Da will es jemand so richtig wissen: Der zur Mediengruppe RTL Deutschland gehörende Streamingdienst TV Now hat in dieser Woche auf der Berlinale mitgeteilt, dass in den kommenden Wochen gleich elf (zumeist eigene) deutsche Serienproduktionen geplant sind. TV Now, das in Sachen Eigenproduktion bis dato vor allem auf Guilty Pleasures, also Trash-Fernsehen wie «Paradise Hotel» oder «Temptation Island» gesetzt hat und diese Programmfarbe auch 2020 mit Neustarts stärken wird, greift nun so richtig auch im Fiktionalen an.
Bisher hatte der Dienst Lizenzware im Angebot und das einst von der Mediengruppe eigentlich für RTL Crime produzierte «M – Eine Stadt sucht einen Mörder», das letztlich aber im Stream debütierte. Für die neuen TV Now-Serien arbeitet das Who-is-Who der deutschen Fiction, darunter «Stromberg» und «Merz ist Merz»-Autor Ralf Husmann, Schauspielerin Iris Berben, der bekannte Autor Ferdinand von Schirach und Christoph Maria Herbst. Sämtliche Produktionen werden zudem nicht nur für TV Now hergestellt, sondern mit Zeitverzögerung (in aller Regel mindestens sechs Monate) auch auf den Free-TV-Sendern der Mediengruppe ausgewertet. Hier will nicht nur RTL selbst Flächen für die teils ungewöhnlichen Serienprojekte schaffen, sondern auch VOX. Dessen neuer Geschäftsführer ist eigentlich Fiction-Produzent und weist somit in dieser Programmfarbe eine große Affinität auf. TV Now-Co-Chef Henning Tewes erklärt: "Wir glauben fest daran, dass Streaming in der Mitte der Gesellschaft ankommt - und für diese Zielgruppe Inhalte zu produzieren, ist seit Jahrzehnten die Kernkompetenz der Mediengruppe RTL. In diese lokalen Inhalte investieren wir mit einer Milliarde Euro pro Jahr mehr als jeder globale Anbieter in den deutschen Markt. Demnächst dann eben auch noch zu einem größeren Anteil in die deutsche Fiction - da haben wir alle große Lust drauf!"
Die Projekte im Einzelnen:
Ferdinand von Schirach, der seine Werke zuletzt vor allem mit dem ZDF umsetzte, liefert «Glauben», eine siebenteilige Crime-Serie, die nicht auf einem seiner Bücher basiert. Stattdessen hat der Autor direkt die TV-Drehbücher verfasst. Im Fokus steht der Jusitzskandal um die Wormser Missbrauchsprozesse in den 90er Jahren. Damals wurden am Ende alle Beteiligten freigesprochen, was zu einem großen Aufschrei führte. "Das Wesentliche dieser Verfahren war das Versagen aller gesellschaftlichen und rechtlichen Institutionen, der Presse und der Öffentlichkeit. Die allgemeine Empörung, der ungebremste Hass und die furchtbare Hysterie damals ist den heutigen gesellschaftlichen Zuständen sehr ähnlich. Es lag deshalb für mich nahe, aus den Wormser Missbrauchsprozessen eine Serie zu machen, die in der Gegenwart spielt und alle neuen Elemente aufnimmt, mit denen wir heute leben müssen“, sagt von Schirach. Ebenfalls besonders: Jede Episode soll „nur“ rund 30 Minuten lang sein.
Schon von RTL angekündigt war eine mit Henning Baum besetzte Event-Serie namens «Der König von Palma», die Geschichte wird hier in sechs 45 Minuten langen Episoden erzählt. In der Produktion von UFA Fiction ist Baum als Familienvater in den 90ern zu sehen, der mitsamt seiner Familie aus dem Ruhrpott auswandert – Ziel: Mallorca. Er öffnet an der bekannten Playa de Palma einen Biergarten – und der boomt schneller als gedacht. Doch der Erfolg hat Schattenseiten; Bestechung, Erpressung und Gewalt.
Ebenfalls als Event-Serie geplant ist das sechs Teile (je 45 Minuten) umfassende Format «Disko Bochum», das ebenfalls von UFA Fiction kommt. Ein patriarchialischer Vater mit Familienbetrieb trifft darin auf eine junge Generation im Aufbruch. Während der älteste Sohn Frank im familieneigenen Lebensmittelhandel mit anpackt, will die jüngste Tochter Johanna Pilotin werden - und sein Zweitgeborener Georg und seine andere Tochter Doro eröffnen im Keller eines geerbten Restaurants eine Diskothek…
Eine achtteilige Crime-Serie, deren Episoden jeweils ebenfalls 30-minütig sind, ist «Die Zeugen» (Bücher von Janosch Kosack und Jörg Lühdorff). Der Clou: Die Serie ist ein Kammerspiel und findet (fast) in einem einzigen Raum statt. Ein kleines Kind wird mitten aus einem sehr gut besuchten Museum entführt - es gibt dementsprechend etliche Zeugen. Anhand der Zeugen-Aussagen soll nun versucht werden, das Geschehen zu rekonstruieren – doch bald stellt sich heraus, dass der Satz „die Frage ist nicht, ob eine Erinnerung falsch ist, sondern wie falsch sie ist“ sehr richtig ist.
