«Obese» im Ausland
- USA: 27 Folgen in drei Staffeln
- UK: 18 Folgen in zwei Staffeln
- Australien: 6 Folgen in einer Staffel
- Niederlande: 6 Folgen in einer Staffel
Quelle: Eyeworks
Die Crux an Abnehmshows für Fernsehsender besteht aber darin, dass ein solches Format – soll es authentisch sein – nicht mal auf die Schnelle produziert werden kann. Kurze Versuche mit einer Drehzeit von nur wenigen Wochen sind nicht authentisch – und das weiß jeder Zuschauer, der sich nur halbwegs mit dem Thema Essen und Diät auskennt. Das war vielleicht auch einer der Gründe, warum in Sat.1 jüngst die Abnehmshow «Secret Eaters» mehr schlecht als recht angenommen wurde. Für «The Biggest Loser» fliegen die Kandidaten mehrere Monate in die andalusische Sonne, das deutsche «Obese» begleitet die Dicken sogar ein ganzes Jahr lang. Sparen konnte RTL II an dem Format also nicht.
Das Konzept ist einfach erklärt: Felix Klemmes, ein Diplom-Sportwissenschaftler (der übrigens dem Host der britischen Show, Jessie Pavelka, durchaus ähnlich sieht), begleitet einen übergewichtigen Menschen ein ganzes Jahr lang mit dem Ziel, dass dieser extrem abnimmt. Jede Folge (geplant sind erstmal sechs) zeigt einen gänzlich neuen Fall. In der Premiere der RTL II-Sendung geht es um die über 170 Kilo wiegende Nina (21). Was «Obese» (oder «Extrem schwer», wie die Produktion hier in Anlehnung an den RTL II-Hit «Extrem schön» getauft wurde) so interessant macht für einen Sender wie RTL II: Mit dem Thema Abnehmen können in diesem Format alle anderen Hilfs-Formate glaubhaft verquickt werden. Da wird gleich zu Beginn das Zimmer – Off-Air! – umgestaltet, da werden Ernährungstipps gegeben und eine Familien-Krisensitzung abgehalten.
Glaubwürdig ist all das deshalb, weil das extreme Übergewicht der Protagonistin natürlich seine Ursachen hat und auch die gilt es während des Jahres zu bekämpfen. Das Eyeworks-Format schlägt damit sozusagen zwei Fliegen mit einer Klappe. Man hat einen maximal emotionalen Stoff, beschränkt sich nicht nur auf das Filmen von schweißtreibenden Übungseinheiten und erweckt am Ende den Eindruck, den Fall besonders ernst genommen zu haben. Das liegt vor allem auch an Personal-Trainer Felix, der zu Beginn der Dreharbeiten zwar Potential, aber ebenso Luft nach oben hatte. Allein im Laufe der ersten Folge war auch sein Reifeprozess zu erkennen – die Macher haben mit dieser Wahl eine sehr gute getroffen. Zurück aber zum Aufbau: Die Ausgangssituation und der Start des Projekts wird äußerst ausführlich dargestellt. Allein die ersten 14 Tage nehmen 35 der insgesamt rund 110 Minuten langen Folge ein. Danach wird das Tempo angezogen; für die weiteren Tage bis zur ersten Drei-Monats-Wiegung sind nur zehn Minuten eingeplant.
Alle drei Monate muss Nina sich in dem Format wiegen und möglichst ein von Felix gesetztes Ziel verfolgen. Anders als vielleicht erwartet wird bei dieser Wiegung aber auf die vielen möglichen Spannungselemente verzichtet. Dass sie ihre Ziele aber erreicht und binnen sechs Monaten mehr als 55 Kilo verloren hat, ist ein wirklicher Erfolg für «Extrem schwer». Erfreulich ist auch die Tatsache, dass in der Produktion komplett auf Aggression und Streit verzichtet wird. Mit einer kleinen Lebensbeichte auf einer Berghütte an Tag 91 versucht Eyeworks zwar das wohl vor allem weibliche Publikum anzusprechen und zu binden – das wirkt dann wie ein Mix aus verschiedenen schon gesehenen Realitys, darf aber mal sein. Ähnliches fühlt man auch, als gegen Ende der Sendung ein Bungee-Sprung von einer Staumauer ansteht – das hat zwar etwas mit sportlicher Betätigung zu tun, aber eben kaum mit dem klassischem Diät-TV. Vielmehr soll dadurch wohl Abwechslung ins sonst schon etwas langgeratene TV-Experiment kommen.
Das Ende dann beeindruckt aber durchaus. Hier verbindet die Produktion das klassische Reality-Fernsehen mit Cinderella-Motiven, die sonst aus der Fiction bekannt sein. Die Ergebnisse des einjährigen Trainings bei Nina sind beeindruckend, auch weil das Kamera-Team sie in den letzten drei Monaten des Programms nicht mehr begleitet hat und das letztliche Ergebnis auf den Zuschauer so noch mehr wirken kann.
Ob «Extrem schwer» auf Dauer ein Erfolg sein kann, muss somit aber in Frage gestellt werden. Hat Deutschland Interesse an einer hochwertigen Abnehm-Dokumentation, die hintergründig arbeitet, aufwendig gemacht ist und ein gutes Gleichgewicht findet zwischen Sport und Emotion? International läuft das Format zwar in vielen Ländern, aber längst nicht in allen mit dem Erfolg, den sich die Produzenten gewünscht hätten. Das ist nun das Risiko – denn der Vorlauf und somit auch die Kosten waren hoch. Aus «Extrem schwer» kann „Extrem gefloppt“ werden – oder aber auch „Extrem überrascht“.