Filmfacts «6 Underground»
- Regie: Michael Bay
- Produktion: Michael Bay, Ian Bryce, David Ellison, Dana Goldberg, Don Granger
- Drehbuch: Paul Wernick, Rhett Reese
- Cast: Ryan Reynolds, Mélanie Laurent, Manuel Garcia-Rulfo, Adria Arjona, Payman Maadi, Corey Hawkins, Ben Hardy, Dave Franco
- Musik: Lorne Balfe
- Kamera: Bojan Bazelli
- Schnitt: William Goldenberg, Roger Barton, Calvin Wimmer
- Laufzeit: 128 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Aber zurück zu unserem Film: Die Logos sogleich zweier Energy Drinks lachen uns an. Das Label eines modischen Uhrenherstellers schimmert an einer Stelle in Großaufnahme. Eine Tiefgarage ist ausschließlich mit Autos eines einzelnen Herstellers zugeparkt – dessen Name in Großbuchstaben Schwarz auf Weiß an die Wand gepinselt ist. Eine Verfolgungsjagd wird für ein paar Augenblicke im Werbetruck einer italienischen Kaffeemarke ausgetragen. Und in einer Angeber-Großküche stehen Pappeimer einer Fast-Food-Hähnchenbraterei herum (kommt schon, Leute, das ist lustig)!
Na, den Filmgöttern sei es gedankt, dass zu Beginn von «6 Underground» Netflix in der linken oberen Bildecke nicht bloß die Altersfreigabe einblendet, sondern auch noch ewig lang den Hinweis gibt: "Diese Sendung enthält Produktplatzierungen". Sonst würde die ganze Werbung doch völlig unbemerkt am Publikum dieses Netflix-Exklusivfilms vorbeirauschen!
Subtil ist Michael Bay mit seinen Produktplatzierungen noch nie vorgegangen. Aber «6 Underground» könnte in seiner sonderbaren Kunst, Werbespot-Bilder völlig tolldreist und mit einer kuriosen Selbstverständlichkeit in den erzählerischen Filmstoff zu nähen, einen neuen Bay-Maßstab in Sachen Werbeexzess aufstellen. Wie passend. Denn auch sonst ist «6 Underground» ein exzessiver Film. Ausgestattet mit einem Budget von 150 Millionen Dollar, einer sicherlich beachtlichen Summe aus Werbedeals und Netflix' berühmt-berüchtigter Apathie gegenüber seinen Eigenproduktionen, die Kreative an der extralangen Leine lässt und uns ebenso Geniestreiche wie mäandernden Medienmüll beschert hat, kreierte der Krach-Bumm-Zack-Pow-Regisseur einen Actionfilm-Fiebertraum.
Tempo, Zerstörung und extra stark farbgesättigte Bilder im 90er-Jahre-MTV-Videoclip-trifft-heutige-Filmtechnologiehöhen-Stil knallen hier auf einen dünnen Alibiplot, der sich gänzlich Bays ästhetischen Instinkten und seinen erzählerischen Begierden unterstellt. Das klingt negativ, und so manch verbiesterter Filmkritiker wird das dem Film auch zornig vorwerfen. Aber es hat auch Vorteile: Dieser Film bleibt unentwegt in Bewegung, dieser Film steigert sich in seinen Wahn aus Freude an Destruktion und Action-Pathos, bis ein reines Erlebnis aus Mechanismen, Posen und Explosionen übrig bleibt. «6 Underground» ist pures, hoch konzentriertes Michael-Bay-Destillat.
- © Netflix
Es ist wie eine Injektion eines Energy-Drink-Rumspirituosen-Mixes direkt in die Blutbahn, während man durch einen Unterwäschekatalog blättert und mit Rockmusik beschallt wird. Davon mag manchen übel werden, und das ist ihnen bei Bays rasanter Schnittfrequenz und den stark vibrierenden Klangeffekten nicht einmal zu verübeln. Für sowas muss man gebaut sein. Man muss ja auch eine Dreifachloopingachterbahn mit fünf Korkenziehern aushalten können. Aber, mal ganz im Ernst: Es ist eine eigene, faszinierende Kunstform.
Wenn man «Der Leuchtturm» dafür huldigt, dass aus einem realistisch erzählten Zwei-Männer-hocken-auf-engem-Raum-zusammen-Drama nach und nach ein surrealer, soghafter Albtraum wird, und wenn man Lars von Trier es hoch anrechnet, wie spritzig-zynisch seine letzten paar Filme geraten sind … Wie kann man dann Michael Bay dafür kritisieren, dass er einen turbulenten, brachialen Actionfilm abliefert, der wie ein Fiebertraum seinem Ende entgegen rauscht und in dem einem Alkoholrausch gleich Rückblenden aufblitzen, die noch mehr Style und noch mehr Action in diesen Film knallen sowie stark zugespitzte, auf das Nötigste reduzierte Exposition?!
Und lasst bloß die übliche "Jaja, jaja, ein dummer Film für Leute, die ihr Hirn ausschalten!"-Argumentation in eurer Hosentasche: Michael Bay verlässt sich darauf, dass sein Publikum medienerfahren ist und einen Ritt geboten bekommen möchte, für das es fit genug ist. Wer sich «6 Underground» anschaut, so spekuliert Bay offenbar, hat auch schon Dutzende, Aberdutzende andere Actionfilme gesehen und kennt ihre Mechanismen auswendig. Wenn wir eine Rückblende sehen, traurige Musik klimpert und das zuvor hell strahlende Bild abgedunkelt wird, dann wissen wir: Ah, das ist die dramatische Vorgeschichte, wie unser Held ein Opfer vollbracht hat. «6 Underground» verzichtet an dieser Stelle auf das Blabla und Brabbelbrabbel, das an dieser Stelle normalerweise erfolgen würde. Die Form allein sagt uns, wo wir uns erzählerisch befinden.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
17.12.2019 16:05 Uhr 1
17.12.2019 16:38 Uhr 2
19.12.2019 00:37 Uhr 3
Keine Ahnung, warum sid diesen Film so derart geil findet!
19.12.2019 13:23 Uhr 4