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Am Abend jenes Mittwochs im August ging die Redaktion auf der Jagd nach Beachtung noch einen Schritt weiter und nahm einen Beitrag über eine Gesellschaft für Humanes Sterben ins Programm, die sich für die Legalisierung der Sterbebegleitung und -hilfe sowie für ein Selbstbestimmungsrecht bis zum unwiderruflichen Lebensende einsetzte. In der damaligen Reportage wurde nun behauptet, die Organisation würde den Selbstmord nicht nur verharmlosen und finanziell ausnutzen, sondern obendrein sogar Anleitungen zur Selbsttötung verbreiten. Als Beweis zeigte man anschließend ein selbstgedrehtes Video des 51jährigen Christian Sch., der sich zuvor eine solche Anleitung besorgt und dann seinen eigenen Freitod gefilmt hatte. Die Aufnahmen zeigten ihn, wie er nackt in der Badewanne saß und in die Kamera erklärte, dass er gerade ein tödliches Medikament genommen hatte. Kurz darauf begann sein Ringen mit dem Tod. Er krümmte sich, würgte und röchelte minutenlang im wahrsten Sinne des Wortes um sein Leben. Erst wenige Augenblicke bevor er diesen Kampf endgültig verlor, hielten die Verantwortlichen das Bewegtbild an und wiesen darauf hin, dass man den Zuschauern nicht noch mehr zumuten wolle. Dies hielt sie jedoch nicht davon ab, die Audiospur weiterlaufen zu lassen, die schließlich um kurz nach 22.00 Uhr im freizugänglichen Fernsehen die letzten Atemzüge des Mannes dokumentierte.
Die verstörenden Bilder und Töne sorgten in den nachfolgenden Tagen bei einigen Journalisten für Kritik am Sender Sat.1 sowie an den verantwortlichen Redakteuren, denen sie Sensationslust und Unmenschlichkeit vorwarfen. Diese wiederum rechtfertigten den Einspielfilm, damit, dass das Video beweisen sollte, dass die Ratschläge der Organisation eben gerade nicht human sein würden. Eine Begründung, die scheinheilig und vorgeschoben wirkte, schon deshalb weil man der BILD-Zeitung die Aufnahmen vorab zur Verfügung gestellt hatte und sich das Blatt am Morgen der Ausstrahlung bereits ausführlich auf der Titelseite darüber auslassen konnte. All diesen verzweifelt wirkenden Bemühungen zum Trotz blieben die erreichten Sehbeteiligungen überschaubar, denn im Schnitt hatten lediglich 2,09 Millionen Menschen eingeschaltet. Dies entsprach sowohl unter allen Zuschauern, als auch in der werberelevanten Zielgruppe einem knapp zweistelligen Marktanteil. Wohl auch deswegen verschwand der Vorfall schnell wieder im Schleier der Vergessenheit.
„Das Selbstmord-Video“ löste trotz seiner Drastik und absichtlichen Provokation lediglich eine kurze Empörung, aber keine nachhaltige Diskussion aus – weder über die Sterbehilfe noch über moralische Grenzen im Fernsehen. Stattdessen sorgte später ein Bericht des Magazins für Aufregung, in welchem dem Moderator Thomas Gottschalk aufgrund einiger dubioser Zufälle eine Mitgliedschaft bei Scientology unterstellt wurde. Was für eine Aussage.
Die nächste Ausgabe des Skandalfriedhofs erscheint am Donnerstag in zwei Wochen und widmet sich dann dem pietätlosen Auftritt eines Talkshowmoderators nach einem tödlichen Amoklauf.