Die Kritiker

«Pastewka» #9: Na gut, dann halt wieder sowas wie Alltag

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Für die Einen wird es die Rückbesinnung zu den Wurzeln sein, für die Anderen eine kleine Kapitulationserklärung der Serienmacher – aber so oder so macht die neue «Pastewka»-Staffel großen Spaß.

Was bisher geschah …


Vier Jahre waren seit Staffel sieben ins Land gezogen, als «Pastewka» im Januar 2018 endlich zurückkehrte. Vieles hat sich in der Zwischenzeit getan. Der Fernsehzirkus hat sich weiterentwickelt, vor allem die von Hauptfigur Bastian Pastewka so geliebte Welt der Serien. Sogar die oft belächelte deutsche Serienindustrie machte Fortschritte. Und auch ein Bastian Pastewka wird nicht jünger, sei damit der reale Entertainer gemeint oder seine fiktionalisierte «Pastewka»-Serienversion. Und dann kehrte das Format zudem an neuer Stelle zurück: Aus der Sat.1-Sitcom, die bevorzugt in der späten Primetime gesendet wurde, wurde nun eines der ersten deutschsprachigen Formate des milliardenschweren Weltkonzerns Amazon.

Das hinterließ auch an Staffel acht von «Pastewka» seine Spuren. Vier Jahre nach der siebten Season angesiedelt, sehen wir einen durch seine Nebenrolle in der von ihm verhasste Serie «Frier» fast schon totgenudelten Bastian Pastewka, um den herum sich so vieles änderte. Nichte Kim ist erwachsen und vernünftig geworden, Bruder Hagen und Meckertante Bruck haben geheiratet und sind glückselig. Durch ein Missverständnis kommt es dann zur Trennung zwischen Bastian und seiner Dauerverlobten Anne – ein Schritt, der schon länger absehbar war, schließlich kriselte es sich schon in den letzten paar Staffeln vor sich her. Ziellos, joblos, beziehungslos und von allem genervt stürzt sich Bastian Pastekwa in einen Selbstfindungstrip, oder wie alle anderen sagen, in eine Mid-Life-Crisis.

Für die Einen war dies eine Staffel der Entwicklung. Die Sitcom wurde zur Dramedy, das stete Festhalten am Status quo in die Tonne gekloppt, bevor die Serie einschläft. Eine horizontale Erzählweise setzte sich durch, die dramatischen Zwischentöne wurden dadurch ausgeglichen, dass Pastewka nicht mehr zum Abschluss jeder Folge in ein gigantisches Fettnäpfchen stolpert, das er zuvor selber bereit gelegt hat. Der Produktionsaufwand wuchs, ebenso die Anzahl der Schauplätze. Für andere «Pastewka»-Fans war es eine Staffel der Enttäuschungen. Weg waren viele Running Gags, die in sieben Seasons aufgebaute Familiarität wurde zerstört und wer will schon Mid-Life-Crisis-Bastian sehen, wie er leicht bekleidet oder gar nackt durch die Welt irrt?

Was dieses Mal geschieht.


Die Serienmacher haben sich offenbar die Kritik der unzufriedenen Fans zu Herzen genommen: Zwar eröffnet auch diese Staffel mit einer Folge, die die doppelte Laufzeit als sonst aufweist, aber davon abgesehen kehrt viel Alltag zurück. Mehr Running Gags werden geboten und lieb gewonnene Requisiten sind wieder da. Die dramatischen Zwischentöne sind massiv zurückgeschraubt, die Serie ist wieder primär eine Comedy und jede Folge endet damit, dass Bastian Pastewka volles Rohr in ein Fettnäpfchen tritt. Aber es ist wenigstens nicht so vorhersehbar wie in den mittleren Sat.1-Staffeln. Zugleich wird das Maß an Charakterentwicklung gedrosselt, ohne sogleich völlig in eine Sitcom-Narrative höchst rarer Änderungen zurückzufallen.

Düste Bastian Pastewka in Staffel acht im Eiltempo durch eine Sinnkrise, kommt Staffel neun in Sachen Charakterskizze im Schrittempo voran. Statt Sinnsuche und Selbstentdeckung stehen nun das Retten der TV-Karriere (mit einer kitschig-peinlichen ZDF-Medizinserie namens «Ein Engel für alle Fälle») sowie das Zurückerobern von Anne im Fokus, wobei sich von Folge zu Folge nur stückchenweise etwas tut. Was an Charaktermomenten gespart wird, wird durch ein Mehr an Situationskomik und TV-Business-Persiflage wieder gut gemacht. Und auch wenn Staffel neun mehr Schauplätze aufweist als die alten Sat.1-Staffeln, bemühen sich die Serienmacher nun darum, eine neue Serienheimat aufzubauen, was sich auch inszenatorisch auswirkt: Weniger ausschweifende Kamerafahrten, mehr "hochwertige Comedyserie"-Feeling.

