Inhalt
Für Nick Tschiller ist es eine Phase der Umstellung: Der ehemalige verdeckte Ermittler beim LKA, der in Frankfurt auch Mitglied des SEK war, zieht nach Hamburg, wo er die Bindung zu seiner 15-jährigen Tochter Lenny flicken möchte, während sich seine Ex-Frau wieder stärker auf ihre Karriere konzentriert. In Hamburg soll sich Tschiller eigentlich etwas niedriger in der Hierarchie des LKA einordnen, aber er und sein eigenwilliger Kollege Yalcin gehen schon beim ersten Einsatz auf eigene Faust vor.
Statt einfach nur routinemäßig eine Wohnung zu überprüfen, stürmen sie sofort und ohne größere Absprache mit den Vorgesetzten den darin befindlichen Prostitutionsring. Es entbrennt eine blutige Schießerei, die den stillschweigenden Kiezfrieden stört, weshalb sich der Neuankömmling vor seinen Kollegen rechtfertigen muss. Dass er beim Einsatz auch seinen Ex-Partner gesehen haben will, der des Verrats beschuldigt wird, stellt Tschillers Glaubwürdigkeit bei seinen Kollegen weiter in Frage. Dieses Misstrauen beruht auf Gegenseitigkeit, weshalb Tschiller die minderjährige Prostituierte Tereza eigenmächtig in Yalcins Wohnung unterbringt, um ihr Vertrauen zu gewinnen und so an Informationen über ihre Zuhälter zu gelangen ...
Darsteller
Til Schweiger («Keinohrhasen») als Niklas 'Nick' Tschiller
Luna Schweiger («Schutzengel») als Lenny Tschiller
Nicole Mercedes Müller («Wege zum Glück») als Tereza
Stefanie Stappenbeck («Auf Herz und Nieren») als Isabella Schoppenroth
Wotan Wilke Möhring («Mann tut was Mann kann») als Kollege
Fahri Yardim («Mann tut was Mann kann») als Yalcin Gümer
Mavie Hörbiger («Vier Meerjungfrauen») als Sandra Bieber
Jytte-Merle Böhrnsen («Kokowääh 2») als Schwester Biggi
Edita Malovcic («Es kommt noch dicker») als Hanna Lennerts
Erdal Yildiz («Kokowääh 2») als Firat Astan
Kritik
Der Vorspann blieb der alte. Trotz medial ausgeschlachteten Unmuts seitens des neuen «Tatort»-Kommissars Til Schweiger eröffnet auch der erste Fall des «Kokowääh»-Frontmanns mit der altbekannten Anfangssequenz. Direkt danach fliegen die Namen von Cast und Crew aber in stylisch-modernen Lettern ganz hollywoodmäßig durchs Bild, während Schweiger als knallharter Action-Cop die Ganoven aufmischt. Regisseur Christian Alvart und Drehbuchautor Christoph Darnstädt schmeißen den Zuschauer direkt in medias res, Informationen tröpfeln nur allmählich ein, während Schweiger in wuchtig choreographierten Schießereien und Faustkämpfen daran erinnert, dass er seine Abstecher nach Hollywood hauptsächlich nicht mit seinen Romantikkomödien, sondern mit rauer Action bestreitet – und dieses Metier auch tatsächlich beherrscht, selbst wenn ihm die Ironie nicht ganz so glaubwürdig vom Gesicht geht wie etwa einem Bruce Willis und gleichwohl das Skript nicht so düster und hintersinnig ist, dass Schweiger seinen Kommissar als den „denkenden Prügler“ verkaufen könnte.
Nach dem spannenden Opening schaltet Schweigers erster «Tatort» ein paar Gänge zurück, wodurch offensichtlich wird, dass die Balance der Zutaten dieses Action-«Tatort» noch nicht ganz austariert wurde. Den Machern schwebt klar eine kernige, strikte Alternative zu den komödiantischen Krimis einiger ihrer Kollegen vor, weshalb Schweigers kompromissloser Held kaum Sprüche klopft und man ihn wohl auch nie Witze reißend und ein Bier kippend an der Currywurstbude antreffen wird. Gleichfalls möchte dieser «Tatort» kein schwerfälliges Stück Gesellschaftskritik sein, obwohl es Tschiller in seinem ersten Einsatz mit der Prostitution Minderjähriger zu tun bekommt, bleibt die Kargheit und inhaltliche Strenge, die man sonst erwartet, wenn dieses Thema im Ersten angeschnitten wird, aus.
Der Schweiger-«Tatort» will Popcorn sein, aber trotzdem ernst, was eine viel versprechende Mischung ist und hier auch stimmiger gelingt als Schweiger in seinem Kinofilm «Schutzengel», wo der Humor der Dramatik mehrmals im Weg steht. Nicht so im «Tatort»: Die sporadischen Stimmungsbrüche, etwa der Running Gag, dass Tschiller seiner Tochter kein vernünftiges Frühstücksei zubereiten kann, erinnern aufgrund der Darsteller und der in den konfliktärmeren Szenen gewählten Farbästhetik zwar frappierend an den Schweiger-Humor aus «Kokowääh» oder «Keinohrhasen», sind aber für sich betrachtet als kurze Auflockerungsmomente ganz solide umgesetzt und willkommen.
Die Balance zwischen den Elementen des Schweiger-«Tatort» ist, zumindest bei der Premiere, viel eher in der Abstimmung von Inszenierung einerseits und Handlung andererseits nicht vollauf stimmig. Der Krimi wirkt mit seinen stylischen, dunklen Bildern, der sehr aktiven Kamera und der im Hintergrund brodelnden Musik wie der Versuch, einen kassentauglichen US-Thriller in die deutsche Fernsehlandschaft zu übertragen. Schweigers „No Nonsense!“-Rolle (und die vom Kinostar gebotene Performance) passt in dieses Korsett, doch im Mittelteil wird dann doch zu viel deutsches Kriminaldrama beschworen. Das Zusammenspiel zwischen Schweiger und Nicole Mercedes Müller als in Tschillers Obhut befindliche Zeugin ist zwar kurzweilig anzusehen, aber da die Macher des Schweiger-«Tatort» wenig Interesse an Ermittlungsarbeiten oder den Abgründen der angeschnittenen Themen haben, zieht sich der dennoch damit kokettierende Mittelteil etwas. In diesen Szenen gibt es zu viel lauwarmes Drama um wenig Kerninhalte – das wieder etwas aufdrehende Finale entschädigt dafür, dennoch darf sich der zweite Schweiger-«Tatort» gerne mehr trauen. Entweder mehr Popcorn oder einen Hauch mehr Tiefgang in den dramatischen Stellen. Als neue «Tatort»-Geschmacksrichtung sind die Einsätze Tschillers aber definitiv eine erfreuliche Ergänzung des bisherigen Programms.
Das Erste strahlt «Tatort: Willkommen in Hamburg» am Sonntag, den 10. März, ab 20.15 Uhr aus.