Sonntagsfragen

Thilo Mischke: 'Ich darf das, ich bin Atheist'

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Journalist und Buchautor Thilo Mischke spricht im Vorfeld des Starts seines ZDFneo-Sextalks «Heiß & fettig» über seinen Moderationsstil, erklärt, ob es Humor und Tabus beim Thema Sex geben sollte, und verrät, welche Ausrede er gegenüber konservativen Kritikern parat hat.

Mehr über «Heiß & Fettig»

Der Sextalk «Heiß & Fettig» war 2012 eines der Formate, die ZDFneo im Rahmen des TVlab austestete. Obwohl es die Abstimmung nicht gewann, setzte der Digitalsender auf eine Fortführung – wenngleich mit neuer Location und mit neuem Moderator. Thilo Mischke, unter anderem durch seine Arbeit beim monatlichen Printmagazin Neon und als Sachbuchautor bekannt, begrüßt das TV-Publikum ab Donnerstag, dem 11. Juli, immer um 22.15 Uhr zum offenen Sexgespräch.
«Heiß & fettig» wurde ursprünglich als Teil des ZDFneo-TVlabs von Ulrike Schreiber und Jan Köppen präsentiert. Wie kam es dazu, dass nun Sie den Moderatorenposten einnehmen?

Ich wurde erst als Gast eingeladen und dann, kurze Zeit später, gefragt, ob ich es nicht moderieren möchte. Über die Umstände, warum ich nun vom Gast zum Host wurde, habe ich mich nicht weiter informiert.

Das Format wird fortan nicht mehr in einer Berliner Burgerbude, sondern einem Hamburger Szeneclub gedreht. Wieso blieb dennoch der auf die Lokalität anspielende Titel bestehen?

Das würde ich auch gerne wissen.

Inwiefern werden Sie dem Sextalk Ihren eigenen Stempel verleihen, der sich von dem Stil der Pilotfolge unterscheidet?

Zu aller erst bin ich eine andere Person, ich habe wenig bis keine Fernseherfahrung, und wenn ich im Fernsehen bin, dann nehme ich nur aus Verlegenheit eine vorsichtige Veränderung meiner Person vor. Ich weiß nicht, wie es ist, witzig zu sein, oder professionell, oder eindeutig. Ich mache die Sendung, so wie ich mich eben auch mit Freunden unterhalten würde. Manchmal direkt, manchmal vorsichtig. Und manchmal weiß ich eben auch nicht weiter. Ich habe mir, um mir kein eigenes Vorbild zu geben, die Sendung mit Jan Köppen nicht angesehen. Deswegen fällt mir ein direkter Vergleich schwer. Ganz oberflächlicher Unterschied jedoch: Jan Köppen sieht besser aus als ich.

Wie wichtig ist Humor im Gespräch über das Thema Sex – und ab wann sollte man lieber bierernst werden?

Es ist nicht wichtig, Humor in Gesprächen über Sex zu beweisen. Wenn ich mich an meine eigenen Gespräche über Sexualität erinnere, an Gespräche mit meinen Eltern, mit meinen Freunden und manchmal auch mit fremden Frauen, dann waren diese ohne Humor. Das bedeutet aber nicht, dass sie humorlos sind. Sie sind einfach da, diese Gespräche und sie funktionieren. So lächerlich es klingt: Sexualität ist ein Grundbedürfnis, wie Essen. Und bei Gesprächen zum Thema Essen ist es ja auch nicht wichtig, sehr lustig zu sein. Oder haben sie schon mal gehört, dass jemand ein besserer Zwei-Sterne-Koch ist, weil er mit Bouletten lacht?

Sind Tabus beim Thema Sex nur Hindernisse – oder denken Sie, dass über alles gesprochen werden sollte?

