alien-Science-Fiction-Film zwischen «Cloverfield» und «Cowboys & Aliens».

Am Ende ist «Cowboys & Aliens» der perfekte Beweis, dass auch ein hoffnungsvoller Regisseur wie Jon Favreau ohne ein gutes Drehbuch aufgeschmissen ist und dass ein Science-Fiction-Film nicht durch seine soliden, aber zu allgemein wirkenden Effekte und seinen eingängigen Titel die Zuschauer begeistern kann. Der Film ist so geradlinig, dass selbst die Außerirdischen aussehen, als wären sie die Nachkommen der Alienkönigin, der Predators, und der Prawns aus «District 9»; und so vorhersehbar, dass das Ende absolut keine Überraschung mehr darstellen kann. Für die Darsteller, besonders Craig und Ford, war der Auftritt in «Cowboys & Aliens» eine Fingerübung – beide haben immerhin alles aus ihren Charakteren herausgeholt, was möglich war (was besonders bei Ford den positiven Eindruck erweckte, dass er wieder mit Spaß an einer Big-Budget-Produktion beteiligt war), doch am Ende ist der Genre-Hybrid nichts weiteres als heiße Luft, dem nach einer halben Stunde die Puste ausgeht. Scott Mitchell Rosenberg, der die Story ursprünglich als Comic konzipierte und nach langem Hin und Her 2006 sein Traumprojekt auf Papier und in Sprechblasen unterbringen konnte, hätte sich vielleicht ein wenig stärker in die Entstehungsphase des Films mit einbringen sollen. Das Endprojekt wirkt nämlich so, als wäre es das Beste aus dutzenden von Drehbuchversionen – was in diesem Fall allerdings bedeutet, dass „das Beste“ nur mittelmäßig war.

«Cowboys & Aliens» startet am 25. August 2011 in vielen deutschen Kinos.

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