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85 Jahre Donald Duck (Teil I): Vom frischen, frechen Wind zur Nummer eins

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Donald Duck, der bekannteste Erpel der Film- und Comicwelt, wird 85 Jahre alt. In einer dreiteiligen Serie blickt Quotenmeter.de auf einige Stationen in seiner Geschichte. Teil eins widmet sich den Personen, die ihn anfangs geformt haben.

Die Entstehung eines heiseren, nuschelnden Weltstars


Donalds Sprecher

Anders als Micky Maus durchlief Donald Duck im englischsprachigen Original sehr wenige Wechsel seines Stammsprechers: Von 1934 bis 1985 sprach ihn Clarence Nash, der seinen Nachfolger Tony Anselmo anlernte. Dieser spricht Donald bis heute in den Originalfassungen. In der Vorschulserie «Micky und die flinken Flitzer» ersetzt ihn allerdings Daniel Ross.

Für die deutsche Fassung wurden jahrzehntelang deutschsprachige Takes Nashs verwendet, ehe 1988 erstmals Peter Krause eingesetzt wurde. Krause ist seither Donalds deutsche Feststimme – mit einer prominenten Ausnahme: Thomas Keck sprach Donald Duck in der Original-«DuckTales»-Serie.
85 Jahre praktisch kontinuierlich eine relevante Rolle in der Popkultur zu spielen, ist keine Leichtigkeit. Da hilft auch kein gigantisches Marketingbudget, denn selbst wenn sich das Publikum ein Stück weit von Werbung beeinflussen lässt, kann sie keine massive Diskrepanz zwischen "Produkt" und "Konsumierenden" überbrücken. Um 85 Jahre lang von Bedeutung zu sein, braucht es eine eng verzahnte Mischung aus unverkennbarer Einmaligkeit und Flexibilität, um einerseits ein echtes Original zu sein und dennoch mediale sowie kulturelle Wandel mitmachen zu können. Vor wenigen Monaten beleuchteten wir bei Quotenmeter.de, wie der Disney-Konzern sich sogar schon seit 90 Jahren bemüht, seinem Maskottchen Micky Maus diesen Spagat beizubringen. Aber wenn es eine Figur im Disney-Pantheon gibt, der es gelang, den Tanz zwischen Originalität und Anpassungsfähigkeit galanter aufs popkulturelle Parkett hinzulegen, dann ist es ausgerechnet eine mit Plattfüßen: Donald Duck, seines Zeichens Pechvogel, Wüterich und Matrosenanzugträger.

Bei einer Figur, die sich bereits 85 Jahre lang großer Beliebtheit erfreut, die immer wieder neu erfunden wird und an deren Werken schon Hunderte von Kunstschaffenden beteiligt waren, fällt es jedoch äußerst schwer, akkurat die Ursprünge wiederzugeben. Nicht zuletzt, da in diesen 85 Jahren viel Legendenbildung betrieben wurde und sich wahrhaftige Berge an teils widersprüchlicher Sekundärliteratur angehäuft haben. Die einen Quellen sprechen davon, dass zuerst Walt Disneys Sehnsucht nach einem Entenfreund für Micky Maus gegeben war, und dann nach einer passenden Stimme gesucht wurde. Andere Quellen besagen, dass die Stimme der Anstoß war, eine entsprechende Figur zu erfinden. Und der genaue Ablauf der Donald-Duck-Schöpfung wird auch auf diverse Arten skizziert. Wenn es aber einen roten Faden gibt, dann den, dass der Andere stets beneidende Unglückserpel beweist, wie sehr Zufälle und der Einfluss verschiedener Talente eine Popkulturlegende formen können.

