Die Kino-Kritiker

«Heiter bis wolkig»

von

Tim erobert Marie durch eine makabre Mitleidsnummer. Problem: Maries Schwester ist tatsächlich todkrank. Ein unausgeglichener Mix aus Komödie und teils kitschigem Drama.

Es ist immer eine Gratwanderung, wenn in Komödien ernstere Töne angeschlagen werden sollen und Krankheiten thematisiert werden. Dann kommt schlussendlich nicht selten ein emotionales Drama dabei heraus. Doch es muss nicht immer die Tränendrüse sein, die gedrückt wird, sobald ein unheilbar kranker Protagonist die Bildfläche betritt. Das zeigten in der Vergangenheit zum Beispiel der kompromisslos derbe «Unzertrennlich» über zwei am Bauch zusammengewachsene siamesische Zwillinge, inszeniert von den für ihren oft schmerzhaften Humor bekannten Farrelly-Brüdern. Aus deutscher Sicht überzeugte der von Florian David Fitz geschriebene «Vincent will meer» über einen jungen Mann mit Tourette-Syndrom durch eine völlig unverkrampfte natürliche und charmante Herangehensweise an ein äußerst schwieriges Genre. Nun ist Axel Staeck, der Drehbuchautor von «Heiter bis wolkig», nicht Florian David Fitz und Regisseur Marco Petry kein Farrelly. Und so erinnert ihre Liebesgeschichte zunächst an das deutsche Pendant «Wo ist Fred?», bevor sie schließlich in einem Drama über Leben und Tod mit der oben beschriebenen Tränendrüse stagniert.

Tim (Max Riemelt) und Can (Elyas M‘Barek) sind beste Freunde. Und beste Freunde teilen alles – manchmal auch bescheuerte Ideen. So haben sie zum Beispiel eine besondere Masche, um Frauen rumzukriegen: Sie geben sich als unheilbar krank aus. Hat bisher immer super funktioniert. Bis sich Tim in Marie (Anna Fischer) verliebt. Denn Maries Schwester Edda (Jessica Schwarz) ist tatsächlich todkrank. Tim bleibt nichts anderes übrig, als weiter den Kranken zu spielen – auch vor Edda.

Die durchschaut natürlich schnell, dass Tim nur simuliert. Anstatt ihn jedoch auffliegen zu lassen, bietet sie ihm einen Deal an: Wenn sich Tim „kooperativ" zeigt, wird sie das Geheimnis für sich behalten und seiner Liebe zu Marie nicht im Weg stehen. Schnell findet sich Tim in den absurdesten und verrücktesten Situationen wieder...

Mit der Besetzung hat man im Grunde nichts falsch gemacht: Deutschlands gefragter Jungstar Max Riemelt spielt zusammen mit Anna Fischer, Elyas M’Barek aus der erfolgreichen TV-Serie «Türkisch für Anfänger» (neuerdings ja auch kinoerprobt) und der erfahrenen Jessica Schwarz. Talentierte Jungschauspieler, die unverbraucht und frisch sind. Dieser Schachzug scheint schon einmal geglückt. Allerdings bleiben die Darsteller mit Ausnahme von Schwarz deutlich hinter ihren möglichen Leistungen zurück. Riemelt und Fischer als Pärchen in spe wirken auf den ersten Blick harmonisch, jedoch erhalten die beiden nach ihrem erstmaligen Aufeinandertreffen kaum Spielzeit zu zweit. Fischer als Marie und somit Schwester der kranken Edda dient oftmals nur dazu, Konflikte heraufzubeschwören und sich von ihrer Schwester im Stich gelassen zu fühlen. Die Auftritte von M’Barek als Freund Tims sowie die von Johann von Bülow als Arzt und Dieter Tappert (besser bekannt als Comedian Paul Panzer) als cholerischer Küchenchef sind erst gar nicht der Rede wert. Stattdessen rückt die Beziehungsentwicklung zwischen Edda und Tim immer stärker in den Fokus.

Und die ist zwischenzeitlich sogar recht amüsant. Wenn Tim und Edda zusammen ins Blumengeschäft einsteigen, in dem Edda früher als Floristin gearbeitet hat, und nun ihrer Chefin eins auswischen will. Jessica Schwarz dominiert mit ihrer Art deutlich das Geschehen und punktet mit teils derben Sprüchen und makabrem Humor, vor allem aber mit ihrer großartigen Schauspielleistung. Zwar dauert es einige Zeit, bis die 35-jährige das erste Mal auftaucht, doch dann werden ihre Kollegen sofort an die Wand gespielt. Sie bewältigt die ihr anvertraute Aufgabe, eine krebskranke Frau kurz vor ihrem Tod zu mimen, mit Bravour. Dabei zeigt sie sowohl ihr lachendes als auch tieftrauriges Gesicht und kann dadurch jegliche Sympathien für sich verbuchen.

Leider zieht das Drehbuch da nicht immer mit. Deutet sich gerade zu Anfang eine harmlose Komödie mit zwei Jungs in ihrer Selbstfindungsphase an, steht am Ende ein emotional-getränktes Schicksalsdrama über Schuldzuweisungen und lebensverändernde Handlungen. Da wundert es dann auch kaum, dass die Beziehung zwischen Tim und Edda immer mehr fruchtet, während die zwischen Tim und Anna zu scheitern droht. Zudem werden standardisierte dramaturgische Phrasen gedroschen, getreu dem Motto: „Es muss erst jemand sterben, bevor etwas passiert.“ Die teils moralisch interessanten Aspekte, ob zum Beispiel eine fristlose Kündigung seitens des Arbeitgebers gegenüber einer unheilbar kranken Mitarbeiterin gerechtfertigt ist, werden einfach links liegen gelassen. So überkommt gen Ende gar der Kitsch, wenn sich die Hauptfiguren weinend in den Armen liegen.

Für eine Komödie ist der anteilige Humor zu dürftig, für ein vollwertiges Drama der tragische Anteil nicht ausgereift genug. Dennoch überzeugen die beiden Hauptakteure, wenn auch die Geschichte deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Hier hätte eine Festlegung auf lediglich ein Hauptgenre wohl wesentlich besser funktioniert. So schwankt der Zuschauer zwischen belanglosen Witzen, tragischen „Abschied vom Leben“-Momenten und bittersüßen Liebesbildern. Vollständig abgeholt wird er zu keiner Zeit.

«Heiter bis wolkig» startet am 6. September in den deutschen Kinos.

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