Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Kitsch wider Willen

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 192: Eine Telenovela, die keine sein wollte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir eines weiteren misslungenen Versuchs, den ARD-Vorabend zu verjüngen.

«Sophie – Braut wider Willen» wurde am 08. November 2005 im Ersten geboren und entstand zu einer Zeit, als das deutsche Fernsehen das Format der Telenovelas entdeckte und nach Deutschland zu importieren versuchte. Mit «Bianca – Wege zum Glück» und insbesondere «Verliebt in Berlin» gelang dies kurz zuvor äußerst erfolgreich. Nun wollte also auch die ARD an diesem neuen Trend teilhaben und ließ eine eigene Produktion für das brachliegende Vorabendprogramm konzipieren.

Offenbar angespornt durch den Erfolg der Dokusoap-Reihen «Das Schwarzwaldhaus 1902» und «Abenteuer 1900 – Leben im Gutshaus» spielte auch die neue Serie in vergangenen Zeiten, nämlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In ihrem Zentrum stand die Adlige Sophie von Ahlen, die sich in den armen Handwerkersohn Max verliebte. Weil es aber die Gepflogenheiten der damaligen Zeit verboten, eine derartige Verbindung mit einem Nicht-Adligen einzugehen, schien diese Liebe keine Zukunft zu haben. Stattdessen sollte sie einen reichen Industriellen heiraten, der das vor dem Ruin stehende Gut finanziell retten konnte.

Neben der dramatischen Geschichte über die Überwindung von gesellschaftlichen Schranken sollte vor allem die detailgetreue Darstellung der Vergangenheit die Zuschauer beeindrucken. Daher wurde bei der Produktion sehr viel Wert auf Ausstattung und Kostüme gelegt, die so originalgetreu wie möglich gehalten werden sollten. Einen erheblichen Anteil des Budgets verschlangen allein die historischen Kleider und Haarteile. In den Fernsehstudios in Berlin-Adlershof, wo nebenan auch «Verliebt in Berlin» entstand, wurden zudem riesige und aufwendige Sets errichtet, die unter anderem einen kompletten Marktplatz sowie die Kulisse eines Schlosses umfassten. Gezielt versuchte man sich dadurch von den übrigen täglichen Serien und ihrem billigen Look abzuheben. Daher zögerte der Kanal selbst auch davor, das Ergebnis als „Telenovela“ zu bezeichnen und beschrieb es stattdessen als „Vorabendserie im historischen Gewand“.

Konsequent blieb man in der Darstellung der Vergangenheit jedoch nicht, denn die Sprache der Figuren wurde eher zeitgenössisch angelegt, um die anvisierten jungen Zuschauer nicht zu vergraulen. Der damalige ARD-Programmdirektor bezeichnete dieses Verfahren als Verbindung der „Erzählweise einer modernen Serie mit einer historischen Szenerie“, um auf diese Weise „den romantischen Aspekt der Liebesgeschichte“ noch steigern zu können.

Dem Anspruch, vor allem jüngere Menschen ansprechen zu wollen, war es dann auch maßgeblich zuzurechnen, dass die Hauptrolle mit Yvonne Catterfeld besetzt wurde, die zuvor in der (vor allem bei jungen Zuschauern) beliebten RTL-Soap «Gute Zeiten, Schlechte Zeiten» mitwirkte. Auf diese Weise sollten möglichst viele Soap-Fans angelockt werden. Ein Schachzug, der auch bei Alexandra Neldel und «Verliebt in Berlin» gut funktionierte. Nicht unerheblich dürfte aber auch die Tatsache gewesen sein, dass mit der UFA Film & TV Produktion für «Sophie» jene Firma verantwortlich war, die auch «GZSZ» herstellte. Mit seiner Ausstrahlung um 18.50 Uhr schloss sich das neue Format zudem direkt an die ARD-Seifenopern «Verbotene Liebe» und «Marienhof» an.

All die Mühe schien jedoch vergebens zu sein – zumindest wenn man den Kritikern der damaligen Zeit Glauben schenkte. Sie bemängelten die romantisierte und verkitschte Darstellung der Zeit, die platten Dialoge und die erzwungenen Parallelen zur Gegenwart. Yvonne Catterfeld musste sich fortwährend mit der Filmfigur Sissi (bzw. ihrer legendären Darstellerin Romy Schneider) vergleichen lassen, was jedoch aufgrund der auffallenden Ähnlichkeit nahe lag. Stefan Niggemeier erinnerte die Figur der Sophie gar an das Hanuta-Mädchen, das durch damalige Werbespots geisterte.

Zu einer ähnlich schlechten Meinung schienen auch die damaligen Zuschauer gekommen zu sein, denn das Format konnte die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der Auftakt verlief zwar mit insgesamt 2,91 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe von 12,1 Prozent noch recht erfreulich, immerhin konnte die Serie die bisherigen Werte des Sendeplatzes um ein Drittel steigern, doch schon schnell sanken die Werte erheblich ab. Dennoch beschloss das Erste, die Reihe, die vorerst auf 30 Folgen beschränkt war, um weitere 35 Ausgaben zu verlängern und ließ die Option offen, den Auftrag auf 130 Episoden zu erweitern. Weil das Zuschauerinteresse Woche um Woche aber weiter sank und nur noch Zielgruppen-Marktanteile um neun Prozent erreichte, wurde im Dezember 2005 das Ende der teuren Serie offiziell bekannt gegeben. Sie wurde jedoch nicht vorzeitig abgesetzt oder im Nachtprogramm versteckt, sondern erhielt einen ordentlichen Abschluss auf dem gewohnten Sendeplatz.

«Sophie – Braut wider Willen» wurde am 09. März 2006 beerdigt und erreichte ein Alter von 65 Folgen. Die Serie hinterließ die Hauptdarstellerin Yvonne Catterfeld, die anschließend vermehrt in TV- und Kinofilmen mitspielte und ihre Gesangskarriere weiter verfolgte. Alle Episoden der Reihe sind mittlerweile übrigens vollständig und kostenlos über das Videoportal myvideo.de verfügbar. Der Sender Sat.1 versuchte rund ein halbes Jahr später mit «Unter den Linden» und «GZSZ»-Star Nina Bott in der Hauptrolle ein ähnliches Konzept noch einmal zu verwirklichen, scheiterte daran aber ebenfalls.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann der offiziellen Selbstbeweihräucherung von Thomas Gottschalk.

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