Diesmal war es ZDFneo mit seinem Factual-Format «Der Rassist in uns», das am Donnerstagabend um 22.15 Uhr laufen wird. Die zugrunde liegende Idee ist schnell erklärt – und so einfach wie genial:
Die Sendung basiert auf dem Antirassismus-Training der amerikanischen Grundschullehrerin Jane Elliott, das sie nach der Ermordung Martin Luther-Kings 1968 erdachte und im selben Jahr an einer Schulklasse erstmalig erprobte. Um ihre weißen Schüler im (ethnisch weitgehend homogenen) ländlichen Iowa Rassismus als alltägliche Erfahrung erleben, anstatt sie nur darüber reden zu lassen, wie sie sich das Leben als Zugehöriger zu einer Minderheit so vorstellen, teilte sie ihre Klasse nach der Augenfarbe in zwei Gruppen ein: die Braunäugigen und die Blauäugigen. Klingt bekloppt, ist aber ein genauso zufälliges Kriterium wie Hautfarbe, Herkunft oder sexuelle Orientierung, die bis heute gerne als Unterscheidungsmerkmale zum fröhlichen Diskriminieren herhalten dürfen.
Elliott gab ihren blauäugigen Schülern als erstes weitreichende Privilegien: längere Schulpausen, hübschere Freizeitgeräte, größere Rationen beim Lunch. Erste Auswirkungen ließen nicht lange auf sich warten. Die Blauäugigen behandelten ihre Braunäugigen Mitschüler bald herablassend; die akademischen Leistungen der privilegierten Gruppe stiegen schlagartig, während die der benachteiligten in den Keller sausten.
Heute veranstaltet Elliott ihre Schulungen für große Konzerne und amerikanische Behörden.
- ZDF/Sandra Hoever
Blaue Augen - braune Augen. Neununddreißig Protagonisten, wurden genau nach diesen Gesichtspunkten eingeteilt und im anschließenden Selbstversuch unterschiedlich behandelt.
Auch der deutsche Anti-Rassismus-Trainer Jürgen Schlicher ist von ihr ausgebildet worden. Für ZDFneo absolvierten 39 Teilnehmer eine vierstündige Sitzung bei ihm, in der die Braunäugigen die privilegierte Gruppe waren und die Blauäugigen die Diskriminierten.
Schon bei der Anmeldung zur Veranstaltung, als die Probanden noch gar nicht wussten, worum es gehen würde, machte er ganze Arbeit: Die Braunäugigen behandelte er freundlich und zuvorkommend, die Blauäugigen wie den letzten Dreck. Ein Teil von ihnen ging schnurstracks wieder nach Hause. Diejenigen von ihnen, die geblieben sind, wurden in ein anderes Gebäude weggebracht, nachdem man ihnen grüne Kragen um den Hals gelegt hatte, um sie jederzeit sofort als der diskriminierten Gruppe zugehörig identifizieren zu können. Und während die sich in einem kargen Raum eine lange Wartezeit absitzen mussten, die nur die ständigen, herablassenden Kontrollen der Spielleiter unterbrachen, begann Schlicher bei den privilegierten Braunäugigen mit der Indoktrination, die sich vereinfachend als eine hoch wirkungsvolle (!) Persiflage auf bestehende Vorurteile gegenüber Menschen nicht-weißer Hautfarbe zusammenfassen lässt. Der hirnverbrannte Höhepunkt war die Analyse, Blauäugige seien von Natur aus intellektuell schwerfälliger als Braunäugige wegen des niedrigeren Melaninspiegels in der Iris, wodurch zu viel Sonnenlicht im Gehirn ankomme. Irre. Und erschreckend, wenn man bedenkt, mit welch frappierend ähnlich wirren Gedankenmodellen auch in der jüngeren Weltgeschichte allerhand rassistische Vorgehensweisen bis hin zum Völkermord begründet wurden.
Zwei Experten, die Sozialpsychologin Prof. Dr. Juliane Degner und der Sozialpädagoge Prof. Dr. Mark Schrödter, kommentierten zusammen mit dem kompetenten und engagierten Moderator Amiaz Habtu das Geschehen während des Trainings und steuerten spannende Reflexionen bei.
«Der Rassist in uns» ist nicht nur eines der sehr wenigen Factual-Formate mit hoher gesellschaftlicher Relevanz – es kann geradezu als Lehrstück dafür dienen, wie sich intellektueller Anspruch und eine große (emotionale) Nähe zum Zuschauer wunderbar miteinander vereinbaren lassen.
Dass die Sendung spätabends bei ZDFneo läuft, ist der bei weitem größte Kritikpunkt. Viel lieber hätte man sie im Hauptprogramm in der Prime-Time gesehen. Dort, wo sie noch mehr bewegen hätte können.
ZDFneo zeigt «Der Rassist in uns» am Donnerstag, den 10. Juli um 22.15 Uhr.