Filmfacts «Suicide Squad»
- Regie und Drehbuch: David Ayer
- Produktion: Charles Roven, Richard Suckle
- Darsteller: Will Smith, Jared Leto, Margot Robbie, Joel Kinnaman, Viola Davis, Jai Courtney, Jay Hernandez, Adewale Akinnuoye-Agbaje, Ike Barinholtz, Scott Eastwood, Cara Delevingne
- Musik: Steven Price
- Kamera: Roman Vasyanov
- Schnitt: John Gilroy
- Laufzeit: 123 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Die Antwort: Womöglich. Die neue Regiearbeit des «End of Watch»-Machers David Ayer weist nämlich eine der coolsten, am besten kuratierten Songsammlungen jenseits eines Martin-Scorsese- oder Quentin-Tarantino-Films auf. Nicht nur, dass Ayer und seine Music Supervisor Gabe Hilfer («Project X») & Season Kent («Magic Mike XXL») einen variantenreichen, dennoch in sich stimmigen Mix aus Pop, Rock, Elektro und Hip Hop zusammenstellen – diese Hitparade fügt sich thematisch zudem gut in das Filmkonzept. Einen Actionfilm, in dem sich Schurken auf Geheiß einer moralisch fragwürdigen Regierungsbeauftragten gegen eine übernatürliche Bedrohung zusammentun, mit Liedern wie „Sympathy For The Devil“, „Slippin‘ Into Darkness“, „Black Skinhead“, „Gangsta“ und „Paranoid“ untermalen? Das passt!
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So weit, so gut. Doch irgendwann wirkt es so, als hätte diese filmische Jukebox einen Sprung: Manche Mitglieder des Himmelfahrtskommandos werden glatt ein zweites Mal porträtiert, ehe Amanda Waller einigen Anzugträgern ihren Plan erklärt – schon wieder! Bis alle Suicide-Squad-Teamkollegen dem Kinopublikum vorgestellt und auf der Leinwand vereint sind, lässt sich Ayer also nicht nur Zeit – er überbrückt diese mit diversen Wiederholungen. Da kommt ein rockiger, eingängiger Soundtrack mit hohem Wiedererkennungswert gerade recht, verleiht er doch der wackligen narrativen Struktur wenigstens etwas Leben.
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Wenn etwa der von Will Smith charismatisch gespielte, im Finale mit einer unangebrachten Prise Kitsch konfrontierte, Deadshot bei seiner Rekrutierung für die Suicide Squad nach langer Wartezeit wieder eine Schusswaffe bedienend darf, unterstreicht Ayer dies mit dem Kanye-West-Reißer „Black Skinhead“. Während dieses rasanten, kraftvollen Songs fährt die von Roman Vasyanov («Herz aus Stahl») geführte Kamera nur sehr träge an den konzentriert dreinblickenden Killer heran, Cutter John Gilroy («Nightcrawler») wickelt diese Szene ebenfalls in gemäßigtem Tempo ab. Der „Black Skinhead“-Einsatz in diesem Filmmoment ist somit zwar theoretisch passend, in der praktischen Umsetzung mutet der Chartstürmer aber deplatziert an.
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Ein Gros der gewöhnlich ablaufenden Szenen findet sich im Mittelteil wieder. Denn auf den inszenatorisch ungezügelten ersten Akt folgt die eigentliche Mission der Titelfiguren, in der die starken Farbkontraste entschwinden, um Platz für eine matschbraun-graue Ästhetik zu machen. Gekämpft wird weitestgehend gegen wortwörtlich gesichtslose Gegnermassen, und dies zumeist humorbefreit, aber nie auf so düstere und brutale Weise, dass «Suicide Squad» wenigstens eine mutige 180°-Wende hinsichtlich seines Tonfalls vollführen würde. Solche Wandlungen macht allein Harley Quinn durch, die mit ihrer zwischen himmelhoch jauchzend, manipulierend-garstig und kindlich-verspielt hüpfenden Art zumindest konsequent instabil ist, was Robbie mittels losgelöstem Spiel vermittelt.
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Das grellste Beispiel für dieses grundlegende Problem von «Suicide Squad» ist Jared Letos Interpretation des Jokers. Dass sich Ayer und der für «Dallas Buyers Club» mit einem Oscar gekrönte Schauspieler für einen Ansatz entschieden haben, der Batmans Erzfeind nun weit, weit von seinen Versionen in Tim Burtons «Batman» und Christopher Nolans «The Dark Knight» entfernt? Nachvollziehbar. Dass dieser Joker wie ein abgelehnter «Fast & Furious»-Ganove rüberkommt, der bei seiner Flucht ins DC-Filmuniversum von einem radioaktiv verseuchten Ed-Hardy-Shirt gebissen wurde? Sonderbare Entscheidung, aber wieso nicht? Dass Letos lautes Spiel zwar dick aufgetragen ist, aber nicht derart cartoonig, dass er wie ein wandelnder Comicpsychopath wirkt, sondern nur wie ein übereifriger Cosplayer? Bedauerlich.
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Doch egal, ob «Suicide Squad» nun eher als eine rockige Hitparade verstanden werden will oder als Naschwerkverkostung: Konzept und Umsetzung wollen nicht ganz ineinandergreifen. Dennoch ist Ayers holpernder und polternder Versuch wegen der coolen Figuren und der geschäftigen Erzählweise über weite Strecken unterhaltsam. Und anders als bei der Marvel-Cinematic-Universe-Jugendsünde «Iron Man 2» erfolgt der Ausbau des DC-Filmuniversums größtenteils organisch. Das ändert wohlgemerkt nichts am ideenlosen und hastigen Finale, in dem Cara Delevigne als mächtige Enchantress albern herumtänzelt und eine Überdosis Kitsch droht, den Schurken ihre Ecken und Kanten zu rauben. In diesen Minuten hat Ayer überdeutlich mit seiner schurkischen Gummibärchentüte/Plattensammlung und ihrem steten Wandel zwischen süß und sauer, brütend und stylisch zu kämpfen. Und schon wirkt die Frage, ob «Suicide Squad» zu viel gute Musik auftischt, für kurze Zeit wieder irrelevant.
Fazit: «Suicide Squad» ist wahrlich kein runder Film, und ein wagemutig variantenreicher Film ist David Ayer mit diesem Schurkenactioner ebenso wenig gelungen. Was diese Comicadaption hingegen darstellt, ist ein tonal gewaltig unausgewogenes, kurzweiliges Chaos mit coolen Figuren und jeder Menge liegen gebliebenem Potential.
«Suicide Squad» ist ab dem 18. August 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
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