Die Comiccharakter-Adaption von ABC aus dem Jahr 1992 lebte nur für sieben Folgen und hatte unter anderem mit der Sommerolympiade zu kämpfen
Es scheint bisher nur einzelnen Fernsehnerds aufgefallen sein, aber in Zukunft erwarten uns allerhand Comicverfilmungen in Serienform. Der Marvel-Charakter Jessica Jones ist seit zwei Jahren bei ABC Thema für eine Serienadaption, während Neuauflagen von «Der unglaubliche Hulk» und «The Punisher» ebenfalls im Gespräch der Network- und Cable-Executives sind. Nicht zu vergessen das angekündigte Showtimeprojekt «100 Bullets», sowie die schon lang erwartete Verfilmung von «Y: The Last Man», welches als TV-Adaption auf einem Kabelsender höchstwahrscheinlich eine größere Fangemeinde ansammeln kann als im Kino. Dass Comicadaptionen im TV nicht immer funktionieren, ist auch eine klare Sache. Zu kompliziert war es damals in den 1950er Jahren, Superman auf die Fernsehbildschirme zu bringen, zu teuer waren eine Handvoll Produktionen in den 1970ern, wie «The Amazing Spider-Man». In den nächsten vier Wochen wird „You are Cancelled“ sich mit allerhand kurzlebigen und nie ausgestrahlten Live-Action-Comicadaptionen beschäftigen. Denn insgeheim sind wir alle Nerds und benötigen die Sprechblasen für den Ausflug in eine andere Welt.
Bevor FOX vor zwei Jahren mit seiner schrulligen Adaption der Vertigo-Comicserie „Human Target“ und mit absurder Action und einen teils charmanten Christopher Chance, verkörpert von Mark Valley, daherkam, gab es auch schon mit ABC eine Adaption des Comiccharakters in 1992, welcher damals nur vereinzelt in DC-Comics erschien. Für ganze sieben Folgen überlebte «Human Target», welches sich im Vergleich zur FOX-Version zwar näher an der Comicvorlage befand, jedoch damals schon einige Freiheiten nahm, um Christopher Chance, verkörpert von Popstar Rick Springfield, seine Klienten der Woche zu retten. Schon in den «Action Comics» in 1972 übernahm Chance die vollständige Identität seines Klienten, samt Gesichtsmaske a la «Face/Off», um seinen von unbekannten Personen bedrohten Klienten zu beschützen, indem er sich als menschliche Zielscheibe in die Öffentlichkeit stellte. In der 1992er Adaption bekam Chance zusätzlich Hilfe vom exzentrischen Computerexperten Philo Marsden (Kirk Baltz), Chauffeur, Pilot und Koch Jeff Carlyle (Sami Chester) und Ex-CIA-Agentin Lilly Page (Signy Coleman). Reviews der Serie, dessen Pilotepisode schon 1990 produziert wurde, bezeichneten «Human Target» als 50 Prozent «Mission: Impossible» (die Künste des Tarnens) und 50 Prozent «Zurück in die Vergangenheit» (Chance im Leben eines neuen, zufälligen Charakters in jeder Episode).
Dass ABC den Piloten 1990 nicht zur Serie bestellte, ist zwar offiziell unklar, aber die erste Episode macht genau den Eindruck wie viele schnell zusammengeschnittene und mit billigem Geld produzierte TV-Piloten. «Human Target» überzeugte nicht nur nicht durch seine Action, sondern hat auch tatsächlich den Fehler gemacht, zu sehr an der Comicvorlage zu hängen. Für die Zuschauer, die an sechs Samstagen die Serie verfolgten, waren die Charakterwandlungen des Christopher Chance nicht nur albern, sondern auch schlecht in Szene gesetzt. Dass auch ABC kein redliches Interesse hatte, «Human Target» für eine Weile im Programm zu behalten, zeigte nicht nur die Platzierung im Samstagabend-Programm, sondern auch die Tatsache, dass die Hälfte der Episoden gegen die Sommerolympiade in Barcelona versendet wurden. Das „Interesse“ von ABC und den Zuschauern spiegelte sich auch in den Quoten wieder: Mit Marktanteilen zwischen neun und 12 Prozent fand die Serie sich regelmäßig unter den zehn quotenschwächsten Programmen der Woche wieder. Zum Vergleich: Die Samstagsübertragungen der Olympiade holten über 30 Prozent.
«Human Target» hatte dank des fehlenden Interesses seitens ABC also nie die Chance gehabt, sich als Serie zu etablieren. Zusätzlich hat in den Chefetagen zwischen der Produktion der Pilotfolge und der Serienbestellung wohl keiner erkannt gehabt, dass Rick Springfield, der sich zuvor mit seiner Musik und seiner Rolle in der Soap «General Hospital» zum Teenidol brandmarken ließ, als Christopher Chance völlig überfordert war. Der Großteil der Kritiken behaupteten, dass Springfield mehr als nur eine Fehlbesetzung für die Actionserie war. So war das völlige Vergessen der Serie nach sieben Episoden nur eine Frage der Zeit.
Das Interesse an Christopher Chance und «Human Target» blieb jedoch in den Köpfen der Comicschöpfer und -leser. 1999 definierte Peter Milligan den Charakter für den Vertigo-Verlag neu, und überzeugte Leser und Kritiker mit einer 4-Issue limitierten Serie, einem Graphic Novel („Human Target: Final Cut“ in 2002), und einer darauffolgenden 21-Issue-Serie (startend in 2003). In dieser wurde Chance als dunkler Charakter dargestellt, der mit seinen ständigen Identitätswechseln seine eigene Identität nach und nach verliert. Die Vertigo-Serie überzeugte 2009 offenbar auch die Chefs bei FOX, weshalb sie entschieden haben, eine weitere «Human Target»-Adaption auf die Fernsehbildschirme zu bringen, welche sich jedoch völlig von den Comics verabschiedete, und eine lockere Actionserie für Zwischendurch bot, die nach 25 Episoden wieder beendet wurde.