Popcorn & Rollenwechsel

Das Bestechungsgespräch

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Es ist nunmehr zum Alltag geworden: Wenn eine Filmkritik erscheint, dann mutmaßen alle, die ihr nicht zustimmen, dass sie ja eh nur das unehrliche Ergebnis einer Bestechung sei. Quotenmeter.de enthüllt: Tatsache! Diese Verschwörungstheorien sind wahr!

DC-Fans schreiben es unter jede einzelne negative Filmkritik: "Ihr seid doch von Marvel bezahlt, den Film mies zu finden!" Sich klein fühlende Möchtegernmegamachos schreiben es unter jede positive Kritik des «Ghostbusters»-Remakes von 2016: "Euch bezahlen doch die Feministen, den Film gut zu finden!" Quotenmeter.de erlaubt einen seltenen Blick hinter den Vorhang des Schweigens im Filmjournalismus und veröffentlicht das Protokoll eines wirklich wahren, beispielhaften Bestechungsgespräch.

Wir garantieren die Echtheit dieses Gesprächs. Ehrlich. Wir würden niemals, niemals, niemals, nicht sarkastischerweise irgendeinen Bullshit veröffentlichen. Echt jetzt! Schwör!


Eine dunkle Schreibkammer. Tropische Temperaturen herrschen vor. Im glühenden Licht eines Bildschirms schwitzt ein Filmkritiker vor sich hin. Er öffnet gerade seine fünfte Dose Energydrink des Tages.

Sidney (zu sich selbst): "So … Dann wollen wir uns mal an die Kritik zu «Wonder Woman» setzen. Ach, was war das für ein supertoller Film. Mir bleibt die Spucke weg, wenn ich nur an ihn denke."

Seine Finger berühren schreiblüstern die mattschwarzen Tasten seiner Tastatur. Befehlshaberisch klingelt sein Smartphone. Die Nummer ist unterdrückt.

Sidney (verwundert, zu sich selbst): "Oh. Wer könnte das denn nur sein?"

Unser integrer Filmjournalist nimmt Abkehr von seinem Vorhaben, in genau diesem Moment eine glühende Besprechung des filmhistorischen Meisterwerks «Wonder Woman» zu verfassen. Muss der Lobgesang halt ein paar Minuten warten. Nun wird Sidney erst einmal den Telefonanruf entgegen nehmen.

Sidney (am Telefon): "Hallo, Filmjournalist Sidney Schering hier. Achtundzwanzigfacher Integritätsquartalsmeister bei Quotenmeter.de, wie kann ich Ihnen behilflich sein?"

Eine verschwörerische Alt-Männerstimme meldet sich: "Ja, hallo, Sidney. Sebald Schmier hier, von der Walt Disney Company Germany. Wir haben uns auf diesem Branchenevent getroffen, wo du an diesem juristisch fragwürdigen Einführungsritual teilgenommen hast, du erinnerst dich?"

Sidney (verängstigt): "Oh, verdammt … Ich hatte gehofft, dass du niemals, niemals, niemals anrufst …"

Sebald (staubtrocken): "Heute lief doch «Wonder Woman» in der Pressevorführung, nicht wahr?"

Sidney (ahnend, was kommt): "Ja … Wieso ..?"

Sebald (noch staubtrockener): "Wie findest du den Film?"

Sidney (fragend): "Gut … dachte … ich?"

Sebald (noch viel staubtrockener): "Sicher?"

Sidney (widerborstig, an das Ritual zurückdenkend): "Ich habe nur drei Schluck davon getrunken. Wenn du mich mit diesem Ritual erpressen möchtest, dann sieh dich vor, denn ich habe ein Video davon, wie du …"

Sebald (relativ staubtrocken): "Ich wusste, wir werden uns dich etwas kosten lassen müssen. Das freut mich. Ich mag dich. Und deine Arbeit. Dann belohnen wir dich doch gerne. Sag mal … Wie wäre es, wenn du … von uns … fünf Euro überwiesen bekommst. Na, findest du «Wonder Woman» immer noch gut?"

Sidney (schockiert): "Fünf Euro? Fünf Euro?! Du denkst wirklich, ich würde für fünf Euro meine Integrität verkaufen?"

Sebald (ansatzweise staubtrocken): "50 Euro."

Sidney (beleidigt): "Bin ich euch so wenig wert oder geht es Disney finanziell so mies?"

Sebald (reinen Wein einschenkend): "Sidney, ich mag dich, und wie du Sarah bei diesem Ritual den Hintern gerettet hast, hat mich nachhaltig beeindruckt. Also, okay … Hör zu. Ich habe für «Wonder Woman» von ganz oben ein Budget von 280.000 Euro zur Verfügung bekommen, um in Deutschland die Kritiken in die richtige Richtung zu steuern. Nur findet halt leider jeder diesen Film aus unerklärlichen Gründen … gut … Daher versuche ich gerade, klug zu haushalten. Angesichts deiner Glaubwürdigkeit und der Reichweite von Quotenmeter.de bin ich aber gewillt, für dich schon einen großen Happen meines Budgets aufzugeben. Wie wäre es mit 1.500 Euro, einem Blu-ray-Geschenkkorb und einem Wochenende im Disneyland Paris – Anreise müsstest du aber selber zahlen."

Sidney (verhandelnd): "Hmmm … Ja … Okay. Meine Bankdaten bräuchtest du noch, oder?"

Sebald (zufrieden, verschwörerisch): "Wir kennen deine Bankdaten."

Sidney (verwundert): "Okay … Hm. Na dann. Ich schreib meine Kritik aber erst, wenn das Geld da ist. Man will ja auf Nummer sicher gehen. Nicht wahr?"

Sebald (geschäftig): "Ja ja, passt schon. Wiederhören."

Sidney schaut zufrieden. Sein Herz pocht zwar lauter denn je, weil er sich erstmals für Disney gebückt hat. Aber: Er ist für heute mit der Arbeit fertig. Die «Wonder Woman»-Kritik wird er ja erst übermorgen schreiben können, voraussichtlich. Und, so denkt er: Eine Kritik mit vorgegebener Meinung ist sicher schneller geschrieben als eine, für die er selber Argumente finden muss. Das ist also ein doppelter Gewinn. Geil!

Aber der Abend ist noch lange nicht zu Ende.
Dies war der erste Akt. Der zweite folgt sogleich.

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