Die Kino-Kritiker

«The Cabin in the Woods»

von

«The Avengers»-Regisseur Joss Whedon und «Cloverfield»-Autor Drew Goddard mischen das Horrorgenre auf.

Joss Whedon ist in diesem Jahr endgültig in der Welt der hochbudgetierten Blockbuster angekommen. Nachdem der Autor und Regisseur in der Vergangenheit mit der Serie «Buffy» (1997-2003) sowie deren Spin-Off «Angel» (1999-2004) vor allem im Fernsehbereich zunächst starke Aufmerksamkeit auf sich ziehen konnte, blieb im Anschluss daran eine Fortführung dieses großen Erfolgs vorerst aus. Dennoch erlangten seine hochgelobten Folgearbeiten wie die vorzeitig abgesetzte Science-Fiction-Western-Serie «Firefly» (2002-2003) und deren nicht minder sehenswerte Kinofortsetzung «Serenity» (2005) oder auch das großartige Internet-Musical «Dr. Horrible’s Sing-Along Blog» (2008) über die Zeit einen beachtlichen Kultstatus. Doch erst in diesem Frühjahr konnte der comicversierte Whedon ein breites Kinopublikum vollends von seinen Fähigkeiten überzeugen, als die akribisch vorbereitete und von ihm sowohl geschriebene als auch inszenierte Superhelden-Zusammenkunft «The Avengers» ihren Siegeszug um die Welt antrat und am Ende mit einem internationalen Einspielergebnis von rund 1,5 Mrd. US-Dollar mal eben zum drittertragreichsten Film aller Zeiten avancierte.

Mit der für ihn typischen und sich vor allem in geschliffenen Dialogen äußernden großen Portion Humor und einer spürbaren Liebe zu seinen Figuren konnte Whedon seinen Film aus dem Blockbustereinheitsbrei herausstechen lassen und für nahezu perfekte Popcornunterhaltung sorgen. Mit diesem Rückenwind startet nun der eigentlich schon im Jahr 2009 realisierte Horrorfilm «The Cabin in the Woods» schließlich in den Kinos, bei dem Whedon an Produktion und Drehbuch beteiligt war. Das Skript erarbeitete er gemeinsam mit Drew Goddard, seines Zeichens unter anderem Autor des innovativen Mockumentary-Monsterfilms «Cloverfield» (2008). Goddard, der bereits an «Buffy» und «Angel» als Schreiberling mitwirkte, liefert mit «The Cabin in the Woods» nun auch zugleich sein Regiedebüt. Und damit hätte er es wahrlich schlechter treffen können. Der Film profitiert von den Stärken seiner beiden Autoren und ist mit vielen originellen Ideen abseits ausgetretener Pfade gleichermaßen Horrorhommage und -persiflage. Trotz des durchweg hohen Unterhaltungsfaktors hinterlässt er am Ende aber einen etwas zwiespältigen Eindruck.

Die Grundlage der Erzählung bildet die allzu vertraute Geschichte einer Gruppe College-Studenten (u.a. Chris Hemsworth), die ein aufregendes Wochenende in einer abgeschiedenen Waldhütte verbringen möchte. Erwartungsgemäß lässt das Grauen nicht lange auf sich warten und die fünf Freunde müssen um ihr Leben bangen. Doch ist hier nur wenig so, wie man vermuten könnte. Jemand im Hintergrund scheint die Ereignisse ganz genau geplant zu haben und im Verborgenen die Fäden zu ziehen. Je näher die ahnungslosen Studenten der Wahrheit um die geheimnisvolle Hütte allerdings kommen, desto auswegloser droht ihre Situation zu werden.

Joss Whedon und Drew Goddard machen nicht lange einen Hehl daraus, dass es sich bei «The Cabin in the Woods» um alles andere als einen gewöhnlichen Horrorschocker handelt. Mit zahlreichen Anspielungen, erfrischenden Einfällen und vor allem viel Witz erheben sie sich gegen althergebrachte Konventionen des Genres und enttarnen zugleich auf subtile Weise dessen angestaubte und nicht selten regelrecht hirnrissige Mechanismen. Dafür verschreiben sie sich mit ihrem Film an der Oberfläche genau jenen Mustern, die viele herkömmliche Genrevertreter kennzeichnen. Hierbei ergibt sich jedoch bereits ein kleines Problem für den Fortlauf der Handlung. Zwar verstehen es Goddard und Whedon die von ihnen bewusst bedienten Teenie-Horror-Klischees gekonnt und intelligent aufzubrechen, doch ändert dies nichts daran, dass die Hauptfiguren weitestgehend blass bleiben. In der Tat dürfte dies gar im Sinne des gesamten Vorhabens sein, worauf zwischenzeitlich auch kurz angespielt wird, doch wird dies mit dem Preis bezahlt, dass dem Zuschauer das Schicksal der Protagonisten bis auf eine oder zwei eventuelle Ausnahmen herzlich egal sein dürfte.

Spannung erzeugt «The Cabin in the Woods» also weniger durch das Mitfiebern mit den Figuren als vielmehr durch den ungewöhnlichen, an dieser Stelle nicht näher ausgeführten Handlungsüberbau sowie die zahlreichen skurrilen Ideen. Goddard und Whedon wecken zweifellos die Neugier darauf, was nun genau hinter den mysteriösen Geschehnissen steckt und welche neue Überraschung sie hinter der nächsten Ecke parat halten, bis sich das Ganze schließlich in einem turbulenten und auch nicht mit Brutalität geizenden Finale entlädt, das jedoch hier und da ein wenig über das Ziel hinaus schießt. Zwar macht auch die maßlos übertriebene und darin durchaus ihren Zweck erfüllende letzte Viertelstunde des Films weiterhin Spaß, doch wäre hier etwas weniger am Ende vielleicht doch mehr gewesen.

Die treffsichere Dekonstruktion von Teilen des Horrorgenres schwingt nach wie vor mit und wird keineswegs völlig aus den Augen verloren, rückt aber dadurch ein wenig in den Hintergrund, dass ihr nun kaum noch weitere erhellende Facetten hinzugefügt werden können. Die zuvor so regelmäßig auftretenden Wendungen und überraschenden Enthüllungen bleiben weitestgehend aus oder können nur noch leidlich begeistern, sodass die Handlung des Films an sich insgesamt nicht auf ganzer Linie zu überzeugen weiß. Dabei hat wohl spätestens Edgar Wrights Actionkomödie «Hot Fuzz» (2007) eindrucksvoll demonstriert, dass ein Film einerseits zwar die Regeln eines Genres meisterlich auf die Schippe nehmen, auf der anderen Seite aber dennoch eine von vorne bis hinten packende Handlung erzählen kann.

«The Cabin in the Woods» bleibt jedoch nichtsdestotrotz ein besonderes Stück Kinounterhaltung. Allein schon für die außergewöhnliche Grundidee und den in mancher Hinsicht durchaus geglückten Versuch, dem Horrorgenre einige frische Impulse zu geben, gebührt Joss Whedon und Drew Goddard Anerkennung. Viele amüsante und zitatenreiche Einfälle und Anspielungen lassen dabei vor allem die Herzen von Horrorfans und -experten höher schlagen. Dennoch hätte bei diesem grundlegenden Potential in der Tat auch etwas noch Größeres entstehen können. Langweilig ist das abgedrehte Geschehen aber nie. Den größten Spaß bietet der Film allerdings zweifellos, wenn man im Vorfeld so wenig wie möglich über ihn weiß.

«The Cabin in the Woods» ist ab dem 6. September in vielen deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/58946
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