In der RTL-Sendung wird der Verzehr von alkoholischen Getränken geradezu verherrlicht. Zumindest bleibt dieser Eindruck beim Ansehen der aktuellen Staffel. Eine Beobachtung, die fatale Folgen haben kann...
Der RTL-Sendung «Schwiegertochter gesucht» wurde an dieser und anderen Stellen schon einiges vorgeworfen. Dabei reichte die Palette der Vorhaltungen von der öffentlichen Vorführung medienunerfahrener Kandidaten, der starken Lenkung ihrer Handlungen durch die verantwortlichen Redakteure bis hin zur Verfälschung der Ereignisse durch den Schnitt. Und auch wenn diese Mahnungen teilweise für die aktuelle Staffel aufrecht erhalten werden können, kommt eine neue, vielleicht noch gefährlichere Komponente hinzu. In der Show wird nämlich der Genuss von Alkohol erschreckend positiv und unkritisch dargestellt - fast schon glorifiziert. Das bezieht sich nicht nur auf die Menge, sondern auch die Art und Weise der Inszenierung. In unzähligen Szenen spielen alkoholische Getränke sowohl inhaltlich als auch optisch eine zentrale Rolle.
Schon in der ersten Ausgabe vom 04. September 2011 kommt nur durch den Verzehr von stark alkoholischer Bowle gute Stimmung zwischen Minigolf-Fan Marco und seinen Auserwählten auf. Als das Dreiergespann dann in der folgenden Episode vom 11. September gemeinsam eine Disco besucht, stoßen sie vor laufender Kamera mit Tequila an. Am darauffolgenden Morgen, der am 18. September gezeigt wurde, steht dann der Sekt sogar auf dem morgendlichen Frühstückstisch. Der fröhliche Feuerwehrmann Markus bietet seinem weiblichen Besuch in der zweiten Folge Mixgetränke auf Rum-Basis mit den Worten „Wenn schon Party, dann richtig“ an. Und auch der Frohsinn auf der Karaoke-Party vom sächsischen Büroangestellten Maik (am 18. September) sowie auf dem brasilianischen Abend von Friseur Sven (02. Oktober) basiert ausschließlich auf dem Alkohol. Zumindest wird dies durch Schnitt und Auswahl der Bilder suggeriert.
Auf den Gartenfesten von Pferdenarr Andreas wird am 09. und 16. Oktober fröhlich mit einem lauten „Prost“ angestoßen, während auf Marcos Party in der sechsten Ausgabe die Gäste ebenfalls Bier- und Sektflaschen in der Hand halten. Andis Grillabend wird am 18. September mit Wein versüßt und selbst auf dem rustikalen Grundstück vom feurigen Italiener Michele gibt es zwar kein warmes Wasser, aber eine Flasche Sekt, die Bewerberin Susann dann auch gleich mit Ankündigung fröhlich zum Schlafen mitnimmt.
Auch bei den romantischen Picknicks von Bäcker Andi und Feuerwehrmann Markus am 18. September sowie von Maik am 16. Oktober wird Sekt angeboten. Es scheint fast so, als ob sich eine Zweisamkeit nur unter Anwesenheit von Rauschmitteln erzeugen lässt. Warum sonst muss Maik, der am 09. Oktober mit seiner Freundin Julia in der Badewanne liegt, ausgerechnet in dieser Situation eine Weinflasche öffnen? Bei ihrer Massage in der Vorwoche steht ebenfalls Sekt auf dem Beistelltisch und selbst als der schüchterne Bäcker Andi der Frau seines Herzens, die Liebe gesteht, wird dies am 02. Oktober standesgemäß vor der Kamera mit Sekt begossen.
Besonders scheint übrigens Friseur Sven den Alkohol zu lieben - auch abseits des brasilianischen Abends. Das zumindest vermitteln die gezeigten Szenen. Schon beim ersten Aufeinandertreffen der Protagonisten am 25. September wird mehrfach angestoßen und der „gute Abgang“ des Getränks gelobt. Beim Anschauen alter Kinderfotos am 09. Oktober steht dann wieder Sekt auf dem Tisch und auch beim spontanen Schnittchen-Essen im eigenen Salon kann am 16. Oktober nicht auf das obligatorische, prickelnde Genussmittel verzichtet werden. Sogar beim gemütlichen Filmabend in der achten Folge sind wieder gefüllte Sektgläser auf dem Tisch zu erkennen.
