Sei kreativ! - von Manuel Weis

Vermutlich wird sich das 2018 nicht gänzlich ändern. Vielleicht gelingt es aber auch den großen Werbefinanzierten sich ein bisschen mehr aus dem Fenster zu lehnen. Es macht doch Mut, wenn man hört, dass RTL nicht nur fünf neue Serien starten wird, sondern im Hintergrund schon an neun neuen Stoffen arbeitet. Wenn davon nur eine vom Standart-Prinzip der humorigen Wohlfühlszenerie abweichen würde, dann wäre ja schon etwas gewonnen. Deutschland braucht so dringend auch im Privatfernsehen wieder Stoffe, die nicht absolut gleichförmig und glattgebügelt sind. Wir brauchen auch Gesichter in tragenden Rollen, die nicht gelernte Senderköpfe sind und schon in 15 ähnlich gelagerten Filmen zu sehen waren. Was gefragt ist, ist Mut: Mut zu gewinnen und Mut auch zu verlieren. Das ist in Zeiten, wo Anbieter wie Netflix und Co RTL und Sat.1 massiv unter Druck setzen, keine einfache Angelegenheit. Jeder Serienflop ist auch ein Verprellen des eigenen Stammpublikums, ohne Frage. Nur: Ein schlichtes Weiter-So ist ebenso eine Enttäuschung. Nur halt für die, die aus Frust zu Netflix und Amazon ausweichen.
Die deutsche Serie steht heute besser da als noch vor 18 Monaten. Das ist letztlich RTL, aber auch Anbietern wie Netflix oder Sky zu verdanken. Wenn dieser Weg kontinuierlich fortgesetzt wird, dann darf uns das allen Mut machen. Dann könnte die Zeit, in denen Primetimes mit acht Folgen einer Sitcom oder vier Episoden einer US-Krimiserie am Stück ausgestattet werden zumindest bei den großen Playern bald Geschichte sein. Schön wär’s…
Bleibt auf dem richtigen Weg! - von David Grzeschik

Da wäre zum einen Hugo Egon Balder, dessen «Genial daneben» 2017 seine überaus erfolgreiche Rückkehr feiern durfte – gute Kritiken inklusive. Das Format gehört somit wieder zu einer der stärksten Marken im Sat.1-Programm. Vor anderthalb Jahren wäre das kaum vorstellbar gewesen. Im Januar geht es für die Sendung weiter, dann sogar schon mit einer dritten Staffel. Mit Hugo Egon Balder möchte Sat.1 weiter experimentieren, erst im Dezember wurde mit dem 67-Jährigen ein neuer Pilot für eine Witz-Sendung aufgezeichnet.

Klar ist, dass Mockridge und Balder noch nicht ausreichen, um einen ganzen Sender zurück in die Erfolgsspur zu bringen. Dafür braucht es deutlich mehr Innovationen, die im fiktionalen Bereich stattfinden müssen. Dazu braucht es mutige Ideen für die Daytime, die sich wohl auch abseits von den klassischen Scripted Realitys positionieren müssen. Fürs Erste bleibt aber festzuhalten, dass das Jahr 2017 für Sat.1 durchaus auch gute Momente bereithielt. „Make Sat.1 great again“, sagte Luke Mockridge vor einigen Monaten. Es kann gelingen, wenn Sat.1 im kommenden Jahr weitere Schritte auf dem eingeschlagenen richtigen Weg unternimmt.
Shows 2018: Mehr Wagnisse, weniger Länge - von Manuel Nunez Sanchez

