Herr Schmich, BAYERN 3 startet am Sonntagabend eine neue Show ab 20.00 Uhr: Den «BAYERN 3 Kultabend» mit Fred Kogel, Jim Sampson, Fritz Egner und Jürgen Herrmann. Auch Thomas Gottschalk wird im März eine Sendung moderieren. Wie ungewöhnlich ist diese Sendung Ihrer Meinung nach?
Das ist durchaus eine ungewöhnliche Sendung, aber davon haben wir ja mehrere im Programm. Ich verweise hier auf unser tägliches Talkformat «Mensch, Otto» um 19.00 Uhr, auf «Matuschke» danach und auch auf unser einstündiges Mittags-Magazin «Update». Und unsere Nacht mit Jürgen Törkott ist sicherlich auch nicht gewöhnlich.
In den Ankündigungen verweisen Sie explizit darauf, dass die neue Sendung von echten Musikfachmännern moderiert wird. Es scheint eine Seltenheit geworden zu sein, dass Radiomacher darauf Wert legen und dies auch so kommunizieren.
Wie es Fritz Egner bei seinem Besuch in unserer Morning-Show am Freitag sagte: Radio hat sich verändert. Früher war man als öffentlich-rechtlicher Sender allein auf weiter Flur: Da gab es Zeitfunksendungen, die von richtigen Wortjournalisten moderiert wurden. Dazwischen kamen Musiksendungen, die dann auch von den Musikredakteuren, die die Songs ausgesucht haben, präsentiert wurden. Und es kamen dann Laufbandsendungen mit Moderatoren für die andere Redakteure die Songs aussuchten. Übrigens haben wir auch heute noch Musiksendungen, die von den entsprechenden Musikredakteuren moderiert wurden – nämlich in «Nightlife».
Sie wollen damit sagen, BAYERN 3 ist kein Sender, wo ein Computer-Programm die komplette Musikliste ausspuckt.
Richtig. Wir legen sehr viel Wert darauf und leisten uns auch heute noch eine große Musikredaktion. Programme wie Selector bestimmen bei uns nicht die Musikpläne – und so ist es immer wieder der Fall, dass unsere Redakteure für die entsprechenden Moderatoren auch mal ein Zuckerle mit reinpacken (lacht).
Glauben Sie denn, dass es die Hörer wirklich noch interessiert, dass da ein Moderator mit großen Musikwissen am Mirko sitzt?
Es geht mir um Personalitys. Ich sage ja bei jedem Interview, das ich gebe, dass für mich das Formatradio klassischer Prägung gestorben ist. Und ich sage auch gerne, dass für mich nicht nur Radiosender zur Konkurrenz gehören, sondern auch mp3-Player, iPod und Co. Deshalb meine ich, dass im Radio heute Personality mehr gefragt ist denn je.
Ich kenne Ihren Satz „Formatradio ist tot“. Angesichts der vergangenen MA-Ergebnisse, in denen Antenne Bayern mit einem Plus von 20 Prozent durch die Decke schoss, kann man Ihnen diesen aber um die Ohren hauen, oder?
Natürlich. Der Erfolg gibt den Kollegen recht. Aber genau ein Jahr zuvor war BAYERN 3 der große Gewinner. Wir hatten damals unser Format gebrochen. Wir haben zum Beispiel entschieden, dass es keine Zeitlimits mehr bei den «Frühaufdrehern» gibt. 1 Minute 30 kann stinklangweilig sein, umgekehrt kann es höchst spannende 4:30-Takes geben. Wir bekommen immer wieder Zuschriften, die sich an längeren Beiträgen in unserem Programm erfreuen. Der große Erfolg von Antenne Bayern bei der zurückliegenden MA war auch ein Marketing-Erfolg. Wir hatten uns bis dahin immer stärker angenähert – aber Antenne Bayern hat 2012 einfach ganz Bayern zuplakatiert – fast jede Plakatwand war gelb-blau. Dazu haben wir nicht das Budget. Und Valerie Weber, die Programmdirektorin, hat auch mehr Inhalte ins Programm gehievt. Es freut mich auch, dass sich immer mehr herumspricht, dass es Quatsch ist, nur die 600 best-testenden Hits zu spielen, weil die Hörer sonst angeblich wegschalten.
Haben sich öffentlich-rechtliche Sender wie BAYERN 3 in der Vergangenheit auch immer mehr an das Privatradio angenähert?
