Durch die Machtübernahme der NSDAP und die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 wurde die deutsche Filmlandschaft grundlegend verändert und im exzessiven Maße politisch operationalisiert. Der Film war nicht mehr länger eine Ästhetisierung der Kunst, sondern eine propagandistische Waffe, ideologisch zugeschnitten auf das Dritte Reich. Von einem Weimarer Kino, das sich mit der Freiheit der künstlerischen Expression schmücken konnte, war fortan nicht mehr zu sprechen. Die sich ausbreitende bürokratische Organisation des Dritten Reichs wurde auch auf die Filmwelt übertragen. Mit der Gründung der Reichsfilmkammer im selben Jahr wie der Machtergreifung wurden Filmemacher zur Mitgliedschaft in der selbigen gezwungen und unterlagen einer strikten Registration. Die UFA wurde verstaatlicht und fortan für die nationalsozialistischen Propagandazwecke missbraucht. Die Folge dieser radikalen Politisierung des Films führte zu einer starken Emigration der namhaften Weimarer Filmemacher. Joseph Goebbels, das alleinige Entscheidungs- und Führungsorgan der nationalsozialistischen Filmindustrie, versuchte nach Angaben Langs ihm sogar eine Position in der neuen deutschen Filmproduktion anzuvertrauen, um seine Kreativität in deutschen Händen zu wissen. Der Filmemacher Fritz Lang war Jude. Er floh prompt nach Frankreich und immigrierte in die Vereinigten Staaten, wo er weiterhin als Filmschaffender tätig war, bis zu seiner Rückkehr als Regisseur nach Deutschland gegen Ende der 1950er Jahre.
Doch Lang war nicht der Einzige, der sich nach der Übernahme durch die Nationalsozialisten in andere Länder flüchtete. Billy Wilder, der legendäre US-Regisseur, begann seine Karriere als Regisseur gegen Ende der 1920er Jahre in Berlin, entschied sich jedoch 1933 für eine Immigration in die USA.
«Nosferatu»-Schöpfer Friedrich Wilhelm Murnau trieb es schon Mitte der 20er Jahre in die Vereinigten Staaten, jedoch weniger aus politischen Gründen, sondern mehr wegen den dortigen Möglichkeiten der Filmproduktion. Marlene Dietrich entfernte sich früh von dem zunehmend nationalsozialistischer geprägten Deutschland und half sogar von Frankreich aus geflüchteten Künstlern mit finanzieller Unterstützung. Später wandelte sie sich in den USA zu einer der größten weiblichen Filmstars aller Zeiten. Ihr selbstbewusstes Auftreten und ihre Kombination aus Männer- und Frauenmode wären von der nationalsozialistischen Ideologie ohnehin gemissbilligt worden.
- © Nero-Film AG
Logo des Films «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» aus dem Jahr 1931
Durch diese Emigration von deutschen Filmemachern profitierte selbstverständlich Hollywood, die Traumfabrik, in der die Welt noch in Ordnung zu sein schien. Die Tradition des Weimarer Kinos und auch die des expressionistischen Films lebten somit in den Vereinigten Staaten weiter, wenn auch nicht mehr so vordergründig wie in den Goldenen Zwanzigern. Das im Nachhinein betitelte Gerne des Film Noir zum Beispiel ist ein Träger der expressionistischen Stilistik, die sich besonders in den frühen Vertretern des Genre wie «Die Spur des Falken» (1941) und «Frau ohne Gewissen» (1944) wiederfindet. «Frau ohne Gewissen» ist dabei unter der Regie von Billy Wilder entstanden, der zuvor aus Deutschland aufgrund der Nationalsozialisten in die USA emigrierte. Da sich die Handlung des Film Noir meist aus Kriminalgeschichten mit der Jagd nach einem Mörder zusammensetzt, kann man Langs «M – Eine Stadt sucht einen Mörder» (1931) durchaus als Vertreter des Genres sehen, wenn auch als einen äußerst frühen. Das für den Film Noir ikonische Zusammenspiel zwischen Licht und Schatten sowie die starken Kontrastierungen zeugt zudem von den Wurzeln in der Weimarer Filmbewegung. Der Film Noir gilt allgemein hin als ein stark von US-amerikanischen Produktionen geprägtes Genre, doch auch der in den Vereinigten Staaten aktive Fritz Lang, der die Trennung vom NS-Regime rechtzeitig schaffte, trug mit mehreren Filmen zu der Filmgattung bei. Doch nicht alle Filmschaffenden konnten vor der NS-Übernahme rechtzeitig ins Ausland flüchten. Georg Wilhelm Pabst beispielsweise wurde durch den plötzlichen Kriegsbeginn an einer potentiellen Flucht gehindert. Pabst war zurzeit des Ausbruchs am 1. September 1939 in Österreich und konnte seinen Plan der Immigration in die USA nun nicht mehr verwirklichen. Innerhalb des Zweiten Weltkrieges drehte der einstmals sehr aktive und politisch linke Regisseur nur drei Filme.
Andere Filmschaffende, deren Ideologie und oder Herkunft nicht in das NS-Bild passten, wurde ein Berufsverbot auferlegt. Durch die eigens verschuldete Emigration der zahlreichen deutschen Filmschaffenden schwand auch die Kreativität der deutschen Unterhaltungsindustrie und somit befand sie sich inmitten der 1930er Jahre in einer äußerst diffizilen Situation. Erschwerend kam hinzu, dass Deutschland nicht mehr länger von der internationalen Vermarktung ihrer Filme profitieren konnte, da sich andere Länder gegen die Politik und Kultur des zunehmend radikaler werdenden Deutschlands stellten. Die Zeit der Erfolge in Lichtspielhäusern außerhalb der deutschen Grenzen war vorüber, was sich in einem Defizit in der Finanzierung vieler Produktionen zeigte. Die natürliche Folge daraus war die Schließung zahlreicher Produktionsfirmen, bis sich letztendlich die wenigen Unternehmen herauskristallisiert hatten, die auch in finanziell schwierigen Umständen Stand halten konnte. Entgegen dem massiven Rückgang der Firmen stand jedoch die eigentliche Zahl der Filmproduktionen. Die logische Konsequenz aus dem Abbau der Betriebe wäre ein gesunkener Output an Filmen gewesen, dennoch verhielt es sich anders. Die verbliebenen Unternehmen schlugen Kapital aus dem Niedergang der Konkurrenz und weiteten die Anzahl ihrer Produktionen umso mehr aus, alles in dem Rahmen der nationalsozialistischen Filmpolitik.
Hitlerjunge Quex
Die ideologischen Hintergründe sind weitestgehend in allen Werken der NS-Filmindustrie zu erkennen. Nach der Machtergreifung 1933 wurde umgehend gehandelt und so erschien noch im selben Jahr der hochgelobte «Hitlerjunge Quex – Ein Film vom Opfergeist der deutschen Jugend». Der Film des Regisseurs Hans Steinhoff ist eine beispielhafte Formel für den nationalsozialistischen Propagandafilm. Ein deutscher Junge, der von sozialistischen und kommunistischen Einflüssen gepeinigt ist, jedoch in der strukturierten, disziplinierten und heroischen Hitlerjugend eine neue Heimat findet, letztendlich aber den Kommunisten zum Opfer fällt.
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