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Die zweite Verfilmung des Grimmschen Märchenklassikers „Schneewittchen“ in diesem Jahr kommt, im Gegensatz zum amüsanten «Spieglein, Spieglein», als düsteres Fantasyspektakel daher. Diese neue Herangehensweise hätte, wie von den Machern zuvor angekündigt, zu einem zeitlosen Epos werden können, wenn aus «Snow White and the Huntsman» nicht ein kurioser Misch-Masch aus «Der Herr der Ringe», «Die unendliche Geschichte» und der Otto Waalkes-Version von «Sieben Zwerge» geworden wäre. Allein diese Filme in einem Atemzug zu nennen und darauf hinzudeuten, dass sich sämtliche Attribute dieser mehr oder weniger erfolgreichen Streifen in einem Film vereinen, mutet kurios an. Doch genau so präsentiert sich «Snow White» tatsächlich.
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Da nur Snow White das Königreich von dieser Tristesse zu befreien vermag, sperrt Ravenna die 19-Jährige in einen dunklen Turm. Nach Snow Whites Flucht, dem Zusammentreffen mit dem Huntsman und dem gemeinsamen Plan, die böse Königin zu Fall zu bringen, trifft das ungleiche Duo auf die sieben Zwerge. Von hier an beginnt atmosphärisch betrachtet der zweite Teil, der solch ein großes Kontrastprogramm zur ersten Dreiviertelstunde bietet, dass man als geneigter Zuschauer meinen könnte, da hätte heimlich wer die Filmrolle ausgetauscht. Denn im „Feenland“ ist nichts mehr zu spüren von der Düsternis in unmittelbarer Nähe zum Königsschloss. Hier herrschen paradiesische Zustände, märchenhafte Harfenklänge untermalen das kitschige Geschehen und all die schlechte Laune scheint wie weggefegt. Und auch der Huntsman entwickelt in dieser Umgebung, wie für das klassische Prinzessinnen-Märchen üblich, allzu schnell Gefühle für die hübsche Snow White, was allerdings dazu führt, dass die aufkeimenden Liebeleien durch die rasende Entwicklung an Tiefe und Ernsthaftigkeit verlieren.
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Eigentlich hätte «Snow White and the Huntsman» viel Potential gehabt, diesem zeitlosen Märchen einen neuen Look zu verpassen, es optisch aufzupeppen, dann ins Hier und Heute zu schicken und schließlich auf das verwöhnte Publikum loszulassen. Doch leider verschenkte Regisseur Rupert Sanders, bislang ausschließlich für Werbefilme bekannt, sämtliches Potential. Optisch wurde aus «Snow White» ein zweites «Der Herr der Ringe». Doch während der erfolgreichen Trilogie jedwede Opulenz gebührt, so wirkt sie bei «Snow White» aufgesetzt und mehr gewollt als gekonnt. Daran ist vor allem die gewöhnungsbedürftige Bildqualität Schuld, die nicht ansatzweise Kinoqualität hat und szenisch beeindruckenden Bildern, die «Snow White and the Huntsman» unter all seiner Skurrilität trotzdem birgt, die Bildgewalt raubt. Selbiges gilt für die deutsche Synchronisation, die im Schnellverfahren innerhalb einer Woche entstand und damit ordentlich an Qualität einbüßen musste.
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Fazit: Der Regisseur von «Snow White and the Huntsman» scheint zu viel gewollt, dabei allerdings zu wenig gekonnt umgesetzt zu haben. Während der eine Teil viel zu düster geraten ist, ist der andere zu gewollt komisch und dabei unpassend humoristisch gelungen. Richtig unangenehm wird es dann, wenn man sich dabei ertappt, zu grinsen, sich aber im selben Moment fragt, ob beabsichtigt oder unfreiwillig. Die Schauspielerleistungen sind gut, doch Kristen Stewart als «Snow White» funktioniert nicht. Sie ist zu ausdruckslos und hat schlichtweg nicht die Ausstrahlung einer zukünftigen Prinzessin. Auf Durchschnittsniveau hebt sich «Snow White» schließlich aber doch noch, da vor allem die Bildsprache beeindruckend ist, wenngleich sie stark unter der bereits erwähnten Qualität leidet. Vor allem ist positiv hervorzuheben, dass gewisse Szenenabfolgen ganz klar dem Disney-Zeichentrickfilm von 1937 entstammen und sich erstaunlich nah am Original orientieren. Jedoch bleibt damit die Frage offen, wer sich diese Neuverfilmung von Schneewittchen anschauen sollte. Auch, wenn in den kommenden Wochen wenig Konkurrenz in den cinematischen Startlöchern steht.
«Snow White & The Huntsman» startet am 31. Mai 2012 in vielen deutschen Kinos.