Die Handlung
Filmfacts «Sex, Lügen und Video»
- Regie, Drehbuch und Schnitt: Steven Soderbergh
- Produktion: John Hardy, Robert Newmyer
- Darsteller: James Spader, Andie MacDowell, Peter Gallagher, Laura San Giacomo
- Musik: Cliff Martinez
- Kamera: Walt Lloyd
- Veröffentlichungsjahr: 1989
- Laufzeit: 101 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Eines Tages wird Ann vom Besuch eines alten Studienfreundes ihres Mannes überrascht: Graham Dalton (James Spader) ist seit neun Jahren ein Streuner, der von Stadt zu Stadt zieht und sein Leben nach Art der Boheme gestaltet. John kann mit diesem unkonventionellen Stil wenig anfangen, während Ann sich erbarmt, Graham zu helfen, in seiner alten Heimatstadt eine Bleibe zu finden. Wie Ann alsbald herausfindet, hat Graham eine seltsame Leidenschaft: Er filmt Frauen dabei, wie sie über Sex reden …
Der Umgang mit Sex
Obwohl Regisseur und Autor Steven Soderbergh in seinem Langfilm-Regiedebüt «Sex, Lügen und Video» keine Sexszenen zeigt, die weiter gehen als das, was sich züchtige FSK-ab-12-Jahren-Filme zu offenbaren trauen, ist dieses unabhängig finanzierte Beziehungsdrama ein kleiner filmischer Meilenstein. Soderbergh lässt die Figuren ungeheuerlich offen und unverblümt über Sex sprechen – ohne dabei in die zotig-alberne oder verrucht-provokante Richtung zu rutschen. Dieses Drama zeigt einfach nur erwachsene Menschen, die über ihren Schatten der Schüchternheit springen und detaillierte Sexgespräche führen, in denen sie ihre Seele offenlegen.
Darüber hinaus handelt dieser 1989 mit der Goldenen Palme prämierte Film von der verschachtelten Wechselwirkung zwischen Liebe, Sex, sexueller Befriedigung und Beziehungen: Es ist möglich, ohne Körperlichkeit sexuelle Erfüllung zu verspüren – oder trotz einer sexuell aktiven Beziehung unbefriedigt zu bleiben. Soderbergh führt dies mit komplexen, glaubwürdigen Figuren vor, deren offenen Gespräche eine knisternde Anspannung und Intensität aufweisen, die weit an vielen cineastischen Sexszenen vorbeizieht.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Sex, Lügen und Video»
Begleitet von einem unaufdringlichen, subtilen Score des Komponisten Cliff Martinez, der später unter anderem die Musik für «Drive» und «The Neon Demon» schreiben sollte, erzeugt Soderberghs erster Spielfilm eine intime, dezent neurotische Atmosphäre: «Sex, Lügen und Video» lässt sein Publikum die Mentalität seiner Hauptfiguren nacherleben, die erotisch aufgeladene, intime Momente erleben, obwohl sie sich nicht körperlich erfahren. Diese Stimmung eines engen Beisammenseins, welches vom Gefühl der Isolation durchzogen wird, unterstreicht auch Kameramann Walt Lloyd («Short Cuts»), der genau die Grauzone findet, zwischen Nähe zu den handelnden Figuren und einer Distanz, die eine voyeuristische Beobachterposition suggeriert und das Publikum somit zu einem vom Geschehen abgekapselten Dritten macht.
Doch diese Verpackung allein wäre niemals genug, um «Sex, Lügen und Video» zu dem enorm einflussreichen Ausnahmefilm zu erheben, der er nun einmal ist. Soderbergh gelang es, äußerst nuancierte Beobachtungen zu machen, die sowohl die sexuell unerfüllte Hausfrau Ann als auch den ungewöhnliche Vorlieben aufweisenden, hippen Streuner Graham, ja, sogar Anns fremdgehenden Gatten und Anns unehrliche Schwester Cynthia weit über diese archetypischen Grundrollen hinauswachsen zu lassen. Der Autorenfilmer denkt hier nicht in Kategorien, sondern nutzt diese Figuren mit gegensätzlichen sexuellen Erfahrungen und kommunikativem Draht zueinander, um urteilsfreie, komplexe Beobachtungen zu fällen.
Eine gesunde Prise Humor nimmt dem Ganzen den sonst drohenden sexualtherapeutischen Anklang, während Andie MacDowell und James Spader mit natürlichen, unprätentiösen Performances begeistern, die zu gleichen Teilen von einer großen Verletzlichkeit sprechen, welche die Egos ihrer Rollen hat anknacksen lassen, als auch von großem Mut, sich dem jeweils Anderen so unverfälscht zu zeigen. Diese reizvolle Widersprüchlichkeit ist es auch, dank welcher ihre Interaktion allein durch den Tonfall und den Austausch von Blicken eine knisternde Sinnlichkeit verleiht – ganz ohne Nacktheit.
«Sex, Lügen und Video» ist auf DVD erschienen und via Amazon, Google Play, Juke, Chili, Sky Go/Sky Ticket und iTunes abrufbar.
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