Es ist also ein durchaus cleverer Schachzug, die neue TV-Now-Produktion «Paradise Hotel» im Zusammenspiel mit dem Erfolgsformat zu programmieren. RTL zeigt die Sendung heute Abend einmalig im Anschluss an sein «Sommerhaus» und hofft damit, möglichst viele Zuschauer zu TV Now zu lotsen. Bereits nach Ausstrahlung der ersten Folge wird der Streaming-Dienst eine zweite Episode online anbieten, danach verspricht TV Now je eine neue Folge pro Woche. Doch lohnt sich für Freunde des Trash TV überhaupt das Einschalten bei «Paradise Hotel»?
"Ich will Dich küssen, okay?“
In dem TV-Now-Format ziehen elf liebeshungrige Singles in ein traumhaftes Haus in Mexiko ein, wo sie laut Formatbeschreibung „das Abenteuer ihres Lebens“ erwartet. In der ersten Folge treffen dabei fünf Männer auf sechs Frauen. Sie müssen Pärchen bilden und ein gemeinsames Hotelzimmer beziehen, in dem die Kondome praktischerweise schon auf dem Nachttisch liegen. Aufgrund der ungeraden Teilnehmerzahl geht am Ende eine Dame leer aus. Ihre Aufgabe wird es sein, eines der Paare auseinanderzubringen, um so im Rennen für die Gewinnsumme von 20.000 Euro zu bleiben. Moderiert wird die Sendung von Vanessa Meisinger, die sich in der ersten Folge aber im Hintergrund aufhält.
Natürlich ist das Gelände mit genügend Kameras ausgestattet (angeblich bis zu 50), sodass dem Publikum nichts verborgen bleibt. Dabei gibt es doch so manche Situation, auf die man als Zuschauer gerne verzichten würde. Der Höhepunkt des Fremdschämens ist erreicht, als Kandidat Aaron denkbar unbeholfen versucht, eine der Kandidatinnen abends im Bett aufzureißen. „Wieso können wir nicht den Part überspringen?“, fragt er seine etwas verdutzte Bettpartnerin. „Ich will Dich küssen, okay?“, murmelt er schließlich in seine Bettdecke hinein in der Hoffnung, dass die Mikros nicht mithören. Tun sie aber wohl. Dass der Zuschauer vorher noch beim Flaschendrehen erfährt, welcher der Kandidaten schon einmal darüber nachgedacht hat, im Escort-Geschäft zu arbeiten, ist ebenso belanglos wie flach.
- © TVNOW / Frank Fastner
Salvatore
Teilnehmer mit TV-Vorerfahrung
Die Aussagen der Teilnehmer in der Greenbox, die wie bei Reality-Formaten üblich in die Szenen eingestreut werden, sind selbst für ein Reality-Format extrem verdichtet. Das führt dazu, dass am Ende häufig nur leere Floskeln übrig bleiben. „Einfach machen, nicht viel überlegen“, fasst etwa Salvatore seine Gedanken vor dem Einzug ins Hotel zusammen. Vom Gefühl her würde man «Paradise Hotel» eher bei RTL II verorten als bei RTL, das Format dürfte manch einen an «Love Island» erinnern und vornehmlich die ganz junge Zielgruppe bedienen.
Sympathien entwickelt man bei «Paradise Hotel» für niemanden so wirklich, dafür wirken die Kandidaten viel zu oberflächlich. Man könnte fast meinen, dass die Produktionsfirma für die Sendung die McFit-Studios des Landes durchforstet hat. Ein genauerer Blick auf die Teilnehmerriege offenbart schließlich, dass die meisten Kandidaten keine unbeschriebenen Blätter sind. Linda war vor zwei Jahren bereits bei «Love Island» (RTL II), Vanessa bei «Take Me Out» (RTL), Kevin machte bei «Get the F*** Out Of My House» (ProSieben) mit, Elias bei «Workout» (RTL II) und Salvatore war sogar erst kürzlich bei «Temptation Island» (RTL/ TV Now) zu sehen.
Vielleicht ist es - neben dem Konzept der Show - auch der televisionären Vorerfahrung mancher Akteure geschuldet, dass «Paradise Hotel» direkter als andere Kuppelshows ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wissen um ihre äußeren Reize und sprechen offen darüber. Keiner scheint wirklich abgeneigt, sich vor laufender Kamera auch körperlich voll und ganz auf das andere Geschlecht einzulassen. Schon die Vorschau offenbart, dass die «Paradise Hotel»-Zuschauer in den kommenden Wochen noch einige feurige Knutschereien und mehr erwarten wird...
«Paradise Hotel»: Kein televisionärer Höhepunkt
Einen spannenden Kniff wendet das Format dagegen im Finale an, wenn sich das Gewinnerpärchen zwischen Geld und Liebe entscheiden muss. Wählen beide die Liebe, wird die Gewinnsumme gerecht unter beiden aufgeteilt. Entscheidet sich jedoch einer für die Liebe und der andere für Geld, geht der Liebeshungrige leer aus. Bis es aber so weit ist, werden sich die Zuschauer noch durch einige Folgen hindurchkämpfen müssen. Fraglich ist, ob dazu viele Menschen bereit sein werden, schließlich startet neben dem «Sommerhaus der Stars» am Freitag eine neue Staffel von «Promi Big Brother» bei Sat.1. Die junge Zielgruppe, die offenbar auch «Paradise Hotel» im Auge hat, wird dagegen in wenigen Wochen noch von «Love Island» bei RTL II bedient werden.
Ja, einen neuen Höhepunkt markiert das Fernsehen mit «Paradise Hotel» wahrlich nicht. Zweifellos gehört die Sendung selbst im Trash-TV-Universum eher zu den niveauloseren Formaten - und wirkt trotz der traumhaften Kulisse insgesamt nicht so hochwertig wie vergleichbare Formate bei RTL. Es ist also nicht nur ein Kampf um Geld und Liebe, sondern auch einer um Aufmerksamkeit, den «Paradise Hotel» in den nächsten Wochen führen muss. Der Vorteil für die Macher ist, dass die Produktion bei TV Now mutmaßlich schon mit weniger Zuschauern als Erfolg durchgehen wird als bei einer Fernsehausstrahlung bei RTL erforderlich gewesen wären. Ein Must-See wie das «Sommerhaus der Stars» ist «Paradise Hotel» aber definitiv nicht.
RTL zeigt die Pilotfolge von «Paradise Hotel» am Dienstagabend ab 22.15 Uhr. Direkt im Anschluss an den Auftakt ist die zweite Folge exklusiv bei TV Now zu sehen.
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