Die Kritiker

«München Mord: Wir sind die Neuen»

von  |  Quelle: ZDF (Inhaltsangabe)

Das ZDF möchte seine Samstagskrimis auffrischen – dem jüngsten Sproß dieser Entwicklung sieht man die Ambitionen des Senders aber nur in Ansätzen an.

Inhalt


Hinter den Kulissen

  • Buch: Eva Wehrum, Alexander Adolph
  • Regie: Urs Egger
  • Kamera: Martin Kukula
  • Musik: Ina Siefert, Nellis Du Biel, Stephan Massimo
  • Schnitt: Andreas Althoff
  • Szenenbild: Maximilian Lange
Es ist seine letzte Chance: Ludwig Schaller war einst Leiter der Münchner Mordkommission, ehe ihm seine unkonventionellen Ermittlungsmethoden zum Verhängnis wurden: Bei einem seiner letzten Fälle hatte er sich derartig in die Psyche des Täters vertieft, dass die eigenen Kollegen Angst vor ihm bekamen. Einige bezeichnen ihn seitdem als geisteskrank. Seines Amtes hat man ihn enthoben. Ein ehemaliger Kollege, der opportunistische Helmut Zangel ist jetzt der neue Chef. Wie er es genießt, Schaller ein Gnadenbrot zuzuweisen. Die beiden Männer hassen einander.

Abgeschoben in ein hässliches Büro soll Schaller Akten bearbeiten und alte Verfahren einstellen. Als besondere Demütigung stellt man ihm zwei Mitarbeiter zur Seite, beide auf dem beruflichen Abstellgleis, auch sie Außenseiter, mit denen kein anderer arbeiten möchte: Die junge Kommissarin Angelika Flierl ist eine Beamtin mit wenig Selbstbewusstsein. Ihre Karriere verdankt sie der Tatsache, dass sie die Nichte des Polizeipräsidenten ist. Am liebsten würde sie bei der Polizei aufhören und Sängerin werden. Das einzige Hindernis: Sie ist unmusikalisch. Hauptkommissar Harald Neuhauser galt solange als guter Polizist, bis ihm eines seiner amourösen Abenteuer eine Anzeige wegen Körperverletzung und die Titelseiten der Boulevardpresse bescherten: Harald hat sich nicht nur von einem bekannten Fußballspieler in flagranti mit dessen Frau ertappen lassen. Er hat dem Spitzensportler bei dieser Gelegenheit auch noch die Schulter ausgekugelt.

So schlecht die Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit sind: Die ersten Treffen der neuen Kollegen laufen noch übler ab als erwartet: Man hat sich nichts zu sagen, blickt aufeinander herab – bis ein Routinebesuch Harald und Angelika in eine kleinen Gemeinde namens Englbach verschlägt: Zu einer gewissen Frau Lancelotti, welche bei der örtlichen Polizei als Querulantin gilt. Sie behauptet, man habe hier im Dorf ihren Mann ermordet, obwohl alle Indizien dafür sprechen, dass dieser sich ins Ausland abgesetzt hat …

Besetzung


Bernadette Heerwagen («Die kommenden Tage») als Angelika Flierl
Marcus Mittermeier («Short Cut to Hollywood») als Harald Neuhauser
Alexander Held («Sophie Scholl – Die letzten Tage») als Ludwig Schaller
Christoph Süß («quer») als Helmut Zangel
Julia Koschitz («Pass gut auf ihn auf!») als Laura Lancelotti
Gunther Gillian («Geld.Macht.Liebe») als Fabian Lancelotti
Christian Tramitz («Der Schuh des Manitu») als Michael Mehlinger

Kritik


Seine jüngste Krimireihe präsentiert das ZDF als „Ausflug in eine Welt, hinter derer idyllischer und volkstümlicher Fassade sich ein Abgrund aus Habgier, Niedertracht und Hass auftut“. Nach Betrachten des 90-minütigen Werks dürfte sich der gemeine Zuschauer nicht ganz sicher sein, ob mit dieser Ankündigung der Film oder doch eher die politisch durchtränkten Gremien des Senders gemeint waren. Dabei scheitert der Pilot zu «München Mord» mehr an den eigenen Ansprüchen, als im Vergleich mit anderen Produktionen des ZDF. Zu sehr vermittelt das Erzählte den Eindruck, eher angedacht, als konsequent umgesetzt worden zu sein; daran ändert auch Programmchef Norbert Himmler nichts, der kürzlich im Interview mit der F.A.Z. zu Protokoll gab, „der Samstagskrimi soll[e] […] durch Tiefgang und subtile Spannung glänzen und weniger durch Action oder die Anzahl an Toten“ – und damit versprach, die Qualität des «Tatort» überflügeln zu wollen.

