Interview

UFA Serial Drama-Produzent Reinhardt: „Eine erfolgreiche Daily ist eine All-Inclusive-Versicherung“

von

So plant Guido Reinhardt das Jubiläum 25 Jahre «Unter uns»: Der Fernsehmacher ist zur Zeit für «Unter uns» und «Freundinnen» verantwortlich. Bei erster Serie plant er gerade ein Event zum 25-jährigen Jubiläum und berichtet über eine große Geschichte rund um die Figur Tobias. Bei «Freundinnen» hat er die Hoffnung auf eine zweite Staffel noch lange nicht aufgegeben. Zudem sprechen wir über die Chancen von Daily-Machern, die durch den Boom der Streaming-Dienste entstehen.

Zur Person: Guido Reinhardt

Reinhardt ist Produzent bei UFA Serial Drama. 1967 in Bensberg bei Köln geboren, absolvierte er zwischen 1989 und 1992 selbst eine Schauspielausbildung. Es folgte eine Zeit am Theater und ein Medizinstudium - und schließlich der Weg zurück ins Fernsehgeschäft. Bei der damaligen Grundy UFA arbeitete er zunächst für «Unter Uns». Seit 2005 trug er die Verantwortung auch für «GZSZ» und die damalige Weekly «Hinter Gittern». Zeitgleich begann die Entwicklung der dritten RTL-Daily «Alles was zählt». Seit 2008 ist er in seiner Funktion gesamtverantwortlich für die Formate von Ufa Serial Drama. Inzwischen arbeitet er intensiv an «Unter Uns» und «Freundinnen - Jetzt erst Recht!».
Wie bewerten Sie den bisherigen Start ins «Unter uns»-Jahr? Die Sendeschiene nach 17 Uhr hatte bei RTL ja durchaus Probleme.
Wir würden uns schon wünschen, dass die Quoten die qualitative Stärke der Sendung ein bisschen mehr abbilden. Aber wollen wir die Quoten mal ganz genau analysieren?

Gerne. Ich kann auch anfangen. Zu berücksichtigen gilt natürlich der Umbruch des kompletten RTL-Nachmittags und auch das weiterhin schwierigere Lead-In um 17 Uhr.
Ganz genau. Für mich gibt es noch weitere, wesentliche Kernzahlen wie zum Beispiel die Verweildauer. Wie lange schauen die Zuschauer unsere Folgen? Daraus kann ich ablesen, ob unsere Spannungsbögen stimmen. Natürlich gibt es auch seitens RTL umfassende Marktforschungen zu allen laufenden Dailys, so auch zu «Unter uns». Angesichts der Volatilität der Quoten am Nachmittag zeigt sich die Serie sehr stabil. Das ist dann nämlich die zweite Kennzahl, die mir immer wichtig ist: Wie verhält sich die Serie gegenüber dem Lead-In? Gewinnt oder verliert sie Zuschauer... Hier hat «Unter uns» immer sein Publikum eigenständig generieren können. Das ist keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass es die Serie nun seit fast 25 Jahren gibt. Unser Jubiläum werden wir noch in diesem Jahr feiern.

Da planen Sie ein richtig fettes Event?
Es wird kein Einzelevent werden wie etwa bei «GZSZ» - das ist schon wegen des Sendeplatzes nicht möglich. Aber wir werden eine ganze Zeit lang eventisch laufen – also besondere Geschichten erzählen, die über Wochen anhalten. Und mit diesen Geschichten werden wir zugleich auch die Weichen für die nächsten erfolgreichen Jahre stellen.

Welche Geschichte wird das Frühjahrs/Sommer-Highlight in der Schillerallee?
Wir starten am Freitag eine starke Geschichte um Tobias Lassner, gespielt von Patrick Müller, die signifikante Auswirkungen auf seine Figur haben wird. Hierzu sind wir in der Vorbereitung eine enge Kooperation mit der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe eingegangen. Jeder kann sich somit denken, welcher Schicksalsschlag Tobias im wahrsten Sinne des Wortes treffen wird. Es wird dramatisch rund um die Familie Huber zugehen, und wir werden eine weitere Eskalation im Vater-Sohn-Konflikt zwischen Till und Conor erleben, da beide die gleiche Frau lieben, unglücklicherweise ist sie die Ehefrau von Till und die Stiefmutter von Conor, Eva.

Zur Schlaganfall-Geschichte: Wie lange werden Sie diese Story erzählen?
Sie wird sich vom Frühjahr den kompletten Sommer über bis in den Herbst erstrecken. Wir wollen sie authentisch erzählen und ein Schlaganfall ist nichts, das nach wenigen Wochen einfach so weggeht. Uns ist es wichtig, dass wir die Geschichte ebenso dramatisch wie auch liebevoll erzählen. Wir wollen sie auch positiv aufladen, – das Prinzip Hoffnung und der Kampf gegen eine Krankheit an deren Ende auch ein Neuanfang und eine neue Liebe entstehen können.

Das ist ja ein ziemlich ernstes Thema. Daraus lässt sich schließen, dass die Zuschauer in täglichen Serien bei Weitem nicht nur seichte Stoffe serviert bekommen wollen?
Auf keinen Fall, Drama ist die Basis, aber auch wie eine solche Geschichte erzählt wird. Im Übrigen auch mit welcher Figur: Bei uns fiel die Wahl relativ schnell auf Tobias, weil er eben sehr besondere Ecken und Kanten hat. Er hat auch etwas „Nerdiges“ an sich, wobei dies dann auch den besonderen Humor der Figur ausmacht. Weil wir in dieser Geschichte konsequent auch das Prinzip Hoffnung bedienen wollen, passte das gut.

