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Die Geschichte der 91. Academy Awards wird derweil noch geschrieben, und es stehen viele Optionen für einen knalligen Abschluss dieses Oscar-Jahrgangs offen. Sollte der Mega-Kassenschlager «Bohemian Rhapsody», den viele Kritiker in der Luft zerrissen haben und der zudem vom mutmaßlichen Sexualäter Bryan Singer inszeniert wurde, den Hauptpreis erhalten, dürfen wir damit rechnen, dass die Film-Filterblasen diverser sozialer Netzwerke implodieren. Ähnliches sollte für einen Sieg der Wohlfühl-Rassismusdramödie «Green Book» gelten. Und der von Kritikern gefeierte und immens erfolgreiche Superheldenfilm «Black Panther» bekommt aktuell (nicht nur, aber gerade) in europäischen Medien eine kuriose Gegenwehr zu spüren, die bei einem Oscar-Sieg wohl kaum abbrechen wird.
Und trotzdem stehen die Chancen nicht schlecht, dass die 91. Academy Awards mit einer ganz anderen Sache in die Geschichte eingehen – nämlich mit dem ewigen Hick-Hack, das diese Saison über betrieben wurde …
Mehr Popularität! Ach, nee, lasst mal!
Der Oscar-Rummel begann mit der Entscheidung der Academy, eine neue Kategorie einzuführen. Vorläufig als Würdigung "Herausragender Leistungen im Populärfilm" bezeichnet, sollte diese neue Sparte erstens dafür sorgen, dass Filme Oscar-Chancen haben, die gemeinhin nicht als Oscar-Futter gelten, und zweitens die Oscar-Einschaltquoten pushen. Frei nach dem Motto: Wenn mehr Filme, die mehr Leute gesehen haben, mitmischen, schauen auch mehr Leute zu.
Die Einführung einer Poulärfilmsparte wurde mit Ratlosigkeit und Unverständnis begrüßt: Was macht einen Film zum Populärfilm? Was bringt es, einen Katzentisch zur Oscar-Gala mitzubringen, der quasi ausstrahlt: "Ihr seid nicht gut genug für den echten besten Film, aber berühmt genug hierfür"? Und was passiert, wenn ein typischer Oscar-Film zudem groß Kasse macht? Nach langen Diskussionen und Gegenwehr solch profilträchtiger Filmschaffender wie Steven Spielberg wurde die neue Kategorie (vorerst?) aufgegeben.
Kevin Hart als Moderator! Ach, nee, lasst mal!
Die Aufgabe, die Oscar-Verleihung zu moderieren, galt in den vergangenen Monaten als eine der unbeliebtesten in der US-Medienbranche. Zu harsch seien die Kritiken in den letzten Jahren ausgefallen. Zu heikel sei die politische Lage: Politische Gags wolle man sich nicht zutrauen, apolitische Oscar-Moderatoren müssten derweil mit Kritik für ihre apolitische Haltung rechnen. Und mit voranschreitender Zeit kam der Stress einer immer kürzeren Vorbereitungszeit hinzu. Hinter den Kulissen wurde außerdem der Druck seitens ABC ausgeübt: Es müsste ein möglichst berühmter Name sein, um die Quoten zu stärken. Gleichwohl dürfte es niemand sein, der für Konkurrenzsender tätig ist – während die Academy sich dringend einen Namen mit klarer Bindung zum Filmgeschäft gewünscht hat, statt erneut auf einen Showmoderator zu setzen. Schlussendlich schien die Academy aber endlich wen gefunden zu haben, der dem Stellengesuch entsprach und Lust hatte: Komiker und Schauspieler Kevin Hart.
Nach dieser Bekanntgabe wurde in sozialen Netzwerken allerdings debattiert, ob Kevin Hart ein guter Repräsentant für die Filmbranche sei, da er in der Vergangenheit wiederholt homophobe Stand-up-Routinen hatte. Die Academy bat Hart darum, sich für diese Gags zu entschuldigen, was Hart nicht nur verweigerte – er veröffentlichte ein Instagram-Video, in dem er erklärte, sich nicht entschuldigen zu möchten. Kurz danach war Kevin Hart nicht weiter Oscar-Moderator in spe.
Weniger ist mehr! Ach, nee, lasst mal!
Nach mehreren Monaten, in denen es hieß, die Academy und ABC wollten unbedingt eine Oscar-Verleihung auf die Beine stellen, die maximal drei Stunden dauert, wurden auch die entsprechenden Programmideen bekannt. So sollten nur zwei der fünf Oscar-nominierten Lieder während der Show gesungen werden – nämlich die Chartstürmer aus «A Star Is Born» und «Black Panther». Das führte zu erzürnten Reaktionen von Filmfans, den Teams hinter den anderen drei nominierten Liedern, sowie auch von einer solidarischen Lady Gaga, die der Academy mitteilte: Entweder werden alle Lieder auf die Bühne gebracht, oder ich singe nicht. Und, siehe da – nun sollen doch alle fünf Songs ihren Weg in die Oscar-Show finden.
Nachdem dieses Hickhack durch die Medien ging, zog die Academy eine Drohung durch, die sie bereits im Zuge der Ankündigung der Populärfilmkategorie gemacht hat. Naja. Sie versuchte es: Um eine kürzere Show zu gewährleisten, müssten "kleinere" Kategorien aus der Liveshow gestrichen werden. Der reine Zufall sollte bestimmen, welche Sparten nur in Form einer Zusammenfassung gezeigt werden. Im Februar wurde dann eine piratige Losfee heraufbeschworen, die vier Kategorien über die Planke schicken sollten: Bester Kurzfilm, bestes Make-up & Hairstyling, beste Kamera und bester Schnitt.
Zahlreiche Filmschaffende sprachen sich erzürnt dagegen aus, woraufhin der Academy-Vorstand zunächst bockig reagierte. Nein, man würde entgegen der weitläufigen Auffassung so keine Kategorie degradieren, hieß es, und man werde keinesfalls von diesem Plan abrücken. Wenige Stunden nach diesem Statement ruderte die Academy zurück.
So. Wie viel wetten wir, dass die Academy es dieses Jahr irgendwie hinbekommt, kurz nach der Oscar-Verleihung eine der vergebenen Trophären zurückzurufen?
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