Dafür setzte sich eine Seuche der aktuellen TV-Kultur auch in diesem Jahr wieder ungemindert fort: Der beinahe zum Dogma verkommene Drang, Show-Formate im wahrsten Sinne des Wortes abendfüllend auszulegen und kaum ein Format um 20:15 Uhr mehr durchzuwinken, das nicht mindestens drei Stunden Sendezeit füllt. Dabei mehren sich die Anzeichen, dass es sich das Publikum inzwischen zweimal überlegt, diese XXL-Formate überhaupt anzufangen, vor allem am ProSieben-Samstag erheblich: Nicht nur «Schlag den Henssler», dessen großer Vorgänger den Trend zur großen Show-Fete bis in die Nacht hinein einst mehr oder minder begründet hatte, fiel zuletzt ins bessere Mittelmaß ab, sondern auch mehrere Sendungen mit Joko (und Klaas). Ähnliches ließ sich am ebenfalls sehr Übermaß-intensiven RTL-Freitag beobachten, wo «5 gegen Jauch» und «Die 2» kaum mehr ankamen, auf «Dance Dance Dance» bis mindestens 23 Uhr ebenfalls kaum jemand mehr Lust hatte und selbst das große Vorbild «Let's Dance» einige Federn lassen musste.
Der wirklich bedauerliche Faktor unserer derzeitigen Show-Kultur ist aber mehr das, was nach der XXL-Primetime-Präsentation eben gerade nicht mehr stattfindet: Innovation mit neuen, unverbrauchten und gerne auch mal etwas abseitigeren, nicht Primetime-tauglichen Experimenten, mit kleineren (Latenight-)Versuchen, obwohl «LUKE!» aller widrigen Umstände zu Beginn zum Trotz mittlerweile sogar zum beachtlichen Erfolg für Sat.1 geworden ist. Dieser kurze Spaß für den späten Abend findet derzeit kaum statt, weil - einmal mehr vor allem die Privaten - den möglichen Flop mehr fürchten als das Potenzial einer neu kreierten Marke, die vielleicht dann nur eine Stunde am Abend füllt, was sich aus Sendersicht weniger rentiert als eine XXL-Ausstrahlung. Doch letztlich gilt auch hier dasselbe wie in der Daytime, den insbesondere die drei großen Vertreter von ProSiebenSat.1 mittlerweile schändlich haben verkommen lassen: Kurzfristig mag man sinnvoll wirtschaften, mittelfristig aber entfremdet man sein Publikum immer mehr vom Programm, wenn man in ihm nur noch den faulen Arm(selige)n sieht, der gemästet gehört.

Sei politisch! - von Julian Miller
Mit ein wenig retrospektiver Schwarzmalerei könnte man 2016 als das Jahr zusammenfassen, in dem mit Brexit und Trump die Aufklärung ihr Ende hätte finden können. 2017 wurde in Frankreich das Schlimmste verhindert, während eine neue rechtsextreme Regierung in Österreich mit kaltblütiger Gleichgültigkeit begleitet wurde. In der vom Populismus gebeutelten angelsächsischen Welt konnte der obszöne Demagoge im Weißen Haus derweil neben seiner Steuerreform keinen einzigen nachhaltigen Impuls setzen, während im Vereinigten Königreich der Brexit langsam, aber erschreckend kontinuierlich seinen Tribut zu fordern beginnt. Der Super-GAU in vollem Gange.
Man kann die Geschichte aber auch anders lesen: so wie Hannes Stein in der „Welt“. Denn während Donald Trump die amerikanische Zivilgesellschaft elektrisierte, hätte unter einer Präsidentin Clinton die rechtsextreme populistische Demagogie, angefacht von Ideologen wie Bannon und Opportunisten wie Kushner, abseits des Scheinwerferlichts öffentlicher Ämter weiterköcheln können, was langfristig vielleicht umso gefährlicher gewesen wäre. Trump, Brexit, le Pen, Wilders, Baudet oder Strache –ihre desaströsen Auswirkungen können allesamt nur durch eine lebhafte Gegenbewegung vernichtet werden. Und diese benötigt als Basis eine streitbare, seriöse und kompromisslose journalistische wie gesellschaftliche (!) Begleitung. Auch in Deutschland, um ihren hiesigen Pendants – Storch, Weidel, Petry, Gauland, Höcke, Meuthen – beizukommen.
Ein Blick in die USA zeigt den eklatanten Nachholbedarf, den das deutsche Fernsehen vor allem in jenem Segment aufweist, wo das Humoristische auf das Journalistische trifft. Seth Meyers, Stephen Colbert, Samantha Bee und John Oliver verbinden exzellente Recherche, umfangreiches Fachwissen, beißende Satire und eine exzellente komödiantische Treffsicherheit, woraus journalistisch fundierte und gleichzeitig herrlich unterhaltsame Beiträge hervorgehen.
In Deutschland hängen «heute-show» und «Die Anstalt» – trotz unzweifelhaft positiver Impulse – zu sehr in einem didaktischen Die-da-oben-Duktus fest, während Jan Böhmermanns passiv-aggressive Haltung der falsche Ansatzpunkt ist: Statt die Objekte seiner negativen Berichterstattung (oder Humoresken) frontal und aufrichtig herauszufordern, flüchtet er sich in eine (vermeintliche) Unantastbarkeit der Satire, und macht es sich derweil noch so bequem, seinen Zuschauern nach dem Mund zu reden, anstatt sie mit Kontroversen herauszufordern. Die vielen (oftmals jungen) deutschen Zuschauer, die derweil bei Oliver, Bee, Meyers und Colbert Asyl gefunden haben, erwarten mehr. 2018 sollte das Jahr sein, in dem das deutsche Fernsehen ihnen diesen Wunsch erfüllt.
Plane umsichtiger! – von Sidney Schering

