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Ausgezeichnet: Synchros mit dem Gütesiegel

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Zeit- und Preisdruck sorgen wiederholt für misslungene Film- oder Seriensynchronisationen. Der Synchronverband möchte jedoch bald mit einem Gütesiegel all jene Synchros auszeichnen, die Qualität versprechen.

Da ist er! Bruce Willis alias John McClane. Durchgeschwitzt steht er in seiner Unterwäsche da, grimmig dreinblickend. Seine Mundwinkel zucken, ein saucooler Spruch liegt ihm auf den Lippen. Er öffnet den Mund und … plötzlich spricht Arnold Schwarzenegger. Es ist wohl eines der berühmt-berüchtigtsten Beispiele dafür, dass ein Stammsprecher für einen Film ausgetauscht wird: In der deutschen Synchronfassung von «Stirb langsam 3 – Jetzt erst recht!» leiht ausnahmsweise Thomas Danneberg dem knallharten Cop John McClane seine Stimme. Und nicht etwa Willis-Stammsprecher Manfred Lehmann, der während der Synchronarbeiten terminlich verhindert war. Und selbst 20 Jahre später stiftet diese Umbesetzung Verwirrung.

Umbesetzungen sind aber nur eines von vielen potentiellen Problemen bei Synchronfassungen. Doch egal, ob es sich um „die falsche Stimme“ handelt, um schwache Performances der Sprecher oder um ein unausgereiftes Synchronbuch: Oftmals ist die Wurzel des Übels im enormen Zeitdruck zu suchen, unter dem so manche Synchronversionen entstehen. Die Survivalserie «The Walking Dead» ist ein Paradebeispiel für Formate, deren deutsche Sprachfassung mit der heißen Nadel gestrickt wird. Und gelegentlich ist es gar das liebe Geld, an dem es scheitert: «Vikings» wurde ursprünglich zu einem Dumpingpreis bei einem vornehmlich für Werbespot-Vertonung bekannten Studio ins Deutsche übertragen. Der Zuschauer hat erkannt, das man an der falschen Stelle gespart hat: Als sich Serienfans lauthals über die mangelnde Qualität beklagten, wurde die erste Staffel im Auftrag ProSiebens von der alteingesessenen Arena Synchron GmbH neu synchronisiert und mit erfahrenen Sprechern besetzt.

Aber woher soll ein Serienzuschauer ohne größere Mühen erfahren, ob es sich bei der Synchronfassung einer neuen Serie um einen Fall der Marke „«Vikings»-Erstfassung“ oder der Marke „«Vikings»-Zweitfassung“ handelt? Innerhalb der Synchronbranche wird aktuell an einem Weg gearbeitet, diese Frage ohne Weiteres zu beantworten: Der Synchronverband – Die Gilde möchte ein Gütesiegel für gelungene Synchronisationen etablieren. Dieses soll dem Verbraucher auf dem DVD- respektive Blu-ray-Cover oder in den Synchrontafeln im Abspann signalisieren, dass bei der Produktion alle wichtigen Qualitätsstandards eingehalten wurden. Auch online wird man sich nach Einführung des Gütesiegels informieren können, welche Synchronfassungen unter guten Bedingungen entstanden sind.

Die Gilde zielt durch diesen Schritt darauf ab, sowohl innerhalb der Filmbranche als auch in der Öffentlichkeit der Film- und Serienfreunde ein neues Qualitätsbewusstsein für Synchronisationen durchzusetzen. Zugleich ist das Gütesiegel eine Bemühung um mehr Transparenz in einem viel konsumierten, aber wenig beachteten Geschäft. Vergeben wird das Gütesiegel durch eine Kommission des Synchronverbandes, die darauf achtet, ob die im Kodex des Verbands niedergeschriebenen Qualitätsstandards befolgt wurden. Dazu zählen unter anderem: Die Berücksichtigung von Stammstimmen (z.B.: Wird die nahezu 20 Jahre anhaltende Kombination Leonardo DiCaprio/Gerrit Schmidt-Foß plötzlich gebrochen?) und ein Skript, das sich um Originaltreue bemüht sowie für unübersetzbare Anspielungen ein angemessenes Äquivalent findet. Auch soll abgesichert werden, dass die Synchronautoren Fachberatung erhalten, wenn Franchiseprojekte oder Werke mit anderweitig besonderen Sujets anstehen. „Wikipedia reicht nicht“, wie der Kodex festlegt.

Weiteres über das Gütesiegel

Beantragen können das Gütesiegel sowohl Synchronfirmen des Verbandes als auch Synchronfirmen, die nicht Mitglied des Verbandes sind.
Zudem werden handwerkliche und arbeitstechnische Fragen berücksichtigt, etwa dass ausschließlich in Anwesenheit von Regie, Cutter und Tonmeister aufgenommen wird. Alles in allem soll das Synchron-Gütesiegel für Verlässlichkeit, Planungssicherheit, Preisstabilität, Fairness und Vertrauen stehen. Die Gilde befindet sich aktuell in den letzten Zügen der Vorbereitungsphase für eben jene Qualitätsauszeichnung und steht bereits in Kontakt mit den Film- und Serienverleihern, um ihnen dieses Siegel nahezubringen. Noch im Herbst könnte es erstmals verliehen werden. Ab dann sind Serien- und Filmfreunde vorgewarnt: Wird jeder dritte Gag in der Komödie meiner Wahl dank mieser Übersetzung krepieren? Höre ich gleich etwa wieder Arnie, wenn Bruce Willis spricht? Oder ist es so, wie es sein sollte, und ist die Synchro so gut, so natürlich, dass ich vergesse, eine zu sehen?

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