Zur Person
Anfang 2018 haben Constantin Television und Drehbuchautorin Eva Kranenburg eine exklusive Zusammenarbeit für die nächsten drei Jahre vereinbart. Kranenburg ist Absolventin der 25. HFF Drehbuchwerkstatt (Jahrgang 2013/14) und erhielt 2015 den Tankred-Dorst-Drehbuchpreis für ihr Drehbuch «Die denkwürdigen Erlebnisse meines Vaters».Ich glaube, für den Teil des Publikums, der originalgetreue Nacherzählungen bevorzugt, ist die Serie überhaupt nichts. Allerdings ist sie auch so deutlich von der Vorlage entfernt, dass diese Leute gar nicht erst einschalten – und das ist auch völlig in Ordnung. Wenn ich eine Serie schreibe, muss ich mich ja zunächst selbst dafür interessieren. Und hätte ich einfach nur Süskinds «Parfum» nacherzählt, wäre das nicht der Fall. Es hat mich mehr fasziniert, etwas Neues mit Süskinds großartiger Parfummetapher zu erzählen, und da nehme ich in Kauf, wenn manche Fernsehzuschauer da aus Prinzip nichts mit anfangen können.
Was denken Sie, wo dieser Gedanke her kommt, dass eine Adaption genau so wie die Vorlage zu sein hat, obwohl das ja allein schon aufgrund des Medienwechsels nicht zu bewerkstelligen ist?
Schwer zu sagen. Ich kenne das Gefühl von mir selber, dass man sich aufregt, weil ein Buch nicht so adaptiert wurde, wie man es sich vorgestellt hat. Es hat etwas von einem Betrug, wenn das fehlt, was das Buch in den eigenen Augen besonders gemacht hat. Letztendlich tappt man meiner Beobachtung nach aber eher in diese Falle, wenn große Parallelen zur Vorlage bestehen. Dann denkt man sich: "Ja, aber wieso fehlt dann trotzdem dies und das?" Je weiter eine Adaption von der Vorlage entfernt ist, desto größer wird die Bereitschaft, sie als eigenes Werk zu erkennen, und damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass neue Ideen akzeptiert werden.
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Je weiter eine Adaption von der Vorlage entfernt ist, desto größer wird die Bereitschaft, sie als eigenes Werk zu erkennen.
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Eva Kranenburg
Es begann damit, dass Oliver Berben die Idee hatte, aus «Parfum» eine Serie zu machen. Er hat mir das Projekt vorgeschlagen und sprach dabei sofort den Gedanken an, die Handlung in die Gegenwart zu verlagern. Dafür konnte er sich mehrere Ansätze vorstellen: Es ausführlich im Heute nachzuerzählen, oder völlig frei zu hantieren. Ich meinte zu ihm sofort, dass ich am bloßen Nacherzählen kein Interesse hätte. Und noch im Gespräch kam mir der Gedanke, wie ich es stattdessen aufziehen würde. Ich hatte Internatsschüler vor Augen, die das Buch gelesen haben und davon inspiriert anfangen, mit Gerüchen zu experimentieren …
Ihr Ansatz, an «Parfum» heranzugehen, ist für die deutsche Film- und Serienlandschaft sehr ungewöhnlich. Gleichzeitig ist Ihre Serie ein Krimi und somit dann doch wieder auf einer Ebene sehr typisch für Seriendeutschland. Ist das ein beabsichtigter Kompromiss?
Durchaus. Ich glaube, dass ich in meiner Fantasie sehr unkonventionell und wild bin, was sich in der Serie auch bemerkbar macht. Und ich wollte zum Ausgleich wenigstens in der Struktur etwas Festes bieten. Etwas, das das Publikum gut durch diese Ideen durchleitet. Daher habe ich dem Stoff eine Krimistruktur gegeben.
Würden Sie sagen, dass Ihrer wilden Fantasie zum Trotz «Parfum» in unserer Wirklichkeit spielt? Oder ist die Serie in einer überhöhten Welt angesiedelt?
Ich glaube schon, dass die Serie durch die gesteigerte Anzahl an negativen Charakteren und den Umstand, dass sich das Thema der Bindungsunfähigkeit in fast jeder Figur widerspiegelt, in einer überhöhten Realität spielt. Es hat Ähnlichkeit zu einer Dystopie – eine Form der Dystopie, die kein düsteres Zukunftsbild, sondern ein düsteres Bild der Liebe vermittelt. Es ist eine Serienwelt, die zum Schluss kommt, dass der Mensch zur Liebe unfähig ist.
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Verzicht oder Entzug kommen in «Parfum» immer wieder vor. Das zeigt sich beispielsweise auch in einem visuellen Entzug – und zwar in den Landschaftsbildern. Ich habe die Serie bewusst an den Niederrhein gelegt, wo es sehr leere Landschaftsstriche gibt.
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Eva Kranenburg
Richtig, Verzicht oder Entzug kommen in «Parfum» immer wieder vor. Das zeigt sich beispielsweise auch in einem visuellen Entzug – und zwar in den Landschaftsbildern. Ich habe die Serie bewusst an den Niederrhein gelegt, wo es sehr leere Landschaftsstriche gibt. Akkurat-horizontale Ackerflächen, schnurgerade Straßen und Flüsse, niedrige Architektur … Auch das ist eine Form von Leere, ein Entzug der visuellen Informationen. Und ich finde, dass der Regisseur Philipp Kadelbach dieses ständige Gefühl der Leere, das ich im Skript ausgedrückt habe, visuell auch außerhalb der Landschaftsbilder durchgezogen hat.
War der Niederrhein Ihre erste und einzige Wahl für den Schauplatz der Serie?
Ja. Ich habe mir zwar auch andere Gegenden durch den Kopf gehen lassen, nachdem ich an den Niederrhein dachte. Mecklenburg und Brandenburg wären Optionen gewesen, weil sie ähnliche Landstriche aufweisen. Aber es blieb bei meiner ersten Idee, weil Mecklenburg und Brandenburg einfach zu lieblich sind. Da gibt es Alleen und Seen …
Ist Ihr Votum für den Niederrhein rein optisch bedingt oder liegt es auch am dortigen Gemüt?
Es war in erster Linie eine optische Sache. Allerdings spielt es der Handlung im Internat schon gut in die Karten, wie der Niederrhein seinen Katholizismus auslebt …
- © ZDF / Jakub Bejnarowicz
Serienautorin Eva Kranenburg: " Ich habe die Serie bewusst an den Niederrhein gelegt, wo es sehr leere Landschaftsstriche gibt. Akkurat-horizontale Ackerflächen, schnurgerade Straßen und Flüsse, niedrige Architektur … Auch das ist eine Form von Leere, ein Entzug der visuellen Informationen."
Wie sah die 'Ressortabgrenzung' zwischen Ihnen und Regisseur Philipp Kadelbach aus? Haben Sie sich im Skript auf Handlung und Dialog beschränkt, oder beinhalten Ihre Drehbücher auch Regievorschläge?
Ich gebe in meinen Drehbüchern Regieanweisungen. Mein Spezialgebiet ist die menschliche Interaktion, daher schreibe ich viele Gesten rein. Dafür schreibe ich nur sehr wenig zum Szenenbild. Da nenne ich normalerweise nur den Ort des Geschehens und überlasse den Rest der Regie. Wobei Philipp Kadelbach meinte, dass er für jede Regieanweisung dankbar sei, die im Drehbuch steht. Das heißt nicht, dass er alles genau so umsetzen muss. Aber er mochte es, schon auf dem Papier einen Vorschlag zu haben.
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Ich sehe selbst nicht gerne körperliche Gewalt und muss bei solchen Szenen in Filmen die Augen schließen. Das sind schon mal gute Voraussetzungen, um auch im Drehbuch nicht mehr Gewalt zu erzählen, als für die Handlung zwingend notwendig ist.
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Eva Kranenburg
Ich sehe selbst nicht gerne körperliche Gewalt und muss bei solchen Szenen in Filmen die Augen schließen. Das sind schon mal gute Voraussetzungen, um auch im Drehbuch nicht mehr Gewalt zu erzählen, als für die Handlung zwingend notwendig ist. Durch meine vorherige berufliche Erfahrung, ich bin Psychologin, forensische Sachverständige, Trauma- und Sexualtherapeutin, denke ich außerdem, einen differenzierten Blick auf die im «Parfum» enthaltenen Themen Macht, Gewalt und Sexualität mitzubringen.
Vielen Dank für das Gespräch.
«Parfum» ist ab Mittwoch, dem 14. November 2018, um 22 Uhr bei ZDFneo zu sehen. Ab dann sind zudem alle Folgen in der ZDF Mediathek abrufbar, die Ausstrahlung im ZDF erfolgt Anfang 2019.
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