Hierzu habe ich zwei Meinungen, als Sohn eines DDR-Kulturwissenschaftlers, der sich auf Sexualästhetik und Faschismustheorie spezialisiert hat, bin ich der festen Überzeugung, dass es keine Tabus gibt. Was aber auf gar keinen Fall bedeuten soll, dass jede Form der Sexualität begrüßens - und förderungswert ist. Pädophilie, Päderastie, Sodomie, Gewalt und Unterdrückung in der Sexualität müssen in der Sexualwissenschaft streng diskutiert werden. Weil so etwas verstanden wird, um es zu verhindern. Der öffentliche Diskurs sollte stattfinden, damit Menschen die unter solchen sexuellen Konditionen leiden, Hilfe suchen und finden - und sich nicht verstecken.
Meine zweite Meinung ist: Ja, es gibt Tabus, die nicht in einem freundlich-öffentlichen Plausch mit, zum Beispiel, Paula Lambert diskutiert werden sollten. Ich bin nicht in der Lage, wie viele andere auch, eine korrekte Einschätzung zu vielen Themen der menschlichen Sexualität zu geben, insbesondere derer, die ich oben genannt habe. Das sorgt nur für Verwirrung. Im Privaten habe ich allerdings unterschiedlichste Meinungen zum Thema Sex.

Unverblümte Sexgespräche im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – ein Aufschrei von Moralhütern ist da nahezu garantiert. Welche Rechtfertigung für Ihr Talkformat haben Sie parat, mit der Sie die Kritik der Moralapostel schon vorab abwürgen können?

Ich darf das, ich bin Atheist. Aber ich glaube, es wird keinen Aufschrei geben. Auch das Öffentlich-Rechtliche ist nicht 250 Jahre alt und wurde in einer Klosterschule erzogen. Und wenn es hart auf hart kommt, meckere ich einfach über Entsetzlichkeiten des deutschen Fernsehens: Wie zum Beispiel «Unsere Mütter, unsere Väter». Geschichtsverblendung und Schuldgeständnisse eines Oberstufen-Lehrbuchs von 1950. Das finde ich viel gefährlicher.

Wie gestaltete sich die Suche nach Talkgästen für «Heiß & fettig»?

Keine Ahnung - aber ich glaube hektisch. Sollte es eine zweite Staffel geben, bin ich aber für eine leichte Umgestaltung der Gäste: Nicht mehr nur bekannte Gesichter, die das Thema Sexualität als Teil ihrer Persönlichkeit sehen, sondern auch mal sexuelle Tatsachen erklären: Mit Gästen. Urologen, Menschen die mal eine Geschlechtskrankheit hatten - und glücklicherweise darüber reden. Verbotene Autoren aus dem Ausland. Möglichkeiten gibt es viele.

Erst Ihre Bücher „In 80 Frauen um die Welt“ und „Wir, intim: Das Sexbuch“, dann das ProSieben-Format «Unter fremden Decken» und nun «Heiß & fettig»: Wann haben Sie gemerkt, dass sie zum neuen Sex-Experten der Nation wurden?

Dass ich ein Sex-Experte bin, wusste ich noch gar nicht. Schon gar nicht der Nation. Mit Ausnahme von „Wir, intim“ sind die Bücher aber keine Sexbücher. Es sind Bücher die, aufgrund einer Verlagsentscheidung, sagen wir mal, dusselig-verkäufliche Titel haben. „In 80 Frauen...“ ist ja viel mehr Liebeskummer und unfähiger Männertrottel der denkt, wenn er flüchtet und sucht - ob nun Sex oder Liebe - wird das Leben besser.

Hat Ihr Karriereumschwung vom Videospielkritiker zum Sexkenner auch Nachteile?

Überhaupt nicht. Vielleicht doch: Ich bekomme weniger Videospiele als Pressemuster und muss mir die jetzt selbst kaufen.

Zum Abschluss: Wer sollte sich «Heiß & fettig» besser nicht ansehen?

Ich. Ich traue mich nämlich nicht, mich dabei zu beobachten, wie ich über Sex rede. Ich stelle mir das fürchterlicher vor, als seine eigene Stimme auf Kassette/mp3. Außerdem steht es mir überhaupt nicht zu, irgendjemandem zu verbieten meine Sendung zu gucken.

Herr Mischke, vielen Dank für Ihre Antworten und viel Erfolg mit Ihrem ZDFneo-Format.

Vielen Dank! Das waren sehr tolle Fragen. Viele Grüße aus Ruanda.

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