Nach dem relativ katastrophalen Jahr 2016 stellte das Jahr 2017 in Sachen Besucherzahlen die dringend erhoffte Erholung dar. Ein erneuter Absturz wäre kontraproduktiv. Für die Moral unter den Kinobetreibenden und den Filmverleihern, sowie für die Außenwirkung. Doch ein Blick auf den aktuellen deutschen Starttermin-Fahrplan 2018 genügt, um wieder das reinste Grausen zu bekommen – und nicht etwa wegen der Auswahl an kommenden Filmen. Sondern wegen der verdammt ungünstigen Startterminlegung!
2018 ist wieder eines der von der hiesigen Kinoindustrie gefürchteten Jahre, in denen die Fußball-Weltmeisterschaft die Sommermonate beherrscht. Will die Branche also vermeiden, dass 2018 unterm Strich zu einer schwachen Kopie des Jahres 2016 verkommt, muss sie das ganze Jahr über doppelt so klug taktieren wie in einem turnierlosen Jahr.

Und das letzte Quartal ist ein einziges Publikumskannibalisierungsknubbel. Nur ein paar Beispiele: Am 15. November will Warner mit der «Phantastische Tierwesen»-Fortsetzung den winterlichen Fantasy-Blockbuster-Slot für sich beanspruchen, eine Woche danach hofft Disney, mit «Der Nussknacker und die vier Reiche» genau dasselbe. Beide Filme tendieren zu einem ähnlichen Publikum und könnten bei entsprechender Qualität lange laufen und hohe Zahlen schreiben – aber nicht, wenn sie sich gegenseitig auf die Füße treten.
Dann, am 20. Dezember, wollen sowohl der Superheldenfilm «Aquaman», der «Transformers»-Ableger «Bumblebee» und ein weiterer Disney-Realfilm, «Marry Poppins Returns», es ausnutzen, dass nach drei «Star Wars»-Weihnachten in Folge der Dezember mal frei von Sternenkriegern ist. Und Sony will dann noch «Spider-Man – A New Universe» an diesem Termin auf Publikumsjagd schicken! Wahnsinn, reiner, absoluter Wahnsinn!
Lieber Filmverleiher: Plant um. So raubt ihr 2018 nur massenweise Ticketverkaufspotential!
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel