Die Kritiker

«Sherlock: Ein Skandal in Belgravia»

von

Handlung


Nachdem Sherlock und Watson nur um Haaresbreite einer tödlichen Konfrontation mit ihrem mysteriösen Erzfeind Moriarty entgehen konnten, entspannt sich die Lage für das Ermittlerduo wieder. Wochenlang ereilen sie nur weniger komplexe, teils nahezu lapidare Fälle, was den genialen Meisterdetektiv schnell zu langweilen beginnt. Parallel zu dieser Reihe unspektakulärer Fälle steigt Sherlocks Popularität kontinuierlich an, was ganz offensichtlich Watsons viel besuchtem Blog zu verdanken ist, selbst wenn das Geige spielende Genie dies nur ungern bestätigen würde.

Die Monotonie der gewöhnlichen Auftragsarbeiten wird unterbrochen, als Sherlocks beim britischen Geheimdienst angestellter Bruder Mycroft den Detektiven aus der Baker Street eine gleichermaßen pikante wie bedeutsame Mission anvertraut. Ein junges, weibliches Mitglied der Königsfamilie wurde von der gewieften Domina Irene Adler in kompromittierenden Situationen fotografiert. Da Mycroft seinen eigenen Leuten nicht traut, soll sein jüngerer Bruder der verruchten Dame die Aufnahmen entlocken. Und das, selbstredend, möglichst diskret.

Zu Sherlocks Erstaunen steht ihm Irene Adler hinsichtlich Eloquenz und Kombinierfähigkeiten in Nichts nach, der größte Unterschied zwischen den scharfsinnigen Kontrahenten ist, dass Sherlock unterkühlt ist und menschlicher Gefühlsduselei nichts abgewinnen kann, während Adler ein sehr sinnlicher, körperlicher Mensch ist. Bei ihrem ersten Aufeinandertreffen wirft Sherlock diese ihm komplett entgegen gesetzte Art auch tatsächlich aus dem Konzept, so dass Adler schließlich mit ihrem Smartphone mitsamt allerlei prekären Daten entkommen kann. Ein komplexes Intrigenspiel nimmt seinen Lauf, in dessen Zuge sich für die Freunde des erstmals niedergeschlagenen Sherlocks die Frage stellt, ob der von ihnen stets als gefühlsimmun eingeschätzte Kriminalist eine Schwäche für seine aufreizende Gegenspielerin entwickelte ...

Darsteller


Benedict Cumberbatch («Dame König As Spion») ist Sherlock Holmes
Martin Freeman («Breaking & Entering») ist Dr. John Watson
Lara Pulver («True Blood») ist Irene Adler
Una Stubbs («Mist: Sheepdog Tales») ist Mrs. Hudson
Mark Gatiss («The First Men in the Moon») ist Mycroft
Andrew Scott («Silent Things») ist Jim Moriarty
Louise Brealey («Casualty») ist Molly Hooper

Kritik


Die erste Staffel der britischen Serie «Sherlock», die den weltberühmten Meisterdetektiven aus der Feder von Sir Arthur Conan Doyle neu interpretiert und in die Gegenwart versetzt, war ein voller Erfolg. In Großbritannien schalteten bis zu 9,18 Millionen Menschen ein, in Deutschland hatten alle drei Episoden konstant über drei Millionen Zuschauer und erwiesen sich vor allem bei den jüngeren Zuschauern als sehr populär. Offenbar war die Mundpropaganda äußerst positiv, lief die zweite Staffel im Vereinigten Königreich durchweg besser als die Vorgängerstaffel. Der dringlichste Einschaltgrund für den Staffelstart stellte dabei die Auflösung des hochspannenden Cliffhangers dar, mit dem die Serie ihre dritte Folge abschloss.

Das Warten hat sich gelohnt: Autor und Serien-Mitschöpfer Steven Moffat («Doctor Who») befreit seine Protagonisten glaubwürdig sowie mit Dramatik und sprühendem Witz aus der brenzligen Falle ihres Erzfeindes Moriarty. Nach der furiosen Eröffnung schaltet «Sherlock: Ein Skandal in Belgravia» kurzfristig einen Gang zurück; der Schnelldurchlauf durch einige lapidare Fälle gibt den Zuschauern gleichermaßen Gelegenheit zum Lachen und dazu, sich wieder an der herrlichen Figurendynamik zu ergötzen.

Die überaus stark ausgeprägte komödiantische Note der Serie, die sowohl britisch-trocken als auch spritzig-modern ist, wird ein wenig zurückgeschraubt, sobald Irene Adler die Bühne betritt. Zwar lockern ab dann weiterhin vereinzelte, stets einfallsreiche Randgags die Atmosphäre auf, doch die ausgebuffte Domina bringt vor allem eine verruchte, bedrohlich-attraktive Ausstrahlung mit sich. Die von Lara Pulver brillant gespielte Schurkin wirft zahlreiche Fragen auf und bietet Sherlock deutlich undurchschaubarer, hintersinniger Paroli als die bisherigen Antagonisten der Serie.

Die Umdeutung von Adler als bisexuelle Domina ist eine gewagte, die manche Puristen abstoßen könnte, allerdings fügt sie sich sehr clever in die bisherige Serienwelt von Moffat und Mark Gatiss ein. Als ebenso sinnliche wie scharfsinnige Verführerin bietet sie einen hervorragenden Gegenpol zu Benedict Cumberbatchs asexuellen, den Menschen entrückten Kühlkopf. Zudem nutzen die Serienmacher diese Widersprüche für eine explosive Chemie zwischen den beiden Figuren, die zu zahlreichen spannenden, aber auch manchen urkomischen Momenten führt. Das Zusammenspiel zwischen Adler, Watson und Holmes ist es dann auch, welches im Zentrum dieses Staffelauftakts steht. Der äußerst komplexe Fall selbst gerät darüber zwischendurch in den Hintergrund, was allerdings dem Überraschungseffekt seiner zahlreichen Wendungen zugute kommt.

Die sich ihrer großen und diskussionsfreudigen Fanbase bewussten Serienmacher verrennen sich zwischendurch etwas zu sehr darin, augenzwinkernd auf mögliche Kuppelungen unter den Figuren anzuspielen, sie reizen die ironische Idee eines Liebesdreiecks zwischen Watson, Holmes und Adler so weit aus, wie es im Rahmen des Subtexts möglich ist. Dennoch verliert «Sherlock: Ein Skandal in Belgravia» den Kern der Serie nie aus den Augen und bietet eine gleichermaßen spannende wie vergnügliche Kriminalgeschichte im Geiste der Romanvorlagen von Sir Arthur Conan Doyle, die sich intelligent den medialen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts bedient. Die Hauptdarsteller Cumberbatch und Freeman verschmelzen noch enger mit ihren Rollen, als es noch während der ersten Staffel der Fall war, und auch die visuellen Einfälle seitens Regie und Schnitt sind noch beeindruckender. Die geniale erste Staffel erhält somit eine mehr als würdige Fortführung.

Das Erste strahlt «Sherlock: Ein Skandal in Belgravia» am Donnerstag, dem 17. Mai 2012, um 20.15 Uhr aus.

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