Die erste Erwähnung einer Ente namens Donald in einer Disney-Publikation fiel bereits 1931 – was allein schon beweist, wie sehr das Disney-Imperium den Dreh mit der Mythenbildung drauf hat, dass erst dieses Jahr Donalds 85. Jubiläum zelebriert wird. Zugegebenermaßen würde man Donald aber auch kein Recht tun, seine Anfänge in der bloßen Erwähnung in einem Micky-Maus-Kinderbuch zu sehen, zumal die visuelle Gestaltung dieses Entenstatisten namens "Donald" praktisch gar nichts mit dem späteren Donald gemeinsam hat. Ja, auch der 1934 im Cartoon «Die kluge kleine Henne» («The Wise Little Hen») gezeigte Donald sah noch anders aus als der Erpel, der heutzutage durch die Disney-Welt watschelt – aber zwischen Donald heute und Donald aus dem Jahr 1934 besteht wenigstens eine gewisse Ähnlichkeit, zumal die Launenhaftigkeit und die heiser nuschelnde Stimme gleich geblieben sind.

So oder so: 1931 stand also die Idee einer Entenfigur namens Donald im Raum, die man mit Micky und seinen Freunden zusammenpacken will. Es dauerte aber noch zwei weitere Jahre, bis mehr aus diesem Gedanken wurde. Denn 1933 sollte sich der damals 29 Jahre alte Milchlieferant Clarence Nash ein Herz fassen. Nash wurde von seinem Arbeitgeber unter anderem aufgrund seines Talents für Tierstimmenimitationen angeheuert, da er so während der Auslieferungen Kinder bespaßen konnte, was man bei der Adohr Milk Company als großes Plus ansah. Eines Tages änderte Nash, so die von ihm selbst aufrechterhaltene Sage, aus einer Laune heraus seine Route, fuhr an den Disney-Studios vorbei und sprach bei Regisseur Wilfred Jackson vor. Der zeigte sich von Nashs Küken, Truthähnen, Hunden und Waschbären jedoch wenig begeistert.

Als Nash dann aber mit einer sonderbaren Stimme das Gedicht "Mary hatte ein kleines Lamm" rezitierte, war Jackson Feuer und Flamme, weshalb er Walt Disney via Gegensprechanlage dazuschaltete. Der Studioboss war begeistert und beschloss, dass dies die perfekte Stimme für eine sprechende Cartoon-Ente sei. Nash war anfangs baff, auch wenn er sich schnell in diese Rolle verliebte. Für ihn hatte diese Stimme lange Zeit nämlich ganz andere Assoziationen.

Clarence Nash wuchs auf einer Farm auf und fand dort im Alter von zwölf Jahren ein Lieblingstier – eine kleine Ziege, die nicht klang wie andere Ziegen. In Nashs Ohren jammerte diese Ziege, wann immer sie Hunger hatte, wie ein kleines Mädchen. Davon inspiriert, entwickelte er eine Stimme, die er "Mary" nannte und mit der er bei einem Talentwettbewerb in der Schule (laut Nash unter tosendem Applaus) "Mary hatte ein kleines Lamm" zum Besten gab. So wurde es seine Lieblingsstimme – die Imitation einer Ziege, die wie ein Mädchen klingt. Oder, wie sie seit nunmehr 85 Jahren die Weltöffentlichkeit versteht: Ein heiserer, nuschelnder, schnell reizbarer Erpel.

Das Formieren eines unvergleichlichen Charakters


Nash wurde noch vor Jahreswechsel fest bei Disney angestellt – er war der 125. Angestellte des Studios. Im Folgejahr lief am 9. Juni der Cartoon «Die kluge, kleine Henne» an, eine freie Adaption einer vor allem in den USA verbreiteten Fabel über eine emsige Henne, die Freunde mehrmals um Hilfe bittet. Doch während sie keinerlei Lust haben, bei der Farmarbeit zu helfen, sind sie plötzlich zur Stelle, als es ans Essen der Erntegaben geht – was die Henne nicht mitspielt. Donald Duck wurde gemeinsam mit einem seither in Vergessenheit geratenen Schwein in den Rollen der faulen Freunde besetzt. Donalds Bequemlichkeit, Vergnügungssucht und Arbeitsscheue wurden somit etabliert, genauso wie seine Stimme und sein markanter Matrosenanzug.