Was ist davon zu halten?


Für die Einen wird es ein Rückstürz sein, für die Anderen eine Heimkehr, ganz abhängig davon, wo man sich selbst in der großen Debatte um Staffel acht positioniert hat. Aber ganz gleich, ob man nun sagt "Tja, dann halt wieder zurück zum alten Schema" oder "Na endlich, genau das wollte ich", ist «Pastewka» (wieder einmal) viel zu gut gemacht, um groß zu klagen. Es ist vielleicht ein bisschen fragwürdig, wie rasch sich Serien-Bastian von seiner Vollkrise in Staffel acht erholt hat, aber da Season neun ein halbes Jahr später angesiedelt ist, wollen wir mal im Zweifel für den Angeklagten stimmen und über seine Peinlichkeiten am ZDF-Set lachen, statt über Inkonsistenzen zu wimmern. Zumal das «Pastewka»-Team sich redlich darum bemüht, die Bitten der mit Runde acht unzufriedenen Fans zu erfüllen, ohne direkt ins Jahr 2005 zurückzustürzen.

Der feine Dialogwitz und die groben Fremdscham-Peinlichkeiten bleiben wie gehabt toll, Bastian Pastewka hat sich als Hauptfigur derweil ein bisschen weiterentwickelt. Er verweist nun auf modernere Serien. Und er kann, wer hätte das je gedacht, sehr gut mit seiner Nichte umgehen und ist ein löblich besorgter Onkel, der immer dann als Ersatzelternteil einspringt, wenn Hagen und die Bruck mal wieder Party machen wollen. Diese Karma- und Sympathiepunkte hat Bastian auch dringend nötig, denn er ist in anderen Beziehungen so kindisch wie lange nicht mehr. Er stalkt seiner Ex hinterher und lebt weit über seine Verhältnisse, um sich dann zu beklagen, wenn das Konto mehr Staub als Geld abwirft. Kurzum: Es ist unterm Strich noch immer der gute, alte, ichbezogene, irgendwie gutmütige, aber irgendwie auch völlig abartige Bastian "Fremdscham" Pastewka, den wir in der Serie zu lieben und zu verurteilen gelernt haben.

Sonsee Neu darf als Anne in Staffel neun stärker aufspielen denn je in dieser Serie und allen Frust, alle Wut, sämtliche Enttäuschung und auch Abscheu ihrer Rolle vom Leder ziehen, ohne die Urgemütlichkeit Annes zu betrügen, die sie so lange tapfer durchgezogen hat. Cristina do Rego feilt weiter die neue, geerdete Kim aus, die in Staffel acht zu den Highlights gehört hat, Bettina Lamprecht keift sich gekonnt-giftig als etwas gemäßigtere Bruck durch ihr Material und Matthias Matschke liefert gewohnt das ab, was ihn zu einem beliebten Teil der Serie machte.

«Traumschiff»-, «Rosamunde Pilcher»- und «Alarm für Cobra 11»-Veteranin Katja Woywood unterdessen spielt den wichtigsten neuen Part, und zwar eine Pastewka verabscheuende Version ihrer Selbst, die sich mit ihm beim Dreh von «Ein Engel für alle Fälle» immer wieder anlegt. Eingangs noch etwas zu steif, um als neue Dauerrivalin vollauf zu überzeugen, dreht Woywood spätestens in der zweiten Staffelhälfte so richtig auf. Eh ist alles, was sich um «Ein Engel für alle Fälle» dreht verflixt komisch. Auch Chris Tall, den sich die Serie als oberreicher Obermotz im Stile eines dekadenten US-Rappers vorstellt, trifft den herrlich albernen Ton der «Pastewka»-Branchenparodien.

Als nachgereichter stilistischer Mittelweg zwischen Staffel sieben und Staffel acht erfüllt Runde neun von «Pastewka» exakt ihren Zweck und lustig ist sie sowieso. Bleibt nur abzuwarten, wo sich Staffel zehn hinbewegt, denn zu viel alter Trott sollte in Runde zehn nicht wiederbelebt werden, will man den Figuren gerecht bleiben.

«Pastewka» lässt sich via Amazon Prime streamen.

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