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Diese hat sich selbstredend seit «James Bond – 007 jagt Dr. No» massiv verändert, aber auch seit Daniel Craigs Debüt in der populären Agentenrolle verschob sich der Geschmack des Kinopublikums. Feierte es «Casino Royale» weitestgehend als kompromisslose, glaubwürdige Frischzellenkur, empfanden viele Zuschauer und Kritiker «Ein Quantum Trost» als inhaltlich austauschbar sowie inszenatorisch überkandidelt. Aber «American Beauty»-Regisseur Sam Mendes ließ mit «Skyfall» nicht nur die zahlreichen Produktionsprobleme hinter sich, sondern auch die großen Makel von «Ein Quantum Trost». Das Ergebnis ist ein Bond-Film, der Daniel Craigs Bond vorwärts bringt und dennoch, wie es sich für einen Jubiläumsfilm gehört, der Vergangenheit ihren Tribut zollt.
Auch die besten Agenten scheitern
Seit Daniel Craig den Agenten 007 verkörpert, zeigt sich James Bond von seiner verletzlichen Seite. In «Casino Royale» verliebte er sich unglücklich, in «Ein Quantum Trost» verlor er dann aufgrund seiner Trauer jeglichen Rest von Empathie, den ihm sein Job zuvor ließ. Der herbste Schlag erwartet ihn allerdings noch:
Bond befindet sich in der Türkei, wo er seinen bislang wichtigsten Feldeinsatz zu bewältigen hat. Jedoch nimmt der Einsatz eine fürchterliche Wende, das zu besorgende Objekt geht verloren, Bond scheint geschlagen und wird sogar für tot erklärt. Einen schlechteren Zeitpunkt hätte es dafür nicht geben können: Kaum scheinen die Akten um 007 für immer geschlossen, sieht sich der britische Geheimdienst MI6 einer übermächtigen Bedrohung ausgesetzt. Weil M (Judi Dench) dieser nicht erfolgreich Einhalt gewähren kann, stellt die Regierung ihre Kompetenz in Frage und setzt ihr einen neuen Vorgesetzten (Ralph Fiennes) vor die Nase. Als Bond körperlich geschwächt und voller Misstrauen gegenüber seinem Arbeitgeber zurückkehrt, erhält er den Auftrag, den Anschlägen auf MI6 nachzugehen. Die Spur führt zum mysteriösen Lebemann und Cyber-Terroristen Silva (Javier Bardem), der deutlich mehr ist als es den Anschein macht ...
Großes Spektakel, dennoch viel dahinter
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Und obwohl die Plots von «The Dark Knight» und «Skyfall» ganz klar unterschiedlich sind, so lassen sich dennoch weitere Parallelen ziehen. So wohnt beiden Filmen die dunkle Grundstimmung eines Post-9/11-Actionfilms inne. Lebte James Bond ursprünglich noch von der klaren Weltenteilung in West und Ost und der damit verbundenen, simplen Zuordnung von Gut und Böse, so lassen sich in der von «Skyfall» beschriebenen Welt der Spionage Bedrohungen weitaus schwieriger verorten. Der Feind lauert überall, nicht mehr die bloße Herkunft einer Person dient als Handlungsmotiv, sondern es sind Ideologien, die es zu fürchten gilt. Die Autoren John Logan, Neal Purvis und Robert Wade vertiefen diesen Aspekt nicht dermaßen, dass «Skyfall» als politischer Film verstanden werden könnte, doch sie legen den Finger deutlich genug auf den Puls der politischen Zeit, um «Skyfall» noch aktueller, moderner und auch beklemmender als die anderen Craig-Bonds zu machen.
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Sobald Bardem endlich die Bühne betritt, lenkt er jegliche Aufmerksamkeit auf sich und begeistert mit der Ausstrahlung eines schmierigen, leicht femininen Sunnyboys. Silva steigt mit seiner Eloquenz, seiner undurchschaubaren Ausstrahlung und seinem kessen Humor zweifelsfrei in die oberste Riege der Bond-Bösewichte auf, was auch seiner Komplexität zu verdanken ist. Zwar hat er die überlebensgroße Leinwandwirkung klassischer Agentenfilm-Schurken, aber Bardem mischt diese mit einer für Unwohlsein sorgenden Freundlichkeit auf, durch welche in wenigen Momenten eine äußerst effektive, diabolische Manie aufblitzt.
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Alt trifft neu
Dafür kehren andere Eckpfeiler der Bond-Reihe zurück, nachdem «Casino Royale» und «Ein Quantum Trost» diese mit Genuss aus dem Fenster schmissen. Zum Beispiel kommentiert ein zurückhaltender, dennoch vor Esprit glühender Ben Whishaw («Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders») als Q ironisch das Geschehen und weist dabei auch augenzwinkernd auf seine Vorgänger hin. Komponist Thomas Newman wiederum hält, anders als der für die beiden bisherigen Craig-Bonds zuständige Daniel Arnold, nicht weiter großen Abstand vom klassischen Bond-Titelthema, sondern webt gekonnt in seine kraftvolle Filmmusik reizvolle Variationen des berühmten Stücks ein. Zurück hält sich «Skyfall» indes noch mit den coolen One-Linern. Dies durchaus mit gutem Grund: Während das Geplänkel zwischen Bond und Q, M oder Silva sitzt und der melancholisch-bedrohlichen Handlung eine gesunde Dosis Humor entgegensetzt, zielen Craigs in den Raum geworfenen Kommentare öfter daneben. Da ist weniger einfach mehr.
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Ist «Skyfall» nun, wie er stellenweise betitelt wird, der beste Bond-Film aller Zeiten? Dies ist bei einer Filmreihe, die so viele Hauptdarsteller und unterschiedliche Ausrichtungen durchlebt hat, kaum standfest zu beantworten. Inhaltlich wie handwerklich ist «Skyfall» allerdings recht deutlich der beste Bond der Craig-Ära. Die Handlung fesselt, die Action vollführt einen überzeugenden Balanceakt zwischen überwältigendem Popcorn-Entertainment und glaubwürdiger Schroffheit und Javier Bardem ist wahrlich eine Klasse für sich.
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