Da ist die obligatorische Casting-Phase vor einer Jury, bei der die (überwiegend sehr jungen) Teilnehmerinnen über den Laufsteg laufen und ihre Model-tauglichkeit unter Beweis stellen müssen. Wer drei Experten überzeugt, kommt in den Recall, wo es zwei Challenges zu meistern gilt: Den Gruppenwalk mit einigen Mitstreiterinnen sowie das Fotoshooting - was dann wiederum von der Jury beurteilt wird. Wer überzeugt, kommt nach einer die Folge beendenden langen Entscheidungsverkündung in die nächste Phase der Show, die restlichen Mädels kratzen die Kurve. Damit wäre die Konzeption der Auftaktfolge zusammengefasst. Spüren Sie die Innovation? Haben Sie das Gefühl, diese Sendung unbedingt sehen zu müssen, weil sie dem Casting-Genre etwas elementar Neues bietet oder Bestehendes reizvoll umdenkt? Glauben Sie, etwas zu verpassen, wenn Sie nicht einschalten? Vermutlich eher nicht. Und da steckt das Grundproblem.
Sicherlich kann man es bedauern, dass das wesentlich uncharmantere, moralisch fragwürdigere und die Kandidatinnen als funktionsverpflichtete Humanmasse betrachtende ProSieben-Pendant weit erfolgreicher läuft, da es mit Heidi Klum das schillerndere Aushängeschild vorzuweisen hat und verstärkt auf Krawall und Stunk setzt. Aber als «GNTM» einst startete, war ein Model-Casting durchaus noch etwas Reizvolles, Neues und televisionär kaum Erschlossenes, das Casting-Genre in seinen grundsätzlichen Abläufen noch nicht so verbraucht und Fernsehdeutschland noch nicht so abgestumpft, was typische Phrasen der Marken "härteste Challenge ever" oder "noch ahnt niemand, dass es am Ende viele Tränen geben wird" anbetrifft. Inzwischen dagegen kennt man diese Stilmittel hinlänglich und lächelt bestenfalls noch müde über dieses Spannungsgeplapper, sofern man sich nicht auf Social Media darüber belustigen möchte.
Das alles ficht «Curvy Supermodel» allerdings ganz offensichtlich nicht an. Es gibt keine nennenswerte Weiterentwicklung zur ersten Staffel, man beschränkt sich auf angestaubte Plattitüden zum Spannungsaufbau, man wirkt visuell zwar irgendwie sympathisch reduziert gegenüber «GNTM», aber im direkten Vergleich dann auch eher wie ein kleines Hinterzimmer-Casting für Mädels, die es (noch) nicht auf die ganz große Bühne geschafft haben. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Man wirkt so nett wie die Einschaltquoten der ersten beiden Staffeln, wo die Show in der Regel bei knapp einer Million Zuschauern und fünf bis sechs Prozent Zielgruppen-Marktanteil lag. Noch okay genug für einen dritten Durchgang, zumal das mediale Echo überwiegend positiv ausfällt, aber zugleich auch enttäuschend angesichts der Tatsache, dass dieses Format umfassend beworben wird und mitten im Sommerloch läuft.
- © RTL II
Welche Kandidatinnen können sowohl bei Fotoshootings, in Werbespots als auch bei Castings für reale Modeljobs überzeugen? Wer zeigt Kampfgeist? Wer setzt seine Kurven perfekt in Szene? Über 50 Kandidatinnen geben in den ersten drei Casting-Shows alles, um die Juroren zu überzeugen und in die nächste Runde zu kommen. Die Gewinnerin erhält einen Modelvertrag bei Peyman Amins renommierter Agentur PARS Management und ziert das Cover des JOY-Sonderhefts „JOY #style“.
Und ganz nett ist auch die passende Umschreibung für die Performance, die der neue Juror Jan Kralitschka zum Auftakt abliefert: Er fällt nicht groß auf, wirkt charmant und recht sympathisch, ist am Ende der knapp zweieinhalb Stunden aber auch schon wieder untergegangen im großen Pool der Castingshow-Juroren. Weitaus charismatischer als der 2013er-«Bachelor», der seine größte televisionäre Erfüllung bislang bei der Badezimmer-Sanierung im Rahmen einer WDR-Heimwerkersendung fand, ist sein ebenfalls neuer Kollege Oliver Tienken. Zwar entspricht auch er wieder in gewisser Weise einem Juroren-Klischeebild, vollbringt es aber, inhaltlich kompetent und zugleich sehr unterhaltsam und emotional zu urteilen - und ist sich darüber hinaus nicht zu schade dafür, mehrfach auch selbst auf den Laufsteg zu gehen, um Verbesserungsmöglichkeiten für die Kandidatinnen zu konkretisieren. Daneben bleiben Curvy-Vorzeigemodel Angelina Kirsch und die figürlich dann doch deutlich eher zu «GNTM» passende Jana Ina Zarrella, die aber immerhin selbst modelt und zudem als RTL-II-Sendergesicht aufgebaut wird, weiter an Bord. Das passt alles in allem schon.
Joar, und sonst so? Wenn man sich nicht daran stört, dass hier eben Casting-Show Nummer 265 ohne große inhaltliche Besonderheiten runtergespult wird, mag man seine Freude an «Curvy Supermodel» haben. Die Show ist von Tresor TV ordentlich produziert und geschnitten, die Interaktion zwischen Jury und Teilnehmerinnen passt und für leichte Unterhaltung ohne allzu böse moralische Hitzewallungen langt es allemal. Mehr kann oder möchte man seinem Publikum aber offensichtlich dann eben auch nicht anbieten, sodass man am Ende der Staffel vermutlich wieder eine mittelprächtige Quotenbilanz zu ziehen hat und darauf hoffen muss, dass zumindest der "Curvy"-Grundgedanke stark mit dieser Marke verwoben bleibt. Gelingt dies nicht, ist man endgültig in der biederen Belanglosigkeit angekommen.
RTL II zeigt sechs weitere Folgen von «Curvy Supermodel» - jetzt immer donnerstags statt montags um 20:15 Uhr.
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