«Tonis Welt» wird ein Spin-Off der VOX-Erfolgsserie «Club der roten Bänder», in dessen Mittelpunkt – natürlich – Toni steht. Neben der am Asperger-Syndrom erkrankten Figur soll auch seine Freundin Valerie (Tourette-Syndrom) eine gewichtige Rolle spielen. Nach dem Tod von Valeries Oma stehen die beiden vor der Entscheidung, das renovierungsbedürftige Haus auf dem Dorf zu kaufen und ein neues Leben zu beginnen. Ein Leben, in dem sich der spleenige, gewohnheitsliebende Toni nicht an gelernten Strukturen festhalten kann, sondern ganz auf sich und seinen eigenwilligen Charme gestellt ist. Elena Senft hat das Buch geschrieben, Gerda Müller produziert unter dem Dach von Bantry Bay.
Der Dieselskandal wird Thema der sechsteiligen Event-Serie «Wolfsburg», die von Oliver Berben und Jan Ehlert hergestellt wird. Das Format kommt also aus dem Hause Moovie. Im Fokus wird ein Entwicklungsingenieur stehen, auf Grundlage dessen Idee der Abgasskandal entsteht. Florian Oeller, der Autor, soll die Thematik unterhaltend und mit viel Humor aufgreifen.
Christoph Maria Herbst ist im achtteiligen «Tilo Neumann und das Universum» als Tilo vollkommen am Ende. Das Leben hat er an die Wand gefahren, eigentlich hat er seinen Tod schon geplant. Dann hört er eine Stimme – das Universum spricht mit ihm. Es entsteht ein Deal: Wenn Tilo seinen Mitmenschen hilft, hilft das Universum ihm. Network Movie setzt die Serie um, die Bücher kommen von Sonja Schönemann.
Ralf Husmann, der früher mit Herbst viel zusammenarbeitete, schreibt für TV Now derweil die Sitcom «Mirelle Schulze rettet die Welt» (auch acht Folgen). Ausgangslage der Story: Stell dir vor, Greta Thunberg kommt aus Deutschland und ist das nette Mädchen aus der Nachbarschaft. Ihr Vater ist Fernfahrer und ihre Mutter arbeitet bei einem Chemie-Konzern, ihr älterer Bruder will unbedingt Pilot werden und ihre jüngere Schwester will möglichst bald bei den Kardashians einheiraten. Als Mirella beginnt, sich gegen den Klimawandel einzusetzen, bleiben nur zwei Möglichkeiten: Sie zur Adoption freigeben oder sich damit arrangieren, was gar nicht so einfach ist.
Iris Berben, Heiner Lauterbach, Adele Neuhauser, Michael Wittenborn und Walter Sittler spielen in der Mini-Serie «Unter Freunden stirbt man nicht» (4x45 Minuten) die tragenden Rollen – auch hier spielt Humor eine große Rolle. Es geht eigentlich um eine Freundesclique, die ein Mitglied verliert, weil es sehr überraschend stirbt. Allerdings: Der Tote stand kurz vor dem Gewinn des Nobelpreises. Die anderen beschließen, den Tod geheim zu halten, was letztlich fünf Jahre dauern wird… Keshet Tresor Fiction produziert.
Im Münchner Stadtteil «Herzogpark» spielt eine gleichnamige sechsteilige Dramedy (Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank führt Regie). Der Stadtteil soll die höchste Dichte an Promis, DAX-Vorständen und anderen hochrangigen Persönlichkeiten aufweisen. Erzählt wird die Geschichte von vier Frauen, die sich darauf spezialisiert haben, die Geheimnisse der Promis bestens zu hüten. Eher ungewöhnlich, weil es die Geschichte eines Hauses ist, ist «Torstraße 1». Dort ist zur Zeit das ‚Soho House‘ in Berlin beheimatet. Die Handlung erzählt etwa, wie sich 1927 Vicky und Harry im dortigen Tanzsaal kennenlernen – er ein armer Pianist, sie ein Mädchen vom Dorf und ohne Job. X Filme Creative Pool («Babylon Berlin») erzählen die Geschichte eines Hauses, die Geschichte einer schier unmöglichen Liebe und eine Geschichte, die viel über Deutschland aussagt.
Frauke Neeb, Bereichsleiterin Fiction Mediengruppe RTL Deutschland, erklärt: "In Zeiten des allgemeinen Content-Überflusses kann man nur mit qualitativer Exzellenz ein Ausrufezeichen setzen. Das ist unser Anspruch und wir freuen uns, so viele tolle Partner gefunden zu haben, die diese Ansicht mit uns teilen und den Weg mit uns gehen."
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
20.02.2020 09:13 Uhr 1
20.02.2020 09:48 Uhr 2
Von einer der vorgestellt Produktionen habe ich bereits etwas mitbekommen, weil ich den Produzenten kenne und bin sehr gespannt darauf!