Filmfacts: «Beach Bum»
- Start: 28. März 2019
- Genre: Komödie/Drama
- Laufzeit: 95 Min.
- FSK: 16
- Kamera: Benoît Debie
- Musik: John Debney
- Buch und Regie: Harmony Korine
- Darsteller: Matthew McConaughey, Snoop Dogg, Isla Fisher, Martin Lawrence, Jonah Hill, Zac Efron, Tonya Oliver
- OT: The Beach Bum (CH/UK/FR/USA 2019)
Bei Korines neuem Werk «Beach Bum» sieht das zumindest aus PR-Sicht schon mal ein wenig anders aus. Auch hier wird vor schöner Kulisse viel gefeiert – doch diesmal geht es Korine gar nicht so sehr darum, die Feierei anschließend auch noch bissig zu kommentieren. «Beach Bum» ist – im wahrsten Sinne des Wortes – ein 95 Minuten langer Trip mit Matthew McConaughey («White Boy Rick»), auf den man sich einlassen muss, um Ähnliches zu verspüren, wie der verdrogte Philosoph, der von alledem gar nichts mitzubekommen scheint.
Ein Philosoph in Florida
Moondog (Matthew McConaughey) ist ein Lebenskünstler, wie er im Buche steht – ein vom Genie geküsster Poet, der seine Existenz in den entspannten Keys von Florida nur den Drogen und den Frauen widmet. Zu seinem Glück liebt seine schöne und wohlhabende Frau Minnie (Isla Fisher) ihren Moondog genau deshalb. Bis ein tragischer Unfall Minnie aus dem Leben reißt: In ihrem letzten Willen erklärt sie, dass Moondog seinen Anteil am stattlichen Erbe nur dann erhalten kann, wenn er sein seit Jahren geplantes neues Buch endlich vollendet. Startschuss für eine aberwitzige Suche nach Inspiration, die unseren Helden die verrücktesten Dinge erleben und schrägsten Typen treffen lässt…
Selten war es leichter, beide Seiten der sich bereits in Kritiken abzeichnenden, weit auseinander gehenden Stimmen zu ein und demselben Film zu verstehen, als im Falle von «Beach Bum». Harmony Korines Odyssee eines zugedröhnten Schriftstellers lässt sich ebenso leicht lieben wie hassen – findet man als Zuschauer nicht relativ zügig einen Zugang zu Moondog (oder zumindest zur hier vorgelebten Atmosphäre), ist man schnell verloren. Von der Geschichte darf man nämlich nicht viel erwarten. Harmony Korine erzählt sie nur im Vorbeigehen, bruchstückhaft, assoziativ und mit dem Schwerpunkt auf Stimmung. Dafür zeichnet der auch für das Drehbuch verantwortliche Korine seinen Protagonisten als absolut unzuverlässigen Erzähler und bleibt inszenatorisch von Anfang an bewusst mehrdeutig. Die klar in der Realität zu verortenden Szenen sowie jene, die im verwässernden Rausch stattfinden, verschmelzen hier von Anfang an ineinander. Das geht so weit, dass man am Ende von «Beach Bum» glauben könnte, die vergangenen 95 Minuten waren vielleicht alle bloß eine große Illusion und nichts davon hat so tatsächlich (also in dem, was hier als „echte Welt“ dargestellt wird) stattgefunden.
Wir wollen an dieser Stellen keine Einschätzung darüber abgeben, welche Momente man in «Beach Bum» für bare Münze nehmen sollte, und welche lediglich das Ergebnis von Moondogs Drogentrips sind – letztlich soll man das vermutlich auch gar nicht. Vielleicht macht es sich Harmony Korine damit zu leicht: Wenn sich in der hier abgebildeten Realität ohnehin alles den Drogen unterwirft und sich dadurch irgendwann alles zu einem einzigen großen (Glücks-)Gefühl vermengt, muss sich Korine an kein innerlogisches Inszenierungs- und Erzählkonzept mehr halten und genauso freidrehen, wie seine Hauptfigur. Das kann man billig finden, oder aber konsequent.