Das gelingt nur bedingt, ist aber zumindest nicht das Verschulden der Darsteller. Bernadette Heerwagen, Marcus Mittermeier und Alexander Held spielen ihre Rollen souverän, auch Christoph Süß, der den meisten nur als Moderator von «quer» bekannt sein dürfte, überzeugt in seiner Rolle als undurchschaubarer Vorgesetzter. Christian Tramitz' Rolle ist zu klein, als dass er sie mit seinem ganzen Talent ausfüllen könnte. Die Protagonisten sind keine unbekannten Gesichter, hauchen dem Trio im Zusammenspiel aber glaubhaft Leben ein. Dennoch erscheinen die Figuren eher uninspiriert entworfen. Dass der rebellische Beamte Neuhauser seiner Karrierechancen beraubt wird, weil er mit der Frau eines Fußballers geschlafen hat, dürfte kaum eine Versetzung rechtfertigen; nicht einmal in Bayern hat Ehebruch in der gezeigten Form rechtliche Folgen. Auch dass er dem erzürnten Ehemann die Schulter auskugelt, nachdem dieser ihn auf seiner Flucht zum Anhalten zwingt, sollte für ihn keine Konsequenzen haben, droht der Sportler doch, ihn zu erschießen.

Auch die ausschlaggebenden Schwächen seiner Kollegin Flierl spielen in der weiteren Handlungsgestaltung kaum eine Rolle. Die interessanteste Rolle wurde sicherlich Alexander Held zuteil, der mit Ludwig Schaller die vielschichtigste Figur der Serie portraitieren darf. Es bleibt zu hoffen, dass es den Autoren gerade in seinem Falle gelingt, zukünftig ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Weltschmerz und Komik zu entwickeln, erscheint Schaller bislang doch in erster Linie als amüsanter Sonderling, dessen ungewöhnliche Kombinationsgabe dem Zuschauer nicht ausreichend nahegebracht wird. Eine dem britischen Geniestreich «Sherlock» ebenbürtige Serie aus deutschen Landen ist natürlich nicht zu erwarten, es bleibt jedoch allemal zu hoffen, dass die Macher von «München Mord» den Mut beweisen, ihre Charaktere tiefgründiger zu zeichnen.

Dabei startet der Pilotfilm angenehm tabulos – auf den äußerst düster gehaltenen Vorspann folgt die eröffnende Sequenz, die darauf verzichtet, nackte Haut allzu auffällig unauffällig zu kaschieren. Der Vorgeschichte der handelnden Figuren wird dann aber nicht genug Zeit eingeräumt, sich zu erklären und zu entwickeln, stattdessen stürzt die Handlung in den ersten Fall des Trios. Im Verlauf der Ermittlungen ermöglicht die Inszenierung zwar einzelne Einblicke in das Seelenleben der Figuren, das wirkt aber oft angestrengt und entsprechend deplatziert. Die einzelnen Puzzleteile, die zur Lösung führen, sind zwar nicht unklug gestaltet, schlussendlich aber zu konventionell und so oder so ähnlich auch in anderen Krimis denkbar.

Unterm Strich fehlt «München Mord» der Mut, seine interessanten Protagonisten und damit auch die Erzählung selbst tiefgründiger zu gestalten. In einzelnen Szenen scheint der innovative Anspruch der Serie zwar durch, kann den unvermeidbaren Eindruck des Zuschauers, hier doch nur einen Samstagskrimi des ZDF zu sehen, aber nicht vertreiben.

Das ZDF zeigt «München Mord – Wir sind die Neuen» am Samstag, den 29. März 2014, um 20.15 Uhr.

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