Kürzlich lief die 159. und vorerst letzte Folge von «Freundinnen – Jetzt erst recht». Sind Sie enttäuscht über die aktuelle Situation?
Nein, weil das von Anfang an die Abmachung war. Die Bestellung ging immer über eben diese 160 beziehungsweise jetzt 159 Folgen. Ich finde, dass es eine ganz mutige Entscheidung von RTL war, um 17 Uhr nach der «Betrugsfälle»-Ära auf Fiction zu setzen. Und nach 159 Folgen bin ich zu Recht stolz auf unser Produkt. Es war auch immer eine Abmachung mit RTL, dass wir eine Serie produzieren, die sich wiederholen lässt. Zur Zeit sehen wir die ersten Sendungen in der Wiederholungsausstrahlung. Die Quote überrascht mich positiv, da sie höher ausfällt als der Start der Erstausstrahlung, bei jahreszeitlich bedingter geringerer Reichweite.

Gerade in diesen Tagen – und das habe ich in 25 Jahren nicht erlebt – schreiben mich persönlich vermehrt Zuschauer via E-Mail an und wünschen sich eine zweite Staffel.

Sie sprechen von einer geplanten Pause: Aber ehrlich: Hätten die «Freundinnen» konstant 15 Prozent geholt, wäre von einer Pause doch keine Rede.
Wenn wir konstant zweistellig gelaufen wären, hätten wir trotzdem diese Pause gehabt. Eben weil eine Wiederholung Teil der Verabredung war.

Wie ist denn das weitere Vorgehen? RTL hat sich ja bisher alles offen gehalten, aber es ist doch nicht davon auszugehen, dass man einen solchen Tanker binnen weniger Tage wieder startklar kriegt?!
Wir warten jetzt ab, wie sich die Quoten der Wiederholungen entwickeln. Diese sind gerade extrem spannend. Klar ist natürlich auch, dass es bei den «Freundinnen» nun eine andere Erwartungshaltung gibt. Wir waren ja schon mehrfach im zweistelligen Bereich unterwegs. Ich möchte daran erinnern, dass wir im August im Bereich von fünf bis sechs Prozent gestartet sind und uns dann auf acht bis neun Prozent im Durchschnitt hochgekämpft haben. Das ist eine Leistung per se, sollte eine zweite Staffel kommen, müsste sie die Zweistelligkeit dauerhaft erreichen.

Zu «Freundinnen» liegen inzwischen zwei große Marktforschungen vor – das ist ein klarer Vorteil. Wir sehen daran, dass wir vieles richtig gemacht haben, wissen aber auch, wo wir in einer zweiten Staffel ansetzen müssen.
UFA Serial Drama Produzent Guido Reinhardt
Es ist ja zu hören, dass auch filmpool eine Soap für den 17-Uhr-Slot vorbereitet.
Ich denke, dass wir uns Mitte Mai mit RTL treffen werden und dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Zu «Freundinnen» liegen inzwischen zwei große Marktforschungen vor – das ist ein klarer Vorteil. Wir sehen daran, dass wir vieles richtig gemacht haben, wissen aber auch, wo wir in einer zweiten Staffel ansetzen müssen.

Aber es gibt die Gefahr, dass Sie einige Darsteller für eine zweite Staffel nicht bekommen können, weil diese in den vergangenen drei Monaten vielleicht neue Engagements übernommen haben.
Die Gefahr gibt es immer.

Sind denn die großen Streaming-Dienste schon bereit für eine eigene Daily-Soap aus Deutschland?
Sagen wir mal so: Es ist nicht auszuschließen. Nüchtern betrachtet: Egal ob deutsche Anbieter oder internationale; ihr Erfolg basiert darauf, dass sie große und gute Geschichten erzählen mit einer großen und / oder extremen Prämisse. Das klassische Daily Drama ist da eher ein Modell für das lineare Fernsehen. Eine Verabredung mit Freunden. Aber es gibt keinen Grund, warum sich solche Strukturen nicht auch im Streaming-Bereich nutzen ließen.

Nachdem sich zuletzt auch Sat.1 die Finger an einer Daily-Soap verbrannt hat und RTL II jüngst klar machte, vorerst nur auf die Geschichten aus Köln und Berlin zu vertrauen: Bei welchem Sender macht es denn noch Sinn, vorstellig zu werden? ZDF? Das Erste? Doch nochmal Sat.1?
Ich sehe mich zunächst einmal nicht nur als reinen Daily Drama-Produzenten, sondern eher als Serien-Mensch. Ich glaube, dass die Nachfrage in diesem Bereich unbestritten hoch ist. Speziell bezogen auf das Genre der Daily mag es sein, dass es heute schwerer ist, einen Neustart zu wagen. Ich kann aber nur alle Beteiligten immer wieder ermutigen, einen neuen Versuch zu starten – denn eine erfolgreiche Daily ist eine All Inclusive Versicherung für eine dauerhafte Zuschauerbindung.

Danke für das Gespräch.

Kurz-URL: qmde.de/108985
Finde ich...
super
schade
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«The 100» startet schwach in Staffel sechs - CBS-Krimi bleibt Marktführernächster ArtikelGroßes Gerner-Drama bei «GZSZ» punktet in der Kernzielgruppe
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung