Netflix möchte ein Spiel mit dir spielen
Cast und Crew
- Regie: David Slade
- Drehbuch: Charlie Brooker
- Darsteller: Fionn Whitehead, Will Poulter, Asim Chaudhry, Craig Parkinson, Alice Lowe, Tallulah Haddon, Laura Evelyn, Catriona Knox, Jonathan Aris
- Produktion: Russell McLean
- Ausführende Produzentin: Annabel Jones
- FSK: ab 16 Jahren
Während Yellin laut 'Wired' positive Erinnerungen an das erste Treffen im Frühling 2017 hat, erinnert sich Charlie Brooker ganz anders an seine Reaktion: "Ich glaube, wir gingen aus dem Raum heraus uns sagten: 'Nein!'" Er fühlte sich an alte CD-ROM-Videospiele erinnert, was Assoziationen mit einer sperrigen Steuerung geweckt habe. Dann aber überkam es Brooker und Jones in einem Story-Meeting für neue «Black Mirror»-Folgen: Man dachte darüber nach, eine Episode über einen Videospielentwickler in den 80er-Jahren zu machen, der versucht, einen Wähle-dein-eigenes-Abenteuer-Roman als Videospiel zu adaptieren. Brooker sei aufgeschreckt, in der Erkenntnis, dass diese Geschichte nur interaktiv ihr volles Potential entwickeln könnte. "Oh scheiße, jetzt müssen wir das so machen. Und das wird sicherlich kompliziert."
Erlebe das interaktive Abenteuer, wie Stefan ein interaktives Abenteuer adaptieren will
Brooker stieg in genau diesen Kaninchenbau herab: «Black Mirror: Bandersnatch» ist ein interaktiver Film, der die Dramaturgie typischer 80er-Jahre-Romane im Wähle-dein-eigenes-Abenteuer ebenso adaptiert wie den narrativen und steuerungstechnischen Duktus von Videospielen, die sich von ihnen inspirieren ließen. Er handelt von Stefan (Fionn Whitehead). Stefan ist ein Teenager, der in seiner Freizeit Videospiele entwickelt und großer Verehrer des Wähle-dein-eigenes-Abenteuer-Romans «Bandersnatch» ist. Als er beschließt, diesen Roman als Videospiel zu adaptieren, stellt er sich bei der Hit-Videospielfirma Tuckersoft vor, wo sein Videospiel-Entwickleridol Colin Ritman (Will Poulter) arbeitet. Und der Rest der Handlung liegt in den Händen derer, die sich den Film gerade anschauen … Oder etwa doch nicht!?
Autor Brooker verankert «Bandersnatch» auf mehreren Ebenen. Für manche wird es eher ein Referenzenfest sein, ein "So etwas habe ich lange nicht mehr erlebt"-Nostalgieerlebnis, ein "Hier verschmelzen mir bereits bekannte Medien zu einem Hybriden"-Trip: Wer Wähle-dein-eigenes-Abenteuer-Romane gelesen hat, oder Ausgaben der «Lustigen Taschenbücher» von Walt Disney mit Wähle-dein-eigenes-Abenteuer-Comics, wer Videospiele im Stile des Games gezockt hat, das Stefan hier zu programmieren versucht, oder aber alternativ Erfahrungen mit Videogames der kurzen "Full Motion Video"-Ära hat … Tja, diese Leute kann Brooker in «Bandersnatch» kaum mit Neuerungen überraschen. Sie kennen das Grundprinzip, also gilt es, eine Hommage abzuliefern, die schlicht in der Umsetzung anstrebt, zu den besseren Vertretern dieser holprigen Erzähltradition zu gehören.
Und so gibt es abrupte, frühe Wege, die Geschichte enden zu lassen. Und spätere Enden, die thematisch jedoch völlig unvorbereitet aus dem Nichts kommen und das bisher Gesehene aus links drehen. Es gibt Szenen, in denen Figuren fast schon direkt in die Kamera sprechen und mit ihren Dialogen alles andere als subtile Hinweise über die Steuerung, die Steueroptionen oder den bestmöglichen Spielverlauf geben. Manchmal hat man nur scheinbar freie Wahl. Das ist alles nicht neu, in dieser Umsetzung aber eben doch: Die Steuerung dieses filmischen Videospiels (oder videospielhaften Films) läuft wie geschmiert, die filmische Immersion bleibt deutlich stärker intakt als bei FMV-Games und allen Sackgassen zum Trotz ist die narrative Dichte stimmiger, in sich schlüssiger, als in Wähle-dein-eigenes-Abenteuer-Geschichten üblich.
Und alle, die bislang keinerlei Berührungspunkte mit dem hatten, worauf sich Brooker in «Bandersnatch» bezieht, bekommen eine Meta-«Black Mirror»-Folge zum Mitgestalten, in der die Regeln dieses Mediums zügig erklärt werden und sich das vor einem ausbreitende Geflecht aus Mystery, Psychodrama und dystopischem Thriller inhaltlich gewieft mit dem interaktiven Gimmick doppelt. Abhängig vom bislang gewählten Weg des Medienkonsums ist es hypnotische Innovation oder kesse Gimmick-Hommage – oder aber der Funke zündet einfach gar nicht und man liegt schon bald desillusioniert am Boden. Es kann ja nicht immer funktionieren.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
06.01.2019 00:19 Uhr 1
Hab gerade kein Netflix um mal reinzuschauen.
06.01.2019 13:09 Uhr 2
Eine schöne Seite zum Recherchieren des VOD Angebotes ist