Die Kino-Kritiker

«Wie beim ersten Mal»

von

Kay möchte die Ehe mit ihrem Mann Arnold wieder auf Vordermann bringen. Das gelingt allerdings nur bedingt.

Spielfilme mit dem Thema Liebe oder Hochzeit bestehen meist aus einem jungen Paar, das sich zwar wahnsinnig gern hat, aber irgendwie gemeinsam nicht so recht miteinander kann. Und oftmals entpuppen sich diese als Komödien beworbenen Beiträge als kitschige Romanzen ohne jeglichen Nährwert. Dass dies auch anders sein kann, bewies zuletzt der herrlich schräge Verlobungsakt «Fast verheiratet». Doch auch hier waren die Hauptpersonen relativ jung. Das andere Extrem zeigt nun «Wie beim ersten Mal». Die Protagonisten sind in die Jahre gekommen und das Problem ist nun nicht die gewollte, aber nie zustande kommende Hochzeit, sondern die Instandhaltung der Ehe. Und diese Prozedur gestalten die beiden Hauptdarsteller in einer so ernsten Weise, dass genau das schon wieder unglaublich komisch ist.

Seit 30 Jahren sind Kay (Meryl Streep) und Arnold Soames (Tommy Lee Jones) verheiratet. Wie viele andere Paare haben sich die beiden im Laufe ihrer Ehe so sehr aneinander gewöhnt, dass mittlerweile jeder Tag einer fast choreografiert wirkenden Routine folgt. Die Kinder sind längst aus dem Haus und zum Hochzeitstag schenkt man sich praktische Dinge. Doch insgeheim sehnt sich Kay nach mehr. Ein wenig Liebe, vielleicht ab und zu sogar Leidenschaft. Arnold dagegen will einfach seine Ruhe.

Doch schließlich hält es Kay nicht länger aus: sie nötigt den störrischen Arnold zu einer Reise in das romantische Städtchen Hope Springs, um sich in die Hände des berühmten Eheberaters Dr. Bernard Feld (Steve Carell) zu begeben. Ihren Mann dorthin zu bekommen, war schon schwer genug. Als es jedoch darum geht, die festgefahrene Ehe-Routine und sogar die eingeschlafenen und noch nie besonders experimentierfreudigen Schlafzimmergewohnheiten auf den Kopf zu stellen, beginnt für Kay und Arnold das eigentliche Abenteuer. Ob ihr Ausflug den gewissen Funken in der Ehe wieder entfachen kann…?

Regisseur David Frankel kann sich nach seiner Zusammenarbeit mit Meryl Streep in «Der Teufel trägt Prada» erneut auf deren großartige Schauspielkunst verlassen. Die mehrfache Oscarpreisträgerin verkörpert ihre Figur der traurigen Familienmutter dermaßen leichtfüßig, dass man ihr jedes Wort und jede Tat sofort abnimmt. Der sonst für eher außergewöhnliche Rollen engagierten Streep (singend in «Mamma Mia!», böse in «Der Teufel trägt Prada», eisern in «Die eiserne Lady») wurde mit der Hausfrau Kay ein weitaus schwierigerer Charakter anvertraut. Während etwa eine arrogante Zeitschriften-Chefin gerade das gewisses Maß an Overacting fordert, muss Streep als Ehefrau und Mutter jetzt das genaue Gegenteil tun: natürlich und normal wirken, wie aus dem Leben gegriffen. Und diese Aufgabe meistert die Schauspielerin in jeder Sekunde.

Dazu kommt der wunderbare Tommy Lee Jones als Streeps Filmgatte. Wie es der Zuschauer aus seinen Auftritten in der «Men in Black»-Reihe oder im Coen-Thriller «No Country for Old Men» gewohnt ist, fällt erst einmal seine unverwechselbare kauzige Ader auf. Wenn er denn mal spricht, bestehen seine Sätze meist aus wenigen Worten, den Rest erledigt seine faltige und teils brüllend komische Mimik. Er ist der Mann, der das Geld nach Hause bringt. Und dann bitteschön hat er auch das Anrecht auf einen neuen Golfsportkanal und ein fertiges Essen nach getaner Arbeit. Seine Frau scheint ihm dabei völlig egal zu sein. Doch bei all der miesen Laune von Arnold offenbart dieser Charakter im Laufe der Geschichte eine liebenswerte Art. Jones dabei zuzusehen, wie er diese entdeckt und letztendlich ausfüllt, macht ungeheuren Spaß.

Sowieso sollte man sich fragen, weshalb noch niemand vor Regisseur Frankel auf die Idee kam, Jones und Streep als Paar agieren zu lassen. Die beiden zugegeben schon etwas älteren Kaliber Hollywoods harmonieren perfekt. Sie haben ihre Figuren hervorragend angelegt und lassen sie mit Leidenschaft und Überzeugung leben. Daraus entsteht eine Ernsthaftigkeit, die die Handlung benötigt, um seriös zu wirken. Dennoch ist auch Platz für Alltagskomik und leisen Humor, der nie peinlich oder störend ist, sondern immer genau passt. So dürfen sich Kay und Arnold wieder neu kennenlernen und wir folgen ihnen durch warmherzige und gefühlvolle Momente, aber auch durch tragische und melodramatische. Themen wie Sex im Alter werden dabei behutsam aufgegriffen und undaufdringlich, trotzdem bewusst inszeniert und vermittelt. Die Zerrissenheit des Paares macht sich besonders bei den Beratungsstunden bemerkbar. Je nach den Vorfällen des letzten Tages rutscht Arnold entweder ein Stückchen näher an Kay heran oder etwas weiter weg. Feinheiten, die in einer solchen Geschichte ein besonders großes Ausdrucksvermögen besitzen.

Angenehm zurückhaltend spielt unerwartet Steve Carell, der in seiner filmischen Vergangenheit eher durch Grimassen und Sprüche klopfen auffiel. Als Eheberater hätte man ähnliches annehmen können. Allerdings dient sein Part dazu, Kay und Arnold aus den Reserven zu locken. Das gelingt dem Comedian, indem er auf jeglichen Holzhammerhumor verzichtet. Eine Nebenrolle zwar, jedoch eine immens wichtige. Ebenso wie die tolle Kameraarbeit von Florian Ballhaus, der sein Handwerk genauso gut beherrscht wie sein Vater und den Darstellern somit die verdiente Bühne bietet.

Jüngere Kinobesucher werden sich bei den Wortgefechten wohl weitestgehend langweilen und an Meryl Streep und Tommy Lee Jones wenig Gefallen finden. Älteren Zuschauern dagegen sei «Wie beim ersten Mal» wärmstens ans Herz gelegt. Frankels Werk sind wundervolle 100 Minuten mit skurrilen Situationen, traurigen sowie herzergreifenden Phasen und zwei grandiosen Hauptdarstellern. Der Regisseur darf sich glücklich schätzen, Meryl Streep und Tommy Lee Jones für dieses Stück gewonnen zu haben. Hollywood hat ein neues Traumpaar – und von dem würden wir gerne noch viel mehr sehen.

«Wie beim ersten Mal» startet am 27. September in den deutschen Kinos.

Kurz-URL: qmde.de/59356
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