Ein Film wie ein Rausch
Die Frage danach, worum es in «Beach Bum» denn nun aber geht, lässt sich allenfalls so vage beschreiben wie Matthew McConaughey rückblickend vermutlich beschreiben könnte, wie es ihm während der Dreharbeiten ergangen ist. Dass dieser als Moondog nämlich nicht tatsächlich die ganze Zeit auf Drogen war, ist im Anbetracht des Endergebnisses kaum zu glauben. McConaughey tänzelt hier durch das Urlaubsparadies Florida, streichelt Katzen, verführt Frauen, philosophiert mit seiner schönen Gattin und zieht sich ein Betäubungsmittel nach dem anderen rein, sodass sich eine Anwesenheit seiner Person allenfalls körperlich, aber nie geistig attestieren lässt.
Spricht man normalerweise davon, dass Jemand nur noch „ein Schatten seiner selbst“ ist, ist das in der Regel negativ konnotiert. Harmony Korine begreift diese Wortschöpfung dagegen als transzendentalen Schwebezustand, in dem Moondog hier durch die Gegend irrt. Dass das auch direkt das Einzige ist, worüber sich seine Figur definiert, kann man als Zuschauer – wie eigentlich alles an «Beach Bum» – lieben oder hassen. Was allerdings auch so gelingt, ist die von der Atmosphäre und Moondog ausgehende Sogwirkung, sodass man als Zuschauer alsbald auf einer ähnlichen Wahrnehmungsebene ist, wie die Hauptfigur. «Beach Bum» ist ein Film, der selbst zum Rausch wird.
In einigen wenigen Szenen scheint kurz eine Narrative durch. Das macht sie für sich genommen zwar besonders intensiv – etwa wenn Moondog seine Ehefrau Minnie eines Abends am Strand in den Armen eines anderen sieht oder sie kurz darauf (und sehr früh im Film) bei einem Unfall ums Leben kommt. Gleichzeitig ordnen sich solche erzählerisch wichtigen Momente wiederum klar der drogengeschwängerten Atmosphäre unter. Und so hält sich «Beach Bum» anschließend nicht etwa lang am Trauerprozess des gehörnten Neu-Witwers auf, sondern widmet sich direkt wieder den schwelgerischen Eskapaden des Poeten, der fortan allerlei verschiedene Kontakte knüpft, hin und wieder zur See schippert – inklusive einer ausführlichen Splatter-Einlage nach einem unglücklichen Hai-Zusammenstoß – und sogar für eine Weile in einer Entzugsklinik eincheckt; wenngleich nur, um hier kurz auf Zac Efron in einer kleinen Nebenrolle zu treffen, dessen Auftritt gern länger hätte ausfallen dürfen.
Mit dieser Laissez-Faire-Attitüde kommt nicht nur Moondog durch seinen Alltag als mit einer Schreibblockade kämpfender Autor, sondern auch der Film durch seine 95 Minuten. Einen Kommentar auf dieses bunte Treiben verkneift sich Harmony Korine konsequent bis zum Schluss. Ganz so, als habe er mit «Spring Breakers» ohnehin schon alles zu dem Thema gesagt, sodass er es ab sofort dem Zuschauer allein überlässt, ob es die Moondoog-Eskapaden nun verteufelt, oder sich an ihnen ergötzt. Vielleicht lässt sich in der letzten Einstellung von «Beach Bum» so etwas wie die ultimative Wahrheit erkennen. Vielleicht ist all das hier nur Schein, der Film eine einzige Hommage an den sinnlosen Rausch, wahlweise in Form von Drogen, Geld oder auch dieses Films. Vielleicht ist er Schund, weil nie so richtig durchkommt, was Korine uns denn nun eigentlich sagen will. Aber vielleicht geht das Eine ja nie wirklich ohne das Andere.
Fazit
Love It Or Leave It – an Harmony Korines «Beach Bum» werden sich die Geister scheiden – nicht zuletzt, weil der Regisseur mit seiner Matthew-McConaughey-One-Man-Show letztlich so etwas wie den Gegenentwurf zu «Spring Breakers» abliefert und seine Figuren hier über die Strenge schlagen lässt, ganz ohne es zu kommentieren.
«Beach Bum» ist ab dem 28. März in den deutschen Kinos zu sehen.
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