Das ist sicherlich kein neues Phänomen. Angestoßen und öffentlich getrunken wurde bei Vera Int-Veens Schwiegersöhnen bereits in den vergangenen Jahren, doch scheint der Konsum in der aktuellen Staffel noch einmal deutlich gegenüber älteren Ausgaben angestiegen zu sein. Man mag dem entgegenhalten, dass es sich bei den dokumentierten Geschehnissen stets um besondere Anlässe handeln würde, bei denen es legitim sei, einen Schluck zu trinken. Doch tatsächlich bleibt der Eindruck der Bilder zurück, dass selbst nichtige Gelegenheiten zum Verzehr von Alkohol verwendet werden. Eine Partie Boccia im heimischen Schrebergarten (gesehen bei Pferdefreund Andreas) oder das Blättern in einem Fotoalbum ist wohl kaum besonders hervorhebenswert. Sicherlich werden die Ereignisse, die auf mehrere Tage verteilt sind in der Sendung stark verdichtet, wodurch auch der Alkoholkonsum stärker hervortritt. Doch selbst wenn man all das bedenkt und sogar davon ausgeht, dass in den nicht gezeigten Momenten kein Alkohol getrunken wird, ist das Ausmaß des Verzehrs noch immer alarmierend.
Dabei bleibt für Außenstehende unklar, ob der Impuls dabei von den Kandidaten selbst oder den anwesenden Redakteuren ausgeht. Das ist in diesem Zusammenhang auch unwesentlich und hier soll niemand dem Alkoholismus bezichtigt werden. Es ist jedoch verheerend, welches Bild auf diese Weise vermittelt wird. Dadurch, dass nämlich bei nahezu allen Picknicken, bei Badeszenen und Partys ganz deutlich (oft in Großaufnahme) angestoßen und Alkohol getrunken wird, verfestigt sich der Eindruck, dass es nur möglich ist Romantik mit Sekt und gute Laune mit Wein oder härteren Substanzen zu erzeugen. Und das kann und muss man den Machern vorwerfen, denn regelmäßig werden die Alkoholszenen auffällig inszeniert - oftmals sogar ohne dramaturgische Notwendigkeit. Wenn etwa Michele und Marina in einem Restaurant essen und anschließend über die Zukunft ihrer Beziehung sprechen, ist es völlig überflüssig vorher die Bestellung von Sekt und Wein beim Kellner zu zeigen.
Das Trinken von Alkohol ist nun einmal nicht nur lustig und kann bei übermäßigem Verzehr zu körperlicher und psychischer Abhängigkeit führen. Auch wenn dies mittlerweile jeder zu wissen scheint, wird diese Tatsache von den meisten Heranwachsenden und Erwachsenen noch immer nicht ernst genug genommen. Sendungen wie «Schwiegertochter gesucht» sind bei der Schaffung eines Bewusstseins für die Problematik wenig hilfreich. Das ist vor allem auch vor dem Hintergrund fatal, dass der Sender hauptsächlich junge Zuschauer ansprechen möchte.
Man mag diesem Artikel vorwerfen, dass er übertreiben würde, dass gegen einen Genuss von alkoholischen Getränken in Maßen nichts zu sagen sei, dass meist keine „harten“ Sachen getrunken werden und der Verfasser daher ein Spielverderber ist. Vielleicht mag man damit auch Recht haben, doch wenn man bedenkt, dass in Deutschland schätzungsweise bis zu zweieinhalb Millionen Menschen alkoholkrank sind und knapp zehn Millionen Personen Alkohol in bedenklicher Menge zu sich nehmen, bekommt diese Thematik eine Realität, die einen verantwortungsvollen Umgang der Medien mit der Materie nötig macht. Nicht zuletzt auch deswegen, weil jede Form von Alkohol in entsprechender Menge schädlich sein kann und gerade niedrigprozentige Mittel oft als Einstiegsdroge dienen. Dieser Aufruf gilt dann übrigens nicht allein «Schwiegertochter gesucht», sondern dem gesamten Fernsehprogramm. Allein in der jüngsten Ausgabe des Schwesternformats «Bauer sucht Frau» wurde ausnahmslos jede Frau, die auf einem Hof ankam, mit einem Glas Sekt begrüßt und auch das große Scheunenfest startete offiziell erst mit dem Anstechen des Bierfasses. Die Botschaft ist auch hier eindeutig: Ein Fest kann erst starten, wenn auch Alkohol ausgeschenkt wird.
Es bleibt daher zu hoffen, dass diese Problematik endlich erkannt und die Verherrlichung der Droge Alkohol deutlich reduziert wird. Es gibt auch eigentlich kein Argument dagegen, denn dem Unterhaltungswert der Sendung wird es wohl kaum schaden. Ein Picknick mit Orangensaft kann schließlich genauso romantisch sein. Und wenn die Kandidaten selbst nicht auf Alkohol verzichten wollen, so muss in der Endbearbeitung der Sendung darauf geachtet werden, dass er nicht eine derart übermäßige Präsenz hat.