Ich würde sagen, die Sender haben sich eher gegenseitig angenähert. Natürlich kommen auch wir nicht ohne Claims aus – ich weiß auch, dass sich einige daran stören. Aber ich nenne ein Beispiel: Vor einigen Jahren waren wir bei Marktanalysen mit unserem Wetterbericht immer die Nummer 3 in Bayern. Dann haben wir den Claim „Bayerns bester Wetterbericht“ eingeführt – die Aufmachung des Wetterberichts, die Meteorologen, die Wetterredaktion – alles ist gleich geblieben. Binnen eines Jahres waren wir laut Marktforschung plötzlich die Nummer 1. BAYERN 3 ist letztlich auch ein Dienstleister – wir haben den Auftrag, dass wir Hörer erreichen – im besten Fall zufriedene Hörer. Es bringt niemandem etwas, wenn wir ein vermeintlich richtig gutes Radioprogramm machen, dass dann aber keiner hört.
Das ist dann also die Annäherung zu den Privaten.
Wenn man es mit unserem Programm von vor 20 Jahren vergleicht, dann ganz sicher. Jürgen Herrmann sagt immer, man sei vor dem Privatradio auf einer „Insel der Glückseeligen“ gewesen. Keiner hat abgeschaltet, weil es keine Alternative gab. Die Privaten haben zu Beginn sehr viel in Sachen Unterhaltung getan – BAYERN 3 hatte in Image-Umfragen nahezu keine Unterhaltungskompetenz. Heute ist es so, dass sich die Privaten auch mehr um Infokompetenz bemühen. Schauen Sie auf unsere einstige Morningshow, die auch genau so hieß. Markus Othmer und Roman Roell haben sie über zehn Jahre sehr gut gemacht. Sie hatte sehr hohe Kompetenz-Werte, sehr hohe Sympathie-Werte. Aber sie galt als „zu trocken“, weil sie zu wenig unterhaltend war. Aus den USA habe ich dann vor einigen Jahren die Idee mitgebracht, gleich drei Moderatoren einzusetzen – das gab es in Bayern bisher nicht. Und auch, wenn wir hier zuletzt leicht verloren haben, erreichen «Die Frühaufdreher» immer noch doppelt so viele Menschen wie früher.
Wie wollen Sie vor allem junges Publikum für BAYERN 3 begeistern?
Wir haben neben BAYERN 3 unser Jugendradio on3 – das bald zu einem neuen on3 wird. Leider haben wir dafür keine UKW-Frequenz, aber der Rundfunkvertrag sieht eben nicht mehr als fünf Stück für den BR vor. Aber wir haben viele junge Leute in Bayern, die ein Smartphone besitzen: Es wird zum Start eine eigene on3-App geben, über die man den Sender dann hören kann. Wir senden über Kabel, im Digitalradio und natürlich auch via Internet. BAYERN 3 ist nicht der klassische Jugendsender, wenngleich wir rund 700.000 Hörer unter 30 Jahren haben. Ich glaube, dass wir für diese aktuell mehr tun als noch vor einem halben Jahr. Wir haben die Musik verjüngt und bauen auch immer mehr junge Moderatoren ein – Sebastian Winkler ist hier ein Beispiel. Das betrifft letztlich den kompletten BR. Auch Bayern 1 wird immer jünger. Eigentlich klingt Bayern 1 heute ähnlich wie BAYERN 3 vor 15 Jahren.
Bleiben wir bei den jüngeren Hörern. Anders als SWR 3 zum Beispiel leisten Sie sich noch keine eigene Dance-Sendung. Wieso nicht? Dafür gibt es an sehr vielen Abenden Rock-Formate.
Die Musiktests besagen, dass bei den Jüngeren vor allem zwei Richtungen sehr angesagt sind. Das sind Dance-Hits von meinetwegen Flo Rida oder David Guetta, aber auch Rock. Rock dominiert in Bayern weiterhin enorm. Das mag daran liegen, dass wir ein sehr rock-sozialisiertes Bundesland sind. Aber es ändert sich auch etwas: Schwarze Musik wird heute mehr akzeptiert als noch vor ein paar Jahren. Wir werden in diesem Bereich auch immer aktiver. Was eigene Musiksendungen angeht: Ich denke, dass wir abends mit «Matuschke» eine sehr große Bandbreite im Programm haben und damit auch junges Publikum ansprechen.
Am Freitag lief im Bayerischen Fernsehen erstmals «Am Freitag auf’d Nacht» - mit BAYERN 3-Moderatorin Brigitte Theile. Wieso fiel die Wahl auf sie?
Weil es auch ihr Konzept war. Sie steht für eine große Personality bei uns. Die Sendung ist eine Gemeinschaftsproduktion des Hörfunks und des Bayerischen Fernsehens mit dem Programmbereich "Unterhaltung", den Annette Siebenbürger leitet. Wir wollen damit gemeinsam ein etwas jüngeres Publikum erreichen. Damit meine ich Menschen über 30 Jahre, was für das Bayerische Fernsehen schon wirklich jung ist. Nach einer «Mensch, Theile»-Sendung, in der Hans Sigl zu Gast war, kam Brigitte Theile mit dem Wunsch, etwas gemeinsam mit Hans Sigl zu machen, weil beide so gut harmonierten. Wir hatten zuerst in Richtung Radio gedacht, als Brigitte Theile dann aber das TV-Konzept vorgelegt hat, war uns schnell klar, dass damit der richtige Verbreitungsweg gefunden wurde.
Wie fanden Sie die erste Sendung?
Ich fand sie gut. Natürlich sind wir noch nicht da, wo wir final hinwollen. Man muss aber sehen, dass beide keine Erfahrungen im Bereich der TV-Moderation haben. Brigitte Theile war bisher ausschließlich im Radio zu hören, Hans Sigl ist ein toller Schauspieler und Kabarettist. Ich sehe da unglaublich viel Potential.
Herr Schmich, wir müssen natürlich über Thomas Gottschalk sprechen: Er wird im März eine «Kultabend»-Sendung machen. Sind Sie sich sicher, dass danach weitere folgen?
Ich glaube und hoffe, dass weitere folgen. Ich stehe mit Thomas Gottschalk seit Längerem in Kontakt – die Sendung «Kultabend» habe ich schon seit Längerem, eigentlich seitdem ich Programmchef bei BAYERN 3 bin, vor meinem inneren Auge. Ich wusste immer: Da muss Thomas Gottschalk dabei sein. Als seine Zusage kam, ich hatte mich mit ihm in einem Hotel getroffen, sagte er: „Ich habe da richtig Bock drauf.“ Bei ihm ist es nur so, dass es schwer ist, seine Einsätze zu planen. Wenn ihm seine erste Sendung Spaß macht, dann will er auch weitere moderieren. Und wir von BAYERN 3 würden für ihn dann auch schon bestehende Moderationspläne umschmeißen. Als Gottschalk zuletzt im Rahmen von „40 Jahre BAYERN 3“ bei uns war, wurde mir wieder klar, dass er eigentlich ein Radiomann ist.
Zuletzt noch ein paar Worte zum neuen on3-Radio: Wann geht es los, wie weit sind die Planungen?
Ich hoffe, dass wir mit dem neuen Programm noch im April starten können. Wir wollen uns da aber keinen Druck machen. Ich freue mich sehr, dass wir Thomas Müller als Leiter des Programms holen konnten. Er war früher selbst Musikredakteur bei BAYERN 3 und zuletzt sehr erfolgreich tätig beim Aufbau von iTunes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Das neue on3 wird ein Vollprogramm mit deutlich mehr moderierten Strecken und einer komplett neuen Morning-Show. Wir müssen uns da dem Fakt anpassen, dass wir nicht über UKW senden, deshalb gehen wir aktuell davon aus, dass unsere Morgensendung um sieben Uhr startet. Unsere Nachrichten, die wir bisher aber noch nicht genau geplant haben, sollen anders werden als die Nachrichten anderer Sender.
Wie viel Ähnlichkeit werden Sie mit bestehenden Jugend-Sendern wie DasDing haben?
Musikalisch wollen wir kein zweites DasDing werden. Es gibt in Bayern einige Radiostationen, Energy, Gong, die da recht ähnlich sind. Bei on3 wird ein Schwerpunkt die Newcomer-Förderung sein, die uns beim BR sehr wichtig ist. Es wird auch eine große Kooperation mit BAYERN 3 geben. Künftig wird es am Freitagabend nach den «Schlagern der Woche» eine gemeinsame Sendung von BAYERN 3 und on3 geben. Aber keine Angst: Die bisher dort gesendete «Newcomershow» bekommt einen neuen Sendeplatz.
Vielen Dank für das Gespräch und die vielen Informationen, Herr Schmich.