Während sich die ganz junge Generation gewundert haben dürfte, was ihr RTL am Freitagabend wieder für eine neue Show auf Sendung geschickt hat, werden sich die etwas betagteren Zuschauer wohl eher gefragt haben, wo genau die Holländerin mit dem lustigen Akzent bei der neuesten Ausgabe der «Traumhochzeit» ist. Immerhin moderierte Linda de Mol alle 92 Ausgaben zwischen 1992 und 2000 und auch beim längst vergessenen ZDF-Versuch vor vier Jahren, das angestaubte Format wiederzubeleben, stand sie vor der Kamera. Da dieses Wagnis misslang und de Mol zuletzt auch mit «The Winner is...» floppte, setzten die Kölner für ihre neueste Neuauflage auf die deutlich jüngeren und unverbrauchteren Susan Sideropoulos und Yared Dibaba. Doch (nicht nur) diese Entscheidung entpuppte sich als deutlicher Fehlschlag.
Eigentlich hätte man schon nach wenigen Minuten erahnen können, dass einem hier alles andere als ein Sternstück moderner deutscher Unterhaltung serviert wird. Schon bei der Begrüßung gibt sich das Moderationsduo viel Mühe, möglichst hipp, locker und total lustig zu wirken - sehr viel Mühe, nein, zu viel Mühe sogar. Sideropoulos und Dibaba gehen zwar kurz auf die Geschichte des Formats ein, doch mehr als eine kurze Erwähnung, dass man ja "die Sektglas-Pyramide" spielen werde und der augenzwinkernden Bemerkung, dass "Linda de Mol nun schwarz" sei, kommt hierbei nicht herum. Trotzdem, hier hätte man noch viel retten können, denn welcher alteingesessener Fan lässt sich nach über zwölf Jahren Wartezeit schon von einer leicht misslungenen und nervös wirkenden Anmoderation abschrecken?
Doch statt relativ schnell auf irgendeine Art und Weise ein Highlight folgen zu lassen, lassen sich die Macher danach viel Zeit dafür, die drei glücklichen Kandidatenpaare vorzustellen - sehr viel Zeit, nein, zu viel Zeit sogar. Nach einem kurzen Plausch, in dem die Moderatoren allen Ernstes Fragen wie "Wie sehr liebt ihr euch eigentlich?" in den völlig belanglosen Smalltalk einfließen lassen, folgt jeweils ein Einspieler, in dem der Bräutigam für seine Auserwählte eine Mutprobe bestehen muss, bevor der Heiratsantrag folgt. Die an sich ziemlich unspektakulären Mutproben werden durch schnelle Schnitte und martialische Musik in Szene gesetzt, der anschließende Antrag mit den größten Schmalzhits vergangener Jahrzehnte sowie dem "besten" von heute unterlegt. Hier fühlt man sich als Zuschauer wie in einer der viel zu zahlreich vorhandenen RTL-Dokusoaps, die derartige Stilmittel ebenfalls bis zum Erbrechen ausreizen. Dass man dazu noch einen der meistgenutzten Off-Sprecher des Senders engagiert hat, verstärkt diesen unangenehmen Mief noch zusätzlich.
Nachdem wir endlich erfahren haben, dass Tobias seiner Isabel den überaus romantischen Kosenamen "Sexy Bitch" gibt und sich sogar Schalker und Dortmunder lieben können, darf Dennis schließlich seiner holden Maid live im Studio den Hof machen. Auch diese kitschige Gefühlsduselei wird natürlich leicht überdramatisiert, doch immerhin kommt hier nach einer Dreiviertelstunde zum ersten Mal überhaupt so etwas wie Emotion auf. Endlich folgen danach die Studiospiele, die in den 90er-Jahren meist die Highlights der Sendung darstellten. Im Jahr 2012 hingegen setzt man gleich das erste dermaßen amateurhaft in den Sand, dass man sich wirklich fragen muss, wer es wirklich für eine gute Idee hielt, das eigentliche Spektakel nach über 45 Minuten Vorlauf so zu beginnen. Die "Tortenschlacht", bei der die Frau ihren kopfüber hängenden Mann steuern und auf eine überdimensional große Torte zu bewegen muss, wirkt zwar immerhin auf trashige Art ansatzweise, doch auch sehr billig - insbesondere dank des verzweifelten Versuchs Dibabas, Spannung beim Publikum zu erzeugen.
Durch die nächsten Spiele sollen die Paare etwas besser vorgestellt werden, doch vor allem das "Heimspiel", in dem zumeist unwesentliche Details der Wohnungseinrichtung abgefragt werden, nimmt deutlich zu viel Sendezeit in Anspruch. Zudem hat sich nach weit über einer Stunde auch bereits eine gewisse Gleichgültigkeit durchgesetzt, da es viel zu schwer fällt, hier wirklich mit irgendwem stark zu sympathisieren. Dieses Dilemma endet endlich, als eigentlich schon niemand mehr ernsthaft damit rechnet. Denn bei allen bis dato getätigten Fehlgriffen muss man es dem Format hoch anrechnen, dass es wenigstens die kultige Sektglas-Pyramide in die Neuauflage integriert hat. Und man traut seinen Augen kaum: Auch zwanzig Jahre nach der Erstausstrahlung packt es immer noch, wenn die Menschen versuchen, ein Glas aus der Pyramide zu reißen, ohne selbige zum Einsturz zu bringen. Endlich fiebert man mit, endlich sieht man echte Emotionen beim Studiopublikum, endlich freuen bzw. ärgern sich die Paare authentisch.
Ob man dies als noch größeren Schlag ins Gesicht für die Neuauflage bewerten soll oder doch eher als kleinen Lichtblick, dass wenigstens dieses Spiel nicht zerstört wurde, bleibt jedem selbst überlassen. In jedem Fall endet die Show anschließend in der Vermählung des Siegerpaares, die wiederum sehr unspektakulär und erschreckend kühl über die Runden gebracht wird - was sich gut ins negative Gesamtbild einfügt. Alles in allem ist «Traumhochzeit» in dieser Form ein inszenatorisch überladenes Format, dem es viel zu selten gelingt, echte Gefühle zu transportieren. Das Studio ist sehr bunt, doch es wirkt ebenfalls völlig kalt und die Moderatoren wirken nicht authentisch und versuchen krampfhaft, einen lockeren Stil an den Tag zu legen. Die Empathie Linda de Mols erreichen sie dabei nicht einmal in Ansätzen, vor allem Dibaba ruft hingegen latente Aggressionen hervor. Und die neuen Spiele wirken dermaßen lieblos zusammengezimmert, dass man sich fast an die grausam verhunzte «100.000 Mark Show» zurückerinnert fühlt. Ganz so schlimm ist diese Neuauflage nicht, doch ein weiteres Mal muss man sich ein solches Spektakel sicher in der Form nicht geben.