Die Kino-Kritiker

«Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben»

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Zwar steht «Stirb langsam» im Titel, doch die Actionfilm-Katastrophe «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» hat nichts mit der genialen Filmreihe gemein.

Im Juli feiert Bruce Willis' Ausnahmerolle John McClane ihr 25-jähriges Leinwandjubiläum. Im Laufe eines Vierteljahrhunderts schlug sich der bauernschlaue, fehlbare, doch mit eisernem Willen ausgestattete Cop durch ein von Terroristen eingenommenes Hochhaus, geriet auf einem eingeschneiten Flughafen in großen Trubel und wurde im Rahmen eines explosiven Rätsels quer durch New York City gehetzt. Zuletzt rettete er sogar die gesamten Vereinigten Staaten von Amerika vor einem massiven Anschlag von Cyberterroristen. Einig sind sich die meisten Fans der «Stirb langsam»-Filmreihe bislang nur in einer Frage: An den ersten Teil kommt keiner heran. In welcher Rangfolge die Fortsetzungen zu bewerten sind, da scheiden sich derweil die Geister.

Zum silbernen Jahrestag schenkt das «Stirb langsam»-Franchise seinen Liebhabern nun jedoch einen fünften Teil, und dieser ist Anlass für eine weitere konsensfähige Meinung. Was für ein verseuchtes Geschenk die Produzenten den Kinogängern da machen, denn «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» schießt sich ohne mit der Wimper zu zucken bis zur roten Laterne dieser Actionreihe durch.

Das Übel nimmt seinen Anfang, als John McClane nach Moskau reist, um seinem Sohn Jack (Jai Courtney) beizustehen, der wegen Mordes vor Gericht steht. Da den McClanes das Chaos an den Fersen haftet, wie anderen Hundekot am Schuh, rennt John McClane am ersten Tag der Verhandlung gegen seinen Sohn schnurstracks in einen aufwändigen Anschlag auf das Gerichtsgebäude. Sowohl Jack als auch der ebenfalls angeklagte Politgefangene Yuri Komarov (Sebastian Koch) können sich infolgedessen befreien. Während ihrer Flucht versucht John, seinen Sohn zur Rede zu stellen, der allerdings wenig erfreut ist, seinen alten Herren zu sehen. Eine Verfolgungsjagd zwischen John, seinem Sohn und einer Gruppe Terroristen später, klären sich die Verhältnisse: Jack arbeitet für den CIA und ist damit beauftragt, Yuri in Sicherheit zu bringen. Anfangs ist Jack sicher, dass John ihm den Auftrag vermasselte, aber schnell zeigt sich, dass der alte Hase mit seiner Erfahrung die beste Unterstützung darstellt, die sich ein junger Agent wünschen kann …

Drehbuchautor Skip Woods, der bereits die kritisch aufgenommenen «X-Mens Origins: Wolverine» und «Das A-Team – Der Film» verantwortete, legte sein Skript zu John McClanes fünften Kinoeinsatz von Beginn an als «Stirb langsam»-Skript an. Umso rätselhafter, dass die daraus entstandene Produktion das geringste «Stirb langsam»-Feeling versprüht, obwohl sämtliche vorhergegangenen Teile auf eigenständigen Drehbüchern oder verworfenen Fortsetzungen anderer Reihen basieren. So gesehen haben Skip Woods und Regisseur John Moore («Max Payne») das Unmögliche möglich gemacht: Nach nur wenigen Minuten breitet sich der fade Geschmack eines 08/15-Actionstreifens ohne jede eigene Identität aus, den Bruce Willis zwischen zwei wichtigen Projekten abfilmt, um sich Langeweile zu vertreiben. Der Vorspann kündigt einen neuen «Stirb langsam» an, doch der Film liefert nur unkonzentrierte, seelenlose Grabbeltischware der Qualitätsgüte von «The Cold Light of Day», «Catch .44» oder «Set Up» ab.

Es hapert bereits an der grundlegenden Story. Ist «Stirb langsam» ein Musterbeispiel für einen in sich schlüssigen Actionfilm mit cleveren Schurken und sind auch die Fortsetzungen trotz einzelner Übertreibungen plausibel und durchdacht, hat die Handlung des fünften Teils weder Hand noch Fuß. Der Auftrag Jack McClanes ist völlig verworren, die Motive der Schurken sind absurd und gen Schluss scheint Skip Woods plötzlich die «Stirb langsam»-Reihe mit den Bond-Filmen des Kalten Kriegs verwechselt zu haben, denn sein Umgang mit der nuklearen Bedrohung ist direkt aus den 60er-Jahren entsprungen. Hinzu kommt eine mit dem Brecheisen hinein gezwungene, kaputte Vater-Sohn-Beziehung, deren Dramatik nicht tiefer reicht als der Vorwurf „Du warst nicht oft genug für mich da“, und fertig ist das Handlungspaket.

Schädlicher als die halbseidene Handlung ist jedoch, dass die Verantwortlichen hinter «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» aus den Augen verloren, was diese Filmreihe von den Actionern abhebt, die vor dem Erstling das Kino dominierten. «Stirb langsam» überraschte 1988 in einer Zeit, in der Arnold Schwarzeneggers und Sylvester Stallones Leinwand-Alter-Egos unbeschadet als Ein-Mann-Armee ganze Staaten auseinandernahmen, mit einem Normalo als Helden. John McClane war kein Supermann, seine Pläne schlugen zwischenzeitlich fehl und am Ende des Films war er ein körperliches Wrack. Auch die Fortsetzungen waren zwar nicht gezwungenermaßen hyperrealistisch, so kommt McClanes Tänzchen mit einem Kampfjet in Teil vier in den Sinn, trotzdem blieb McClane ein leidender, an die Grenzen seiner körperlichen Kräfte gehender Held. Und damit hatte er stets die Sympathie des Publikums sicher: McClane ist nicht besonders klug oder herausragend stark – und dennoch gewinnt er mit Willen und Glück den Tag.

In seinem fünften Kinofilm macht McClane endgültig die von puristischen Fans des ersten Teils lang befürchtete Wandlung zum Superhelden durch. Er rennt auf rasende Autos zu, um diese zu stoppen, und zieht sich nicht einmal eine Schramme zu. Später fällt er ein Hochhausgerüst runter und muss sich daraufhin bloß einen kleinen Splitter aus einer überschaubaren Wunde ziehen. Sah McClane am Ende von «Stirb langsam» aus, als hätte er in Schlachtabfällen gebadet, ist er am Ende von «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» nahezu taufrisch. Und es ist nicht so, als hätte man einfach nur an Effektschminke gespart: Der gesamte Film ist frei von Konsequenzen, es geschieht nichts, was von dauerhafter Wirkung wäre. Und dies gilt für den gesamten Film: Waren die ersten vier Filme voll mit denkwürdigen Momenten, ist dieser Part schon nach dem Abspann völlig vergessen.

Mancher Kinogänger wird diese Kritikpunkte womöglich abwiegeln. „Dann ist «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» halt seinen Vorläufern gegenüber untreu. Egal, Hauptsache er rockt für rund 90 Minuten als Actionfilm!“ Bloß enttäuscht McClanes fünfter Einsatz nicht nur, wenn man ihn mit «Stirb langsam»-Maßstäben misst, sondern auch, wenn man ihn als alleinstehenden Film betrachtet. Die dynamischste der zentralen Actionszenen des 97-Minüters ist die mit starkem, handgemachten Krawall aufwartende Verfolgungsjagd, bei der allen einfallsreichen Stunts zum Trotz keine Spannung aufkommen will. Regisseur John Moore und sein Stamm-Kameramann Jonathan Sela fangen die ausführliche Sequenz in verwackelten Bildern und zahlreichen Close-Ups ein, die dem Zuschauer aufgrund des schnellen Schnitts durch Dan Zimmerman («Spy Kids 4D: Alle Zeit der Welt») jegliches Gefühl für Übersicht rauben. Hinzu kommen amateurhafte Zooms wie aus einem 70er-Exploitationfilm, die kein Flair aufbringen wie ihre pointierte Verwendung in Quentin Tarantinos «Django Unchained», sondern einfach bloß von Faulheit zeugen.

All diese Komponenten zerstören zusammengenommen die Wucht dieser massiven Actionsequenz, die somit künstlich und undramatisch erscheint – aber noch immer nicht stylisch und hektisch genug ist, um an den schieren Bombast eines Michael Bay zu reichen. Das wäre zwar uncharakteristisch für einen «Stirb langsam»-Film, aber immerhin wieder mitreißend. Was Moore, Sela und Zimmermann verbrechen, fällt dagegen zwischen zwei Stühle. Und dennoch ist die Verfolgungsjagd durch den Moskauer Rush-Hour-Verkehr der Action-Höhepunkt des Films, denn die restlichen Actionsequenzen sind völlig leblose, unbeeindruckende CG-Ungetüme ohne jede Wucht.

Den qualitativen Verfall während des Films muss offenbar sogar Komponist Marco Beltraimi («Scream 1 – 4») bemerkt haben: Lässt er anfangs vorantreibende, kraftvolle und eindringliche, nicht aber zu aufdringliche Begleitmusik erklingen, rutschen seine Kompositionen mit voranschreitender Laufzeit mehr und mehr in austauschbares B-Actionfilm-Allerlei ab.

So ist es einzig und allein Bruce Willis, der in «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» Gesicht wahrt. Obwohl seine Paraderolle noch nie blassere, langweiligere Widersacher zu bekämpfen hatte und nie zuvor sein Gefährte wortkarger und anstrengender war (Jai Courtney hat im Zusammenspiel mit Bruce Willis die Ausstrahlung eines angesäuerten Laib Brots), hält der Actionstar mit aller Mühe den klassischen «Sitbr langsam»-Witz aufrecht. Seine genervten „Ich habe keinen Bock auf diese Scheiße, aber was soll ich schon anderes tun?“-Sprüche sind das alleinige Qualitätsmerkmal dieser Franchise-Bruchlandung.

Bruce Willis macht auf der Pressetour zu «Stirb langsam – Ein guter Tag zum Sterben» bereits auf einen sechsten Teil heiß. Der darf gerne kommen. John McClane muss dringend einen weiteren Kampf gegen das Böse aufnehmen, denn mit so einem spannungsarmen, charakterlosen Film wie diesem sollte sich keine Leinwand-Ikone in den Ruhestand verabschieden.

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