Doch auch wenn der Cartoon und seine Zeitungscomicadaption durchaus beliebt waren, laut Disney-Angaben flatterte bereits nach Donalds Debüt Fanpost für ihn herein, war von seinem endgültigen Star-Appeal noch nichts zu spüren. Nachdem die Zeichner Art Babbitt, Dick Huemer und Albert Hurter die Grundlagen schufen, war es Dick Lundy, der ihn entscheidend weiterentwickelte: Lundy war der verantwortliche Zeichner für Donald in seinem zweiten Auftritt, «Orphan's Benefit» (dt. Titel: «Die Kindervorstellung»). Der im August 1934 erstveröffentlichte Kurzfilm zeigt Donald erstmals im bewegten Zusammenspiel mit Micky Maus und Goofy – und er etabliert sein großes Ego sowie sein im Zusammenspiel damit urkomische Folgen aufweisendes, cholerisches Temperament und seine begrenzte Geduld.

Dazu kam es, weil Lundy beim Anhören von Nashs Tonaufnahmen befand, dass Donalds Stimme so klingt, als sei er ein kleiner Angeber. In Verbindung mit der Story des Kurzfilms (Donald möchte die Gedichte "Mary hatte ein kleines Lamm" sowie "Little Boy Blue" rezitieren, aber die Waisen im Publikum stören seine Performance andauernd) führte dies zu Donalds erstem Wutanfall inklusive seiner von Lundy erdachten, daraufhin immer und immer wieder wiederholten "Kampfpose": Hüpfend und quakend eine Faust ausstrecken und die andere kreisen lassen.

Der Cartoon wurde laut mehreren Disney-Historikern wie Neal Gabler und Disney-Mitarbeitern wie Zeichnerlegende Ward Kimball zum Sensationserfolg, der in den Kinos lautstarke Reaktionen hervorrief. Damit waren nicht nur zahlreiche weitere Donald-Auftritte in Micky-Cartoons gesichert (zumeist bildeten die Maus, er und der tollpatschige Hund Goofy ein Trio), es war auch die Blaupause für einige weitere Cartoons geschaffen: Sehr zur Freude Nashs, der befand, dass Donald allem zum Trotz eine sensible Seite behalten sollte, entstanden in den folgenden Jahren mehrere Cartoons, in denen sich Donald als Opernschauspieler oder Musiker versucht – oder bei anderen Tätigkeiten musisches Interesse durchschimmern lässt. Nur Nashs Wunsch eines ausschweifenden Donald-Duck-Opernfilms wurde nie erfüllt.

Bereits 1935 folgte der nächste große Schritt in der Formierung von Donalds Persönlichkeit: Zeichner Fred Spencer analysierte die bisherigen Donald-Auftritte und verfasste ein studiointernes Standardwerk für das Schreiben und Zeichnen des Erpels. In Modellzeichnungen rundete er zudem das Design ab und verkürzte Donalds Schnabel, darüber hinaus gab er Hinweise auf Manierismen, die Donald liegen würden. Im 1936 veröffentlichten Cartoon «Donald & Pluto» sollte sich Spencers Arbeit vollauf bezahlt machen: Donald war erstmals der Hauptdarsteller in einem Kurzfilm, diente weder als quengelnder Kumpel, noch als vom Publikum gefeierte, zweite Geige neben Micky Maus.

Von diesem Moment an war der Erfolgszug Donalds nicht mehr aufzuhalten: Die Disney-Studios, die zunehmend in kreative Zwickmühlen gelangt sind, weil ihr einstiger Star Micky Maus brav werden musste, um Eltern nicht zu erzürnen, haben eine freche, wildere Hauptfigur gefunden. Und so bekam Donald nicht nur weitere Film-Soloauftritte, eigene Zeitungsstrips und ab 1937 zudem seine offizielle, eigene Filmreihe. Auch der Kosmos rund um ihn herum wurde erweitert, während wiederholt Ideen, die zunächst für Micky Maus angepackt wurden, letztlich als Donald-Projekte ihre Umsetzung erfuhren. Und in den mit und mit immer seltener werdenden Micky-Cartoons übernahm Donald häufig die heimliche Hauptrolle – was Walt Disney dazu inspirierte, Micky ein großes Comeback in Form von «Fantasia» zu geben. Aber das ist eine